So., 12.09.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Auswirkungen auf das Ökosystem Meer
Das Unglück geschah auf hoher See. Am 20. April 2010 explodierte im Golf von Mexiko die von BP genutzte Bohrplattform "Deepwater Horizon". Zwei Tage später ging sie unter. Im Laufe der folgenden Monate flossen mehr als 700 Millionen Liter Öl ins Meer. Könnten Bakterien dabei helfen, das schwarze Gift zu beseitigen?
Jeden Tag präsentierten die Fernsehnachrichten grausame Bilder von ölverschmierten Vögeln und verendeten Tieren. Außerdem, so die Meldungen, seien viele Küstenabschnitte mit Öl verseucht. Mangroven etwa, die vor dem Unglück noch wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tiere waren und Schutzschild gegen Wind und Wellen, würden jetzt unter dem Ölfilm langsam an Sauerstoffmangel sterben.
Die Tiefsee könnte stark betroffen sein
Fünf Monate später spielen die Auswirkungen des Unfalls im Golf von Mexiko medial kaum mehr eine Rolle. Sind wir das Problem "Öl" los? Nein, sagt Professor Antje Boetius vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Sie erforscht seit zehn Jahren Lebensräume im Golf von Mexiko - vor allem die Tiefsee. Gerade um die macht sie sich nach wie vor große Sorgen, schließlich seien nur etwa 20 Prozent des Öls überhaupt an die Küsten gelangt. Das meiste sei in der Tiefsee geblieben und es könnte sein, dass die Lebensräume dort jetzt für sehr lange Zeit zerstört seien.
Naturprodukt Erdöl
Erdöl ist ein natürliches Stoffgemisch, das normalerweise in der Erdkruste eingelagert ist. Sobald es, wie bei dem Unfall im Golf von Mexiko, ins Meer gelangt, beginnt sein Abbauprozess. Je nach Ölsorte und Umweltbedingungen verdunsten bis zu 60 Prozent. Zusätzlich wird das Öl im Wasser nach und nach in seine Bestandteile aufgespalten. Nicht immer sei dies allerdings von Vorteil, sagt Professor Antje Boetius. Erdöl bestehe aus Hunderten chemischer Substanzen, viele davon seien sehr giftig für Lebewesen und blieben teilweise sehr lange in der Umwelt. "Viele der Erdölstoffe", sagt die Forscherin, "haben nachhaltig schlechte Konsequenzen für Umwelt, aber eben auch für den Menschen, der keinen Fisch essen kann, der in Kontakt mit Erdöl gekommen ist."
Rettungsversuche nach der Katastrophe
Schon kurz nach dem Untergang der Bohrinsel sammelten bis zu 1.000 Schiffe das Öl noch an der Unglücksstelle ein. Teilweise brannten Helfer es auch direkt auf dem Wasser ab. Um die großen Ölteppiche aufzulösen und in feine Tröpfchen zu zerteilen, versprühten die Amerikaner außerdem Hunderte Tonnen der Chemikalie Corexit. Erstmals mischten sie verschiedene Lösungs- und Verteilungsmittel auch dem in der Tiefsee austretenden Öl bei. Dadurch sind uns wohl die wirklich schlimmen Bilder von ölüberzogenen Tieren und Pflanzen an der Küste erspart geblieben.
Was das für Konsequenzen für das Leben Unterwasser haben wird, ist allerdings noch unklar: "Die Giftigkeit der Substanz in der Nahrungskette und in der Umwelt ist unbekannt", sagt Professor Antje Boetius, "vor allen Dingen in der Tiefsee. Es gibt keine Erkenntnisse darüber, wie lange die Giftstoffe in der Tiefsee verbleiben und wie sie dort in der Nahrungskette verwerten werden."
Ölzehrende Bakterien als Retter?
Hoffnung machen Bakterien, die die Forscher viele Hundert Meter unter dem Meeresspiegel im Golf von Mexiko entdeckt haben. Sie leben an den dort vorkommenden, natürlichen Ölquellen und nutzen Öl als Energiequelle. Dabei zersetzen sie es und machen es unschädlich. Allerdings: Soviel Öl, wie nach dem Untergang der Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" ins Meer gelangt ist, tritt auf natürlichem Weg normalerweise nicht auf einen Schlag aus. Die Bakterien stehen also vor einer nie dagewesenen Mammutaufgabe. Zudem weist Professor Antje Boetius auf ein weiteres Problem hin: Die erdölzehrenden Bakterien brauchen sehr viel Sauerstoff. "Diese Sauerstoffzehrung wird so groß sein, dass eventuell tote Zonen im Meer entstehen und dann jegliches tierische Leben ausgeschlossen ist", vermutet die Forscherin, "und das ist eines der ganz großen Probleme, mit denen jetzt noch zur rechnen ist."
Die Forscher untersuchen die Lage vor Ort
Um herauszufinden, wie groß der Schaden vor Ort bereits ist, und was getan werden kann, um die Situation zu verbessern, sind kurz nach dem Unglück Kollegen von Professor Antje Boetius in den Golf von Mexiko aufgebrochen, um Untersuchungen anzustellen. Deren Auswertung wird Monate dauern. Doch soviel scheint bereits jetzt sicher: Die Auswirkungen der Ölkatastrophe im Mississippi Delta werden uns wohl noch lange begleiten.
Autorin: Lena Ganschow (SWR)
Stand: 25.07.2013 11:13 Uhr