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Umweltfreundliche Schiffe

Ein Schiff der AIDA Reihe auf der Meyer Werft
Kreuzfahrtschiffe: Wohin mit Müll und Abwasser? | Bild: NDR

Ein modernes Kreuzfahrtschiff ist wie ein lebender Organismus. Es erzeugt und entsorgt Wasser, Fäkalien, Müll, Dampf und Luft. Es pumpt und presst, verbrennt und reinigt. Die Mengen an Müll, die Passagiere auf einer 14 tägigen Reise verursachen, sind erheblich. Jeder Kreuzfahrt-Passagier verursacht pro Tag bis zu 2,5 Kilogramm Speisereste, 1,8 Kilogramm Verpackungsabfall (Plastik, Pappe oder Holz) und etwa ein Kilogramm Glas- und Dosenmüll. Diese Mengen müssen irgendwie bewältigt werden. Und zwar so, dass geltende Umweltauflagen eingehalten werden. Das funktioniert nur dank eines ausgeklügelten Systems von Rohren, Schächten und Verwertungsanlagen. Auf den neuesten Kreuzfahrt-Schiffen der Papenburger Meyerwerft zum Beispiel sind insgesamt über 130 Kilometer Rohre verbaut.

Das Ziel ist klar

Ausblick vom Deck eines Kreuzfahrtschiffes
Heute wird Müll nicht einfach über Bord gekippt | Bild: NDR

Die Kreuzfahrt-Branche steht unter hohem Druck. Denn ihr Kapital besteht – unter anderem - aus kristallklaren Fjorde, weißen Sandstränden oder azurblauem Meer. Würde der Müll einfach über Bord gekippt, wie Jahrhunderte lang in der Schifffahrt üblich, wäre dieses Kapital bald wertlos.

Für Ingo Eden, Entsorgungsexperte im Auftrag der Meyerwerft, besteht die Herausforderung in der Müllbehandlung auf Kreuzfahrtschiffen vor allem darin, dass der Passagier nichts davon bemerken soll. Denn der bezahle für eine Reise und wolle sich nicht damit auseinandersetzen, was für Müll an Bord produziert wird. Und des Weiteren sei natürlich die Herausforderung, dass die Umwelt komplett verschont bleibe.

Die Stadtwerke mit an Bord

Die AIDA Sol in der Werft
Moderne Kreuzfahrtschiffen brauchen ein ausgeklügeltes Entsorgungssystem | Bild: NDR

Im Baudock I der Papenburger Meyerwerft entsteht gerade das Kreuzfahrtschiff AIDA Sol. Die Sol ist mit einem kompletten Entsorgungssystem ausgestattet. Bis hin zur eigenen Müllverbrennungs- und Kläranlage ist alles an Bord. In den Wänden, Decken, und Zwischenböden werden zahllose Rohre verlegt und Schächte gebaut.
Die Speisereste aus den Restaurants und den Großküchen landen in speziellen Müllschluckern. Mit Unterdruck werden die Abfälle dann in einen zentralen Sammelraum gesaugt und dort in verschiedenen Arbeitsschritten zerkleinert und getrocknet. Es entsteht eine torfartige Masse, die sehr gut brennt. Pappe, Holz und Plastik, das nicht gepresst und später an Land recycelt werden kann, landet zunächst im Schredder und später ebenfalls im Ofen. Ebenso wie der Klärschlamm aus der Abwasseranlage und Ölschlämme aus dem Maschinenraum.

Ingo Eden, Entsorgungsexperte ist überzeugt, dass deren Verbrennung die Umwelt trotzdem kaum belaste: "Wenn man das jetzt offen auf irgendeiner Halde verbrennen würde, würden sicherlich irgendwelche Giftstoffe dabei entstehen. Aber wir nutzen die modernste Verbrennungstechnologie, Wanderrosttechnologie wie sie zum Beispiel auch im Landbereich in Deutschland eingesetzt wird. So dass der Verbrennungsprozess so sauber abläuft, dass oben nur Abgase rauskommen, die eigentlich keine Giftstoffe mehr enthalten. Das Gleiche gilt genauso für die Asche. Die Asche ist ungiftig, steril und enthält keine organischen Stoffe, so dass sie weltweit angelandet werden kann, ohne irgendwelche Probleme zu machen." Die im Ofen anfallende Wärmeenergie werde zudem genutzt, um Speisereste und andere, nasse Abfälle wie Klärschlämme zu trocknen.

