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Havariegefahr in der Nordsee

Operator an seinen Geräten
Stets wachsam: der Operator | Bild: NDR

Die Propeller der Dornier 228 dröhnen, dann hebt die Maschine ab, geht in eine leichte Rechtskurve und nimmt Kurs auf die ostfriesische Küste. Für den frühen Nachmittag sind Gewitter angesagt. Doch die hochempfindlichen Sensoren des Flugzeugs lassen sich auch durch schlechtes Wetter nicht irritieren. Es ist die tägliche Jagd auf Öl-Sünder in Nord- und Ostsee, zu der die Überwachungsflieger des deutschen Havariekommandos in Cuxhaven aufgebrochen sind.

Zigarre mit Weitblick

Flugzeug mit Radar
Mittels Radar wird das Meer überwacht | Bild: NDR

Ihr wichtigstes Instrument sieht aus wie eine drei Meter lange, schwarze Zigarre, heißt Seitensichtradar und ist unter dem Rumpf des Flugzeuges montiert. Damit lässt sich die Wasseroberfläche in einem 80 Kilometer breiten Korridor entlang der Flugroute abtasten. Treibt irgendwo Öl, ist die Oberfläche dort glatter als in der Umgebung. Das Seitensichtradar zeigt solche Bereiche als schwarze Flecken an.

Dirk Reichenbach vom Havariekommando Cuxhaven meint, "das kann Öl sein, das können aber auch Algen sein. Oder Strömungskanten oder Windfelder. Deshalb fliegen wir den Punkt an, gehen weiter runter und benutzen eine zweite Gruppe von Sensoren für den Nahbereich. Damit können wir dann genau sagen, handelt es sich um Öl, und wenn ja, wie viel ist es."

Schüsse aus der Laserkanone

Farbspektrum des Laserfluorosensors
Farbspektrum des Laserfluorosensors | Bild: NDR

Die Überwachungsflieger können auch feststellen, ob es sich um Rohöl oder "vergütetes" Öl handelt. Dazu schießen sie mit einem Laser auf den vermuteten Ölfleck. Die Energie des Strahls bringt Teilchen der im Wasser schwimmenden Substanz auf spezifische Weise zum Leuchten (Fluoreszenz). Anhand des Lichtspektrums erkennt eine hochempfindliche Kamera, welcher Stoff im Wasser schwimmt. Auch Verunreinigungen durch Chemikalien lassen sich so bestimmen.

Drei Gefahrenquellen

Mittelplate
Die Bohrinsel Mittelplate | Bild: NDR

Die Öl-Detektive haben es hauptsächlich mit drei Gefahrenquellen zu tun: Schiffsunfälle, bei denen Rohöl oder Treibstoff austritt, illegale Entsorgungen durch Kapitäne, die auf hoher See ihre Tanks waschen und Ölplattformen, die havarieren oder im Förderbetrieb Öl verlieren.

Die einzige Bohrinsel in deutschen Hoheitsgewässern liegt im Wattenmeer vor Cuxhaven und heißt Mittelplate. Sie gilt als sicher, denn sie steht im flachen Wasser direkt auf Wattboden, nicht auf Stelzen. Ihr Öl wird über eine Pipeline, nicht durch Tankschiffe abtransportiert. Mittelplate ist zudem gebaut wie eine große Wanne. Bei einem Unfall würde das Öl darin aufgefangen.

Ölquelle Offshore-Bohrinsel

Plattform mit Ölfilm
Plattform mit Ölfilm | Bild: Greenpeace

Sicherheitsfaktoren, die der Rest der über 400 Bohrinseln weiter draußen in der Nordsee nicht zu bieten hat. Dort beuten Skandinavier, Holländer und Briten die großen Ölvorkommen aus. Um viele ihrer Offshore-Bohrinseln wabern große Ölfilme im Wasser. Nach Schätzungen von Greenpeace sickern von diesen Plattformen jedes Jahr rund 10.000 Tonnen Öl in die Nordsee. Geringe Mengen sind zulässig, doch es kommt auch immer wieder zu illegalen Entsorgungen und zu – bisher noch kleineren - Unfällen.

