So., 21.03.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Liebe geht durchs Gehirn
Wie finden zwei Menschen zueinander und wodurch entzündet sich das Liebesfeuer? Lange hat sich die Wissenschaft um das Thema "Liebe" herumgemogelt. Für die meisten Forscher ist das diffuses Terrain gewesen, schwer zu greifen, zu unwissenschaftlich. Bis Neurobiologen entdecken, wie einfach doch alles ist.
Tierversuch mit Wühlmäusen
Zumindest im Tierversuch. Präriewühlmäuse leben monogam, während Bergwühlmäuse keine Partnerbindung eingehen. Warum? Die Wissenschaftler finden heraus, dass nur zwei Hormone im Gehirn die Bindungsfähigkeit von Präriewühlmäusen beeinflussen: Oxytocin und Vasopressin. Bei den Bergwühlmäusen ist die Hormondichte dieser Bindungshormone wesentlich geringer. Die Frage ist: Kann man die Bindungsfähigkeit auch künstlich herbeiführen?
Sie spritzen den Tieren die "Kuschelhormone" direkt ins Gehirn und das zeigt Wirkung: Der Chemiecocktail bringt die von Natur aus polygamen Nager dazu, sich fest an einen Partner zu binden.
Wirkung beim Menschen
Der Neurobiologe Andreas Bartels vom Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik erforscht die Geheimnisse der Liebe beim Menschen. Ihn interessiert, wie die "Kuschelhormone" die Paar-Bindung im Gehirn beeinflussen. Denn ist die Leidenschaft entfacht, werden sie ausgeschüttet. Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass das Liebesleben und die Bindungsfähigkeit zu 100 Prozent von den beiden Hormonen abhängt. Oxytocin ist eher in der Frau aktiv und Vasopressin beim Mann. Diese beiden Hormone arbeiten zusammen mit Dopamin – das ist sozusagen unser Belohnungshormon. Schwedische Wissenschaftler kommen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Hormondichte im Gehirn genetisch beeinflusst ist. Das heißt, manche Menschen haben in dieser Hinsicht potentere Gene, und sind deshalb liebesfähiger. Ein Versuch mit 1.000 Paaren hat den genetischen Einfluss auf die Bindungsfähigkeit nachgewiesen. Danach gibt es im Gehirn mancher Menschen erblich bedingt eine höhere Hormondichte. Die steigert laut der Studie die Wahrscheinlichkeit zu heiraten um 50 Prozent.
Bedeutung des Sex
Bei einigen Tieren reicht eine einzige, gemeinsame Nacht für lebenslange Zweisamkeit. Das liegt daran, dass die Hormonausschüttung beim Sex Höchstwerte erreicht. Das ist zwar auch beim Menschen so, doch der ist eben nicht nur hormongesteuert. Trotzdem, so meint Andreas Bartels, kann ein "One-Night-Stand" durch die hohe Hormonkonzentration durchaus zu mehr führen, als ursprünglich geplant. Andreas Bartels will wissen, wo die "Liebeszentren" im Gehirn sitzen. Mit dem Magnetresonanz-Tomograph, so seine Hoffnung, kann er die gesuchten Areale sichtbar machen. Männerfotos von Bekannten und Freunden, darunter auch das des heißgeliebten Partners, sollen die Probandin stimulieren. Das Ergebnis verblüfft den Bindungs-Forscher. Er hätte erwartet, dass bei einem so komplexen Gefühl wie Liebe, große Teile des Gehirns eingebunden seien. Tatsächlich sind es aber nur wenige, kleine Areale des Belohnungssystems. Das zeigt seiner Meinung nach, das das Gefühl der Liebe ein sehr alter Mechanismus ist, dessen Zweck ist, eine Bindung zwischen zwei Menschen herzustellen. Vermutlich sind dabei im Gehirn ganz ähnliche Prozesse am Werk wie auch bei Suchtkranken.
Sucht nach dem Partner
Mit anderen Worten: Die Liebe zum Partner ist auch eine Form von Sucht. Wissenschaftler vermuten, dass das Belohnungssystem im Gehirn lernfähig ist. Indem es mit dem Partner nur noch positive Reize verbindet, entsteht eine dauerhafte Bindung. Die allerdings auch wieder zerbrechen kann. Ein neuer Ansatz in der Paartherapie könnte sein, die Beziehung mit Oxytocin und Vasopressin wieder positiv zu beeinflussen. Aber, eine Hormonpille gegen Beziehungsstress – ist das vorstellbar? Andreas Bartels hält das für gut möglich:
"Ich bin ganz sicher, dass man versuchen wird, Oxytocin in der Paartherapie oder vielleicht auch in anderen psychotherapeutischen Ansätzen einzusetzen. Allerdings: Wenn es darum geht, dass zwei Menschen doch nicht so ineinander verliebt sind, wie sie es vielleicht gerne hätten, dann fragt man sich, ob es wirklich Sinn macht, sie künstlich durch Gabe eine Chemikalie, eines Hormons, aneinander zu binden. Vielleicht sollte man dann der Natur freien Lauf lassen und eben sehen, dass die einen Partner finden, der besser zu ihnen passt."
Neurobiologen verstehen zwar inzwischen sehr gut, wie die Biochemie des "sich Verliebens" funktioniert. Warum die Liebe nicht selten wieder zerbricht, liegt wissenschaftlich aber weitgehend im Dunkeln. Klar ist: Hormone alleine retten eine Beziehung nicht!
Autor: Harald Brenner (SWR)
Stand: 12.08.2015 11:55 Uhr