Umgeben von Wasser und doch nicht genug davon

Wäscherei
Die Schiffswäscherei arbeitet mit dem Kondenswasser der Klimaanlage | Bild: NDR

Der Wasserverbrauch an Bord eines Schiffes wie der AIDA Sol liegt pro Tag bei etwa 1.000 Tonnen. Das sind eine Million Liter Frischwasser. Diese Menge wird nicht allein deswegen benötigt, weil die Gäste zu viel duschen würden oder die Pools ständig neues Wasser brauchen. Zu den Großverbrauchern gehören auch die Küchen, die Wäscherei und die Klospülungen der Kabinen. Deshalb sparen die Schiffbauer im Verbrauch, wo sie nur können.

Das Wasser für die Schmutzwäsche liefert die Klimaanlage. Dort fallen täglich bis zu 100.000 Liter Kondenswasser an. Die Toiletten arbeiten mit Unterdruck, ähnlich wie in Flugzeugen oder Zügen. Dadurch werden pro Spülvorgang statt sieben bis neun Litern nur 1,2 Liter Wasser verbraucht. Schwarzwasser (Fäkalien) und Grauwasser (Duschwasser, Küchenwasser usw.) landet schließlich in der bordeigenen Kläranlage. Im Bioreaktor zersetzen Bakterienkulturen die Rückstände. Nach gründlicher Filtration bleibt im Wesentlichen klares Wasser übrig, das nahezu Trinkwasserqualität hat. Daneben fällt Klärschlamm an, der in der bordeigenen Müllverbrennungsanlage "thermisch verwertet" wird.

Trotz aller Sparsamkeit sind die benötigten Wassermengen zu hoch, um sie jeweils in den Häfen zu bunkern. Deshalb haben moderne Kreuzfahrtschiffe Verdampfer- und Osmoseanlagen an Bord. Mit ihnen wird aus Seewasser Frischwasser gewonnen. Auf der AIDA Sol sind das bis zu 1500 Tonnen täglich.

Alles heiße Luft

Die Energie der Abgase aus der Müllverbrennungsanlage wird genutzt, um feuchte Abfälle vor zu trocknen. Zudem wird die (warme) Abluft der Klimaanlage über Rohrleitungen an denen mit frisch angesaugter (kühler) Außenluft entlang geführt. Sie gibt dabei ihre Wärmenergie an die Frischluft ab. So muss man, je nach Fahrtgebiet, weniger heizen oder kühlen.

Energie

Schiffsschraube
Was ist beste Antrieb für ein Kreuzfahrtschiff? | Bild: NDR

Moderne Kreuzfahrtschiffen werden mittlerweile von Elektromotoren angetrieben. Sie sind leise und benötigen im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren kein kompliziertes Getriebe. Rund 34.000 PS bringen ein Schiff wie die AIDA Sol auf 22 Knoten - das entspricht rund 40 Kilometer pro Stunde. Der Strom für den Elektroantrieb kommt zwar nach wie vor von Dieselgeneratoren, doch auch bei denen gibt es Neuentwicklungen.

Als Ersatz für den Diesel wird derzeit Flüssiggas erforscht. Andere Entwicklungsteams beschäftigen sich mit dem Brennstoffzellenantrieb. Die Technologien gibt es zwar bereits, doch gelten für den Schiffsbetrieb, ähnlich wie für die Luftfahrt, besonders strenge Sicherheitsauflagen. Es wird also noch einige Jahre dauern, bis Kreuzfahrtschiffe mit solchen umweltfreundlicheren Antrieben über die Weltmeere fahren.

Das Kapital

Ein AIDA Schiff auf dem Meer
Das Kapital der Kreuzfahrtbranche: die Natur | Bild: NDR

Die Kreuzfahrtbranche ist auf eine intakte, sehenswerte Natur angewiesen. Deshalb sollten die Reedereien ein besonderes Interesse daran haben, die Umwelt zu schützen. Für besonders sensible Fahrtgebiete, wie Alaska, gelten zudem strenge Umweltschutzvorschriften. Auch in Europa gibt es Auflagen. In EU-Häfen dürfen die Schiffe nur mit Diesel betrieben werden, dessen Schwefelgehalt maximal 0,1 Prozent beträgt. In Emissionskontrollierten Gebieten, wie der Nord- und Ostsee, sind es derzeit noch 1,5 Prozent.

Doch auf hoher See wird nach wie vor mit Schweröl gefahren. Das ist billiger, der hohe Schwefelgehalt schädigt aber die Umwelt besonders. Es liegt also an den Reedereien, die Schiffe möglichst ökologisch zu betreiben. Die Technik ist vorhanden.

Autor: Björn Platz (NDR)

Stand: 13.09.2012 12:33 Uhr

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