Carlo van Bernem, GKSS, Institut für Küstenforschung: "Öl-Unfälle durch Bohrplattformen fanden statt und werden auch mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin stattfinden. Nur die Gefahr, dass unsere empfindliche Wattenmeerküste durch Öl, das dem Unfall einer Plattform entstammt, betroffen ist, die ist recht gering. Weil die Ölplattformen sehr weit in der nördlichen und mittleren Nordsee liegen und der Strömungskreisel dafür sorgen würde, dass unsere Küste verschont bleibt. Eine größere Gefahr bilden Tankerunfälle denn da sind die Schifffahrtswege sehr nah an der Küste."

20.000 Tonnen Öl – der Bemessens-Unfall

Ein havarierter Tanker
Schreckensszenario: ein Tankerleck | Bild: NDR

Sollte es nach einer Kollision zum Auslaufen von Öl kommen, lägen zur Bekämpfung Spezialschiffe des deutschen Havariekommandos bereit. Bis zu 20.000 Tonnen der schwarzbraunen Brühe können sie absaugen. Mehr austretendes Öl sei nicht zu erwarten, so die Experten.

Denn die Nordsee hat in der deutschen Bucht eine "Weichbodenküste". Schiffe können hier praktisch nicht zerschellen sondern nur auf sandigen Grund laufen. Selbst wenn sie danach auseinander brechen wären bei einem Öltanker maximal vier Einzeltanks á 5.000 Tonnen betroffen. Macht zusammen 20.000 Tonnen.

Erhöhtes Risiko

Offshore-Windpark Alpha Ventus
Ein Problem für Tanker ? | Bild: NDR

Bemessens-Unfall heißt diese Annahme. Doch sie könnte sich als falsch erweisen. Denn zumindest vor der ostfriesischen Küste haben sich die Verhältnisse geändert. Hier ist mit "Alpha Ventus" gerade der erste Offshore-Windpark Deutschlands in Betrieb gegangen. Weitere sollen in Nord- und Ostsee folgen. Die gestaffelten Pfeiler der 150 Meter hohen Windräder könnten für einen manövrierunfähigen Tanker bei Sturm zum Verhängnis werden. Im Falle einer Kollision hätten sie ähnliche Wirkung wie eine Felsküste, deutlich mehr als vier Tanks könnten Leck schlagen.

Carlo van Bernem, GKSS, Institut für Küstenforschung: "Es gibt Risikoberechnungen vom Umweltbundesamt. Die sind aber nicht offiziell. Da kam man auf mögliche Bemessens-Grundlagen von 60.000 Tonnen. 60.000 Tonnen Öl vor der deutschen Nordseeküste und ihren Wattengebieten zu bearbeiten, ist schlichtweg unmöglich."

Meer mit Nehmerqualitäten

Als Lösung schlägt der Küstenforscher vor, Hochseeschlepper permanent vor den Offshore-Windparks zu stationieren, um einen manövrierunfähigen Tanker rechtzeitig abschleppen zu können.
Immerhin: Solange die deutsche Küste von solchen Katastrophen verschont bleibt, scheint sie mit der "normalen Öl-Belastung gut klar zu kommen. Trotz diverser Untersuchungen und Studien hat van Bernem keine Hinweise darauf, dass die illegalen Entsorgungen oder die Verunreinigungen durch Offshore-Plattformen die Nordsee nachhaltig schädigen. Offenbar bewältigt das Ökosystem diese schleichende Verschmutzung aus eigener Kraft.

Studie

GKSS: Risikoanalysen für die Deutsche Nordseeküste (PDF)

Autor: Björn Platz (NDR)

Stand: 31.10.2014 14:58 Uhr

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