So., 05.09.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Radeln auf Römer-Spuren
Radeln entlang der Donau – für viele Fahrradfreunde ist das der pure Genuss von Natur und Naherholung. Doch was die meisten nicht ahnen, wenn sie sich auf den Drahtesel schwingen: Am Wegesrand schlummert so manch verborgener Kulturschatz, der noch aus der Zeit der Römer stammt. Denn der längste Strom Europas hat eine ganz besondere Bedeutung in der Geschichte der Römer in Bayern: Als Verkehrs- und Transportweg, als verlängerter "nasser" Limes, als Lebensader. Man muss nur ganz genau hinsehen. "W wie Wissen" hat sich einen Mann an die Seite geholt, der es versteht, genau diese verborgenen Spuren zu lesen. Per Rad sind wir unterwegs, mit dem Professor für Alte Geschichte Dr. Gerhard Waldherr.
Der "nasse" Limes
Wir starten unsere Radtour bei Hienheim, einem kleinen Ort zwischen Neuburg an der Donau und Kelheim. Nur Kenneraugen wie die von Professor Waldherr erkennen den erhöhten Erdwall als einen wichtigen Punkt. Denn hier endet der befestigte Limes, und die sogenannte raetische Mauer trifft nach 167 Kilometern Landstrecke auf die Donau.
Von jetzt an ist es der "nasse Limes", der den nördlichen Rand des Römischen Reiches, des "Imperium Romanum", begrenzt. Und es waren auch die Römer, die dieses Gebiet erstmals flächendeckend erschlossen haben, landwirtschaftlich nutzten und ein Straßennetz anlegten. Wir folgen diesen Straßen, und kommen schon zum nächsten Römer-Schatz am Ufer der Donau.
Das Römerkastell Abusina bei Eining
Am Rande des Naturparks Altmühltal auf der rechten Donauseite stoßen wir auf ein parkähnliches Gelände, das die Grundmauern des römischen Kastells Abusina beherbergt. Das Kastell wurde bereits im Jahr 80 n. Chr. unter Kaiser Titus errichtet, zunächst aus Holz und Erde, später in Stein ausgebaut. Es ist die einzige römische Wehranlage in Bayern, die in ihrem Mauerbestand vollständig freigelegt und konserviert wurde. Viele Funde, wie Tierknochen, Scherben, Eisen- und Bronzegegenstände, erzählen vom damaligen Leben. Überraschendes weiß Professor Waldherr zu berichten: So vermutet man, dass die gefundenen Tonfiguren mit vielen Löchern als eine Art Voodoo-Kult der Römer zu deuten sind.
Der Geschichte auf der Spur: Experimentelle Archäologie
Inmitten der Mauerreste treffen wir Christian Köpfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Uni Augsburg. Seit jeher lässt ihn die Frage nicht mehr los: Wie war das Leben damals WIRKLICH? Sich nur auf die Geschichtsbücher verlassen, reicht ihm nicht. Zusammen mit einer Gruppe von Studenten will er durch ein paar Experimente neue Erkenntnisse über das Römer-Leben gewinnen. So sollen Tests mit unterschiedlichen Kampfschilden zum Beispiel zeigen, ob die Geschichtsschreiber bei der berühmten Varusschlacht Recht hatten: Dort wird nämlich beschrieben, dass sich die Schilde der Römer stark mit Regenwasser vollsogen, was den Verlauf der Schlacht beeinflusste.
Auch will Christian Köpfer untersuchen, inwieweit die Römer Pollen und Pflanzen nach Bayern transportierten: Bei ihren Gewaltmärschen durchquerten die Legionäre schließlich eine Vielzahl an Vegetationszonen. In Zusammenarbeit mit einem Biologen soll ein Legionärsmarsch von Donauwörth nach Füssen Mitte September darüber Aufschluss geben.
Donaudurchbruch bei Weltenburg
Das Kloster Weltenburg am Donaudurchbruch ist weltbekannt – jährlich kommen viele Tausend Touristen, um das canyonartige Tal mit seinen bizarren Felsgebilden zu betrachten. Doch die wenigsten wissen, dass schon die Römer diesen magischen Ort an den bis zu 60 Meter hohen Kalksteinhängen zu nutzen wussten und zwar als Steinbruch. Noch heute erkennt man Bearbeitungsspuren, die darauf hinweisen, dass hier das Material geholt wurde, um Siedlungen und Lager zu bauen. Schätzungen gehen von 50.000 Kubikmeter Stein aus, die von Weltenburg aus nach Regensburg verschifft wurden – das sind etwa 500 Einfamilienhäuser.
Das Kriegschiff "Navis Lusoria"
Ideal war die Donau also auch als Transportweg, und nicht nur Baumaterial wurde auf ihr befördert, auch Legionäre. Die brauchten aber eher ein wendiges Schiff mit wenig Tiefgang, etwa eines vom Typ "Navis Lusoria". Und dass solch ein Gefährt heute noch auf Naab und Donau zehn Kilometer vor Regensburg zu finden ist, das ist Heinrich Konen zu verdanken. Aus antiken Wrack-Funden konstruierte der Historiker eine solche Galeere nach, verwendete nur Materialen, die auch die Römer hatten. So sind hier 3.800 handgeschmiedete Nägel und 16 Eichenbäume verarbeitet. Durch die praktischen Versuche mit seinen Studenten bekommt er immer neue Erkenntnisse über die Donau in der Römerzeit. So ist denkbar, dass mit solch einem Schiff Patrouille gefahren wurde, um die Grenze vor Angreifern zu verteidigen.
Doch wie es wirklich war, damals, bei den Römern - da ist von einem jeden die Phantasie gefragt, wenn er sich auf Spurensuche an der Donau begibt. Für „W wie Wissen“ und Professor Gerhard Waldherr endet die Reise in Regensburg – einst die größte römische Anlage. Doch das ist eine andere Geschichte.
Adressen & Links
Spurensuche mit Professor Dr. Gerhard Waldherr
Kulturpädagogisches Angebot für Schulklassen und Gruppen
Prof. Dr. Gerhard Waldherr
Drei-Kronen-Gasse 2
93047 Regensburg
Tel.: (0941) 69 89 69 46
E-Mail: waldherr@cultheca.de
Internet: www.cultheca.de
Experimentelle Archäologie der Uni Augsburg
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Christian Köpfer (wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Universitätsstr. 10
86135 Augsburg
Tel.: (0821) 598 – 55 45
Fax: (0821) 598 – 55 01
E-Mail: christian.koepfer.ma(at)gmx.de
Persönliche Website von Christian Köpfer mit Beschreibung des Legionärsprojekts "Legio XIII Gemina":
ckoepfer.de
Projekt "Navis Lusoria" der Uni Regensburg
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Dr. Heinrich Konen
Universitätsstr. 31
93040 Regensburg
Tel.: (0941) 943 - 37 16
E-Mail: Heinrich.Konen(at)geschichte.uni-regensburg.de
Website des Projekts: www.uni-regensburg.de
Literatur
Navis Lusoria: Ein Römerschiff in Regensburg
Hans Ferkel, Heinrich Konen, Christian Schäfer
Scripta Mercaturae, 1. August 2004
144 Seiten, 22 Euro
Auf den Spuren der Römer
Prof. Gerhard Waldherr
Pustet, Regensburg, 2001
100 Seiten
Autorin: Viola Franke (BR)
Stand: 17.09.2015 13:46 Uhr