So., 05.09.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Rettung der Donau-Auen
Es steht nicht gut um die Auwälder in Deutschland. Denn ein Auwald braucht einen Fluss, der immer mal wieder über seine Ufer tritt und ihn überschwemmt. Dieses Wasser ist sein Lebenselixier. Es kommt und geht mit den jährlichen Überschwemmungen, hinterlässt Pfützen und Teiche und verschwindet wieder. So treffen zwei Lebensräume - Wald und Wasser - aufeinander und ermöglichen eine einzigartige Artenfülle: Seltene Lilien und Orchideen, Schilfe, Erlen und Weiden wachsen hier. Mit viel Glück sieht man einen zitronengelben Pirol zwischen ihren Ästen flattern. Die extrem scheue europäische Sumpfschildkröte hat hier ihren Lebensraum genauso wie der intelligente Biber.
Einzigartige Wasserpflanzen
Wie viel Leben in einem Auwald wirklich existiert, das weiß man noch gar nicht. Deswegen untersuchen Wissenschaftler die Altarme der Donau in einem der letzen bayerischen Donauauwälder bei Neuburg. Die Altarme, oder auch Mäander genannt, hat sich die Donau vor Jahrzehnten selbst gegraben. Sie sind gefüllt mit Regen- und Grundwasser. Interessant für die Wissenschaftler sind die Wasserpflanzen. Sie sind unverzichtbar für das Ökosystem des Auwalds. Aber nur wenige ihrer typischen Vertreter haben hier überlebt, wie der Wasserschlauch, eine seltene Fleisch fressende Pflanze. Sie saugt ihre Beute innerhalb von Sekundenbruchteilen in kleine Fangblasen ein.
Diese seltenen Lebensräume entstehen nur durch die dynamischen Veränderungen im Auwald. Normalerweise verschwinden Altwasserarme mit der Zeit durch die natürliche Verlandung wieder. In einem unregulierten Fluss entstehen sie an anderer Stelle neu, weil sich das Gewässer einen neuen Weg sucht.
Die Donau im Betonkorsett
Doch an der Donau entsteht überhaupt nichts Neues mehr. Für die vielen Staustufen zur Stromgewinnung wurde der Fluss auf viele Kilometer Länge in ein Betonbett verbannt. Überschwemmungen sind selten geworden, eine natürliche Veränderung des Flussbetts ist unmöglich. Die Folge: Der Auwald wird nicht mehr überschwemmt, er wird immer trockener. Auch die wertvollen Nährstoffe aus dem Fluss, die Sedimente bleiben aus. Pflanzensamen, die früher aus den Alpen angeschwemmt wurden, kommen nicht mehr in den Auwald. Deswegen verändert sich jetzt, 40 Jahre nach dem Bau der Staustufe, der Wald dramatisch. Aus dem einstigen Auwald wird ein normaler Nutzwald.
Rettung naht
Doch jetzt soll der Auwald bei Neuburg mit großem Aufwand gerettet werden. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt plant in einem großen Projekt, den Wald wieder befeuchten.
Und zwar mit einem Bach. Oberhalb der Staustufe Bergheim soll Donauwasser abgezweigt werden, acht Kilometer durch den Wald fließen und an zwei Stellen wieder in die Donau münden. Doch wo soll der rettende Bach verlaufen? Mit GPS-Messungen suchen die Ingenieure des Wasserwirtschaftsamtes den richtigen Weg. Um möglichst wenig in die Natur einzugreifen, wollen sie die Rinnen nutzen, die sich die Donau vor langer Zeit selbst gegraben hat. Einige sind heute noch zu sehen.
Enormer technischer Aufwand
15 Millionen Euro kostet es, die Folgen der Donaustaustufe abzumildern und einen der letzten Auwälder Bayerns zu erhalten. Auslaufbauwerke, Schleusen, Fischtreppen und neun Brücken müssen gebaut werden. Sie sollen bestehende Wegerechte garantieren.
Die Eingriffe sind extrem aufwendig. Das größte Problem ist die Überwindung des Längenmühlbachs, der neben der Donau verläuft. Dazu haben die Ingenieure eine Trog-Brücke entwickelt, damit das Donauwasser über ihn hinweg fließen kann.
Erste Flutung
Nach vier Jahren Bauzeit ist es soweit: Die Ingenieure vom Wasserwirtschaftsamt öffnen zum ersten Mal die Schleuse. Aufgeregt sind sie schon, haben sie alles richtig berechnet? Wird das Wasser auch weiter unten ankommen? Oder wird es unterwegs komplett versickern? Drei Kubikmeter Wasser strömen pro Sekunde durch die Schleuse. Doch es dauert einige Zeit, bis das Wasser weiter fließt. Zunächst verschwindet viel. Aber das ist es, was die Ingenieure wollen und der Wald braucht! Und schließlich kommt sie: Eine braune Brühe voller Schwebstoffe wälzt sich über das trockene Bachbett. Das Wasser schwillt an und beginnt das Kiesufer einzureißen und umzuformen. So soll es sein. Die Natur hält wieder Einzug im Auwald.
Doch dieser Bach wird den Auwald nur links und rechts entlang seiner Ufer befeuchten. Weil das für einen typischen Auwald nicht reicht, will das Wasserwirtschaftsamt zusätzlich zum Umgehungsbach ein bis zweimal im Jahr eine so genannte ökologische Flutung durchführen. Dann wird der Auwald tagelang komplett überflutet sein. Das soll 2011 das erste Mal geschehen.
Doch bereits jetzt bringt dieser kleine Bach Feuchtigkeit und damit neues Leben in den Auwald.
Literatur
Donau Biographie eines Flusses
Claudio Magirs
dtv, München, 2007
494 Seiten, 15,40 Euro
Claudio Magris beschreibt die Donau von ihren Quellen bis zur Mündung. Ein schönes Buch, das uns die Geschichte und die Bedeutung dieses einzigartigen Stromes nahe bringt. Es hat den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.
Autorin: Jutta Henkel (BR)
Stand: 25.02.2014 10:54 Uhr