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Megaliner – Kreuzfahrt ohne Landgang

Die größten Kreuzfahrtschiffe
Die Queen Mary 2, die Oasis of the Sea und die Freedom of the Seas | Bild: NDR

Höher, länger, breiter – Die Kreuzfahrtbranche stellt immer neue Ozeanriesen in Betrieb. Ende 2009 erst trat die Oasis of the Seas im Hafen von Fort Lauderdale ihre erste Reise an. Es ist der vorerst letzte große Coup der Kreuzfahrtbranche. Was lange nur unter dem Projektnamen Project Genesis lief, übertrifft alle bisherigen Dimensionen. Mit seinen 18 Stockwerken gleicht der neue Megaliner einer schwimmenden Kleinstadt. Mit 360 Metern Länge ist er nun das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, größer als die Queen Mary II und die Freedom of the Seas.

Helge Grammerstorf war früher selbst Kapitän auf der MS Astor, dem ersten "TV-Traumschiff". Heute berät er die Branche, die stetig wächst. "In Deutschland haben wir im letzten Jahr erstmals mehr als eine Million Kreuzfahrtgäste im Hochseebereich gehabt. Unsere Prognose ist, dass wir bis 2018 im Hochseebereich die Anzahl verdoppeln werden, das heißt also in 2018 zwei Millionen statt in 2009 eine Million. Das führt natürlich nicht automatisch dazu, dass sich die Anzahl der Schiffe verdoppelt", so die Einschätzung des Kreuzfahrtexperten. Auch wenn es weiterhin noch kleinere Schiffe geben wird, werden sie im Schnitt doch um einiges größer. Heute sind es durchschnittlich 2.000 Passagiere pro Schiff. Die Oasis schafft dagegen schon jetzt das Dreifache.

Der Megaliner als Reiseziel

Deck eines Megaliners
Auf den großen Kreuzfahrtschiffen ist fast alles für einen perfekten Urlaub an Bord | Bild: NDR

Nicht nur in Sachen Dimension stellt die Oasis einen neuen Rekord auf. Ähnlich gigantisch fällt auch das Unterhaltungsangebot an Bord auf, bei dem der vergnügungshungrige Passagier voll auf seine Kosten kommen soll. Grammerstorf erklärt die Hintergründe:"Das Konzept bei den ganz großen Schiffen zielt eigentlich darauf ab, dass das Schiff zur Destination wird, dass man den Passagier eigentlich während seiner Kreuzfahrt möglichst auf dem Schiff hält und ihm dort alle Angebote macht." Bei der Oasis of the Seas ist der Bummel entlang einer Uferpromenade gleich an Bord möglich. Sogar echte Pflanzen gibt es auf dem Megaliner. Rund 12.000 davon wachsen im schiffseigenen Central Park.

An Land gehen, um etwas zu erleben, das ist auf echten Megalinern nicht mehr nötig. "Wenn bei den ganz großen Schiffen die Entwicklung zur Größe so weiter geht und das Schiff immer mehr zur Destination wird, das heißt das Schiff wird zum Erlebnis, dann kann man sich natürlich schon ketzerisch langsam fragen, ist die Destination so wichtig oder fährt man einfach nur eine Woche lang auf See oder bleibt man möglicherweise gleich im Hafen, muss das Schiff überhaupt noch fahren?", bringt Kreuzfahrtexperte Grammerstorf die absehbaren Konsequenzen auf den Punkt.

Der Landgang ist auf Megalinern aber nicht mehr nur "nicht nötig", sondern auch nicht mehr so gut möglich. Die zunehmende Schiffsgröße bringt nämlich neue Probleme mit sich. In den Häfen kann es da schnell eng werden. Hafeneinfahrten müssen zum Teil vergrößert, Piere verbreitert werden und bestimmte Ziele können einfach nicht mehr angelaufen werden. Man spricht inzwischen sogar von sogenannten Rennstrecken im Mittelmeer. Das bedeutet, dass sich viele Schiffe auf den gleichen Routen mit den gleichen größeren Häfen als Ziel bewegen.

Zukunftsvision aus Schweden

So könnte ein Kreuzfahrtschiff in der Zukunft aussehen
So könnte ein Kreuzfahrtschiff in der Zukunft aussehen | Bild: NDR

Aus Schweden kommt da eine Idee, wie der Kreuzfahrtpassagier auch in Zukunft noch seine Ausflugsziele erreichen könnte. Schiffsarchitekt Fredrik Johansson hat die Vision eines noch größeren Schiffs. 400 bis 500 Meter lang soll es sein und zum Beispiel inmitten eines Inselarchipels vor Anker gehen. In seinem Rumpf warten dann kleinere Schiffe und Wasserflugzeuge darauf, die Passagiere zu den Inseln zu bringen. Noch ist das ein erster Entwurf, aber zumindest technisch ist er keine Träumerei. Das Konzept "Schiff in Schiff" ist militärisch seit vielen Jahren erprobt. Die US-Navy nutzt Schiffe mit Welldeck, einem flutbaren Heck, über das Landungsboote rein- und rausfahren können. Ob sich auch Kreuzfahrtpassagiere auf diese Art "ausbooten" lassen, muss sich erst noch zeigen.

Sicher ist sich Helge Grammerstorf jedoch jetzt schon, dass die Oasis of the Seas bestimmt nicht das größte Kreuzfahrtschiff bleiben wird. Weitere Megaliner mit weiteren Rekorden sind für ihn durchaus denkbar – vielleicht auch die Variante aus Schweden. "Letztlich ist es so, dass im Moment nicht abzusehen ist, wo sozusagen die technische Machbarkeitsgrenze für Schiffsgrößen im Passagierbereich liegt. Letztlich wird es eine Akzeptanzgrenze geben und natürlich sind alle möglichen Konzepte denkbar", so seine Einschätzung. Der Markt jedenfalls ist noch immer nicht gesättigt. In der Kreuzfahrt scheint alles möglich. Am Ende auch die Kreuzfahrt ohne Landgang und vielleicht sogar die ganz ohne Fahrt.

Adressen & Links

Sea Consult
Helge Grammerstorf
House of Cruises, Bergstedter Chaussee 104
22395 Hamburg
Tel.: (040) 37 41 23-4
Fax: (040) 37 41 23-66
E-Mail: helge.grammerstorf(at)seaconsult.de
Internet: www.seaconsult.de

Autorin: Britta Thein (NDR)

Stand: 11.05.2012 13:06 Uhr

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So., 29.08.10 | 17:03 Uhr
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