So., 30.05.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Die Vogelkiller von Helgoland
Helgoland – Für Zugvögel eine Oase...
Jedes Jahr machen auf Helgoland Zehntausende Zugvögel Station. Bei ihrem Flug über die Deutsche Bucht in ihre Winterquartiere oder in die Brutgebiete ist die Hochseeinsel nach mehreren hundert Kilometern Wasserwüste für sie oft die erste Gelegenheit zur Rast. Vor allem bei schlechtem Wetter fallen in der Zugzeit täglich oft mehrere Tausend Vögel ein, um sich auszuruhen und endlich wieder etwas zu fressen.
...und gefährliches Pflaster zugleich
Gerade gelandet laufen sie aber oft direkt ins Messer, denn auf der Insel warten schon die Katzen. Die Ankömmlinge sind meist weder alt noch krank, dafür aber erschöpft und desorientiert auf fremdem Terrain, und so werden sie überdurchschnittlich häufig von den samtpfötigen Jägern gerissen.
Gerade seltene Vogelarten sind besonders gefährdet: Sie sind meist sehr speziell an einen bestimmten Lebensraum angepasst, den sie auf Helgoland aber nicht finden – Wasservögel wie die Bekassine oder das Teichhuhn beispielsweise suchen dort vergeblich nach einem Teich und sind deshalb doppelt hilflos.
Die Bilanz von vier Jahren
Vor fast zehn Jahren, zwischen 1999 und 2003 haben die Ornithologen vom Institut für Vogelforschung Vogelwarte Helgoland die Todesursachen für Vögel auf der Insel systematisch untersucht. An der Spitze standen die Katzen mit rund 1750 gerissenen Vögeln. Greifvögeln wie Sperbern oder Bussarden fielen in der selben Zeit nur 450 zum Opfer. Seit der Erhebung damals hat sich die Lage nach Meinung der Forscher nicht wesentlich verbessert.
Streunende Katzen als Täter?
Als Vogelmörder besonders in Verdacht hatten die Biologen zunächst eine Population von verwilderten Hauskatzen, die sich vor allem im Gestrüpp des unbebauten Teils der Insel herumtreiben – genau dort, wo auch die Zugvögel gerne Zuflucht suchen. Ausgerechnet diese Katzen werden auch noch gepäppelt: vom Verein "Katzenhilfe Helgoland". Lotte Klings versorgt die Streuner seit 14 Jahren täglich mit Futter, hat Schutzhäuschen für schlechtes Wetter organisiert und verarztet die Katzen wenn sie krank sind. Diese Pflege steigert die Vitalität und Lebenserwartung der Tiere.
Geburtenkontrolle als Lösung
Doch Lotte Klings tut mehr: Sie hat jedes einzelne Tier – als sie vor 14 Jahren anfing waren es 32 Katzen – mit einer Lebendfalle eingefangen und beim Tierarzt kastrieren lassen. Damit hat sie genau das getan, was das deutsche Tierschutzgesetz vorschreibt: Verwilderte Hauskatzen in Tierheimen unterzubringen, ist verboten, da die Streuner in geschlossenen Räumen meist buchstäblich durchdrehen. Also soll man sie laut Gesetz nur einfangen, um sie ärztlich zu versorgen oder zu kastrieren und sie anschließend am Fundort wieder frei lassen.
Dank dieser Geburtenkontrolle ist die Katzengruppe in Lotte Klings Obhut inzwischen auf acht Tiere geschrumpft, die jüngsten Tiere sind 14, die ältesten um die 20 Jahre alt. Die betagten Katzen sind inzwischen an Federvieh sichtlich wenig interessiert. Vor zehn Jahren mögen sie tatsächlich aktive Vogelräuber gewesen sein, inzwischen ist es aber fraglich, ob sie noch verantwortlich sind für die vielen Toten unter den Zugvögeln.
Vogelkiller gehen immer noch um
Trotzdem bleibt die Insel für Vögel gefährlich. Aber vor allem durch jüngere Katzen, die ein Zuhause haben. Auf Helgoland haben viele Familien einen oder mehrere Haustiger, und die müssen sich weder vor Autos noch vor Hunden fürchten. Autos gibt es auf der Insel nicht und Hunde nicht viele, denn mit 255 Euro im Jahr gehört der Hundesteuersatz auf Helgoland bundesweit zu den höchsten. Stubentiger dagegen sind, wie überall in Deutschland, überhaupt nicht steuerpflichtig.
Und egal wie gut sie gefüttert werden: Katzen bleiben Jäger. Ommo Hüppop, dem Leiter der Vogelwarte auf Helgoland, bleibt also nur der Appell: "Die Katzen selbst sind sicherlich nicht schuld, die verhalten sich ja nur wie es ihnen angeboren ist", sagt er. "Aber die Katzenhalter könnten zumindest in der Zugzeit im Frühling und Herbst darauf achten, dass ihre Katzen nicht zu viel draußen sind. Dann kann man die Katzen mit Glöckchen ausstatten und sie natürlich auch nicht gerade in den Hauptaktivitätszeiten der Vögel rauszulassen, in der Morgendämmerung oder am Abend." Auf diese Weise könnte vielen Zugvögeln der Tod auf Helgoland erspart bleiben.
Autor: Ismeni Walter (WDR)
Stand: 03.11.2015 13:28 Uhr