So., 28.02.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Muren: Gefahr von oben
Am Abend des 25. Februar 2010 lösen sich mehrere Hundert Tonnen schwere Felsbrocken. Sie zermalmen ein Haus. Eine vierköpfige Familie wird unter den Trümmern begraben. Den Einsatzkräften gelingt es nach Stunden, Mutter und Sohn verletzt zu bergen und zu retten. Für Vater und Tochter kommt jede Hilfe zu spät.
Die Suche nach der Ursache
Zwei Wochen später bohren Ingenieure durch die Wand im Unglücksberg. Zehn Meter lange Stahlanker und jede Menge Beton werden in den Löchern versenkt. Eine schwere und gefährliche Arbeit, denn jede neue Erschütterung könnte weitere Felsbrocken lösen. Aber die Klippe im Burgberg muss gesichert werden. Denn Experten sollen hier ein Rätsel lösen: Zu diesem Zeitpunkt ist nicht klar, wie es zu dem Felssturz kam und ob auch die Nachbarhäuser bedroht sind.
Eine erste Untersuchung durch Forscher der Technischen Universität in München brachte kein Ergebnis. Und auch die Geologen vom Landesamt für Umwelt begutachten die Unglücksstelle nur aus der Ferne. Trotzdem erkennen sie schon einige Indizien: Der Burgberg ist, wie jede natürliche Felsformation, zerklüftet. Teilweise ragen Baumwurzeln bis tief in den Fels. Außerdem wissen die Experten, dass jedes Haus am Burgberg auch einen Felsenkeller besitzt. Die Klippe ist also teilweise ausgehöhlt. Das Gestein steht unter hoher Spannung. Und trotzdem ahnte niemand etwas von der Bedrohung.
Unglück nicht vorhersehbar
Von außen kann auch der Experte nicht erkennen, wie tief die Klüfte reichen. Tatsache ist, dass durch Verwitterung und den Wechsel der Temperaturen die Spalten immer weiter aufgehen und den Fels immer weiter durchtrennen. Das kann Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang ohne erkennbare Folgen bleiben. Bis zu dem Tag, an dem der Fels reißt und Teile davon absprengen. Dieser Prozess läuft dann sehr schnell ab. In seltenen Fällen sind vorher Spalten oder gespannte Baumwurzeln im Untergrund zu sehen, die auf eine Bewegung hindeuten. Auch Risse im Gebäude können die Katastrophe andeuten. Aber in der Regel laufen diese Prozesse ohne Vorwarnung ab.
Die Gefahren kartieren
Steinschlag, Felssturz und abrutschend Hänge. Überall in Deutschland gibt es solche sogenannten Geo-Risiken. Die Regionen im Bayerischen Alpen- und Voralpenraum sind besonders betroffen.
So ereignete sich auch 2004 beinahe eine Katastrophe. Im Allgäu gerieten 120 Tausend Kubikmeter Fels und Erde in Bewegung und rutschten Richtung Immenstadt. Die Massen zerstörten eine Straße und rutschten teilweise in ein Bachbett. In letzter Sekunde konnten die Experten verhindern, dass sich eine Lawine aus Schlamm und Geröll bildet und verheerenden Schaden anrichtet.
Seit acht Jahren versuchen die Geologen vom Bayerischen Landesamt für Umwelt die Geo-Risiken in Bayern systematisch zu erfassen. Vorher hatte es nicht die technischen Voraussetzungen gegeben.
Mit digitalen Karten, GPS und Untersuchungen im Feld gehen sie jeder Gefahrenstelle auf den Grund. Anschließend kombinieren sie ihre Ergebnisse mit topografischen Karten und Satellitenbildern. Digitale Geländemodelle entstehen, die sowohl die Gefahrenstellen, als auch das mögliche Ausmaß eines Schadens zeigen. Außerdem nutzen die Experten auch Archive, in denen die Ereignisse der letzten vier Jahrzehnte dokumentiert sind. Kleinere und größere Katastrophen. Auch diese Informationen geben Auskunft darüber, wo der Erdboden in Bewegung ist. Die so entstehenden Gefahrenhinweiskarten sind in der Regel wertvolle Quellen für Gemeinden und Kommunen. Schließlich sollen Bürger und Infrastruktur vor den gefahren geschützt werden.
Risiko minimieren
Erst wenn die Geologen wissen, wo die Gefahr droht, können sie auch Schutzmaßnahmen ergreifen. Zahlreiche Hänge sind deshalb in Bayern überwacht. Mit regelmäßigen Vermessungen lassen sich die Bewegungen in der Erde feststellen. Meist sind sie gleichmäßig und damit gut kalkulierbar. Erst wenn die Rutschungen schneller werden, ist Gefahr in Verzug. Dann kann es auch sein, dass die Gefahrenzonen evakuiert werden müssen.
In Stein an der Traun hat es bislang kaum Hinweise auf eine drohende Katastrophe gegeben. Erst die Untersuchungen werden hier Licht ins Dunkle bringen. Und erst dann kann das Leben am Burgberg sicherer gemacht werden, als es bisher war.
2800 Gefahrenstellen haben die Bayerischen Geologen schon dokumentiert. Aber es werden immer mehr. Und der Klimawandel könnte die Situation in einzelnen Regionen noch verschärfen.
Adressen & Links
Gefahrenhinweiskarte Bayerische Alpen vom Bayerischen Landesamt für Umwelt
www.lfu.bayern.de
Kurzinformation des Bayerischen Landesamts für Umwelt über Georisiken (PDF)
Autor: Herbert Hackl (BR)
Stand: 17.05.2013 09:35 Uhr