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Wandern extrem

Hängebrücke
Wandern in extremen Höhen ist eine besondere Herausforderung | Bild: Jan Kerckhoff

Die höchsten Gebirge der Welt – Karakorum und Himalaya. Berge wie der Mount Everest, die tibetische Kultur und die wilde Natur ziehen jedes Jahr Tausende Wanderer an. Hinzu kommt der Reiz der Höhe – so hoch die wie höchsten Gipfel der Alpen! Doch gerade die Höhe kann Probleme machen. Denn oben wird die Luft dünn. Das macht jede Bewegung anstrengend. Aus einer Wanderung wird dann für Unerfahrene eine Herausforderung. Viele werden höhenkrank dabei – auf manchen Trecks, so zeigen Untersuchungen, trifft es jeden Zweiten. Das kann schon ab einer Höhe von 2.500 Metern passieren. Dabei handelt es sich meist um die akute Bergkrankheit (AMS) mit Schwindel, Kopfschmerz, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Übelkeit. Meist vergehen die unangenehmen Symptome nach einem Tag. Im schlimmeren Fall können aber auch Ödeme im Hirn oder in der Lunge entstehen, dann besteht akute Lebensgefahr.

Wer sich nicht quält, den quält der Berg

Prof. Peter Bärtsch bei der höhenmedizinischen Beratung
Fitness hilft gegen Leistungsverlust in der Höhe | Bild: Jan Kerckhoff

Wer in 4.000 bis 5.000 Metern Höhe wandern will, sollte eine gewisse Fitness mitbringen. Die lässt sich vorab beispielsweise mit einer Spiroergometrie feststellen. Professor Peter Bärtsch von der Uni Heidelberg, Höhenmediziner von Weltruf, macht solche Untersuchungen regelmäßig und bietet darüber hinaus eine höhenmedizinische Sprechstunde an: "Fitness schützt nicht vor Bergkrankheit. Wenn man aber ein Trekking machen will oder eine Wanderung im Himalaya in dieser Höhe, dann hat man Leistungsverlust. Der ist in 4.000 Meter ungefähr 20 bis 25 Prozent, das heißt, ich muss genügend Leistungsreserve mitbringen, um das wegstecken zu können." Wer sich also vorher nicht bei ein bisschen Konditionstraining quält, den wird dann beim Wandern der Berg quälen. Vor der Trekking-Tour sollte man also regelmäßig Joggen oder Fahrradfahren – oder noch besser: in den Alpen wandern gehen.

Mit Taktik in die Höhe

Anstieg über einen Gletscher
Eine wichtige Regel: langsam Aufsteigen | Bild: Jan Kerckhoff

Wer zuvor schon in den Bergen wandert, trainiert nicht nur die richtige Bewegung, sondern setzt seinen Körper bereits der Höhe aus. Die ist zwar nicht so extrem wie im Himalaya, aber diese Höhenreize helfen bereits bei der Akklimatisation, also der Gewöhnung.

Diese gelingt am besten, wenn man langsam aufsteigt. Die Regel lautet: Ab einer Höhe von 2.500 Metern jeden Tag maximal 600 Meter höher steigen. Besonders Höhenempfindliche sollten sogar nur 300 Meter höher gehen. Auf einer Höhe von 3.500 Meter, spätestens bei 4.000 Meter, sollte man einen Ruhetag einlegen. Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder leichte Schlafstörungen sind normal. Werden diese jedoch schlimmer, und kommen noch Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit dazu, sollte man ebenfalls einen Ruhetag einlegen oder, wenn keine Besserung eintritt, 500 Höhenmeter absteigen und dort so lange zu bleiben, bis die Symptome abklingen und erst dann langsam weiter aufzusteigen. Die Fähigkeit zur Akklimatisation hängt nicht von der Fitness ab und ist individuell unterschiedlich. Daher sind starre Aufstiegspläne, wie sie von vielen Trekking-Agenturen aufgestellt werden und an die sich alle Teilnehmer halten müssen, schlecht. Auf solchen Touren kommt es zu den meisten Fällen von Höhenkrankheit. In der Höhe, so Peter Bärtsch, sollte "jeder in sich hineinhorchen" und sein Aufstiegstempo seinem persönlichen Körpergefühl anpassen.

Medikamente

Bergpanorama
Über 2.500 Metern Höhe tritt die Höhenkrankheit auf | Bild: Jan Kerckhoff

Zur Behandlung der Höhenkrankheit gibt es Medikamente, wie etwa Diamox oder Dexamethason. Es gibt auch Empfehlungen, Diamox vorbeugend zu nehmen. Das ist aber umstritten. Besser ist es, diese Medikamente mit sich zu führen und nur zu nehmen, wenn die Symptome den Abstieg gefährden, also wenn etwa der Schwindel und die Koordinationsstörungen durch die Höhenkrankheit so stark sind, dass man kaum noch laufen kann. Nach Einnahme der Medikamente sollte man dann aber unverzüglich mindestens 1.000 Höhenmeter absteigen.

Akklimatisation im Schlafzimmer

Wanderer
Akklimatisierung braucht Zeit | Bild: Jan Kerckhoff

Seit ein paar Jahren gibt es auch Hypoxie-Zelte – durchsichtige Plastikzelte, in denen man sich zuhause im Schlaf akklimatisieren kann. Ein eingebautes Gebläse reduziert den Sauerstoffgehalt der Luft und simuliert so die dünne Höhenluft. Peter Bärtsch hat diese Zelte in einer Studie untersucht und tatsächlich einen positiven Effekt gefunden: "Man kann sich mit diesen Zelten akklimatisieren, aber das ist ein extrem aufwändiges Verfahren. Es ist auch nicht sehr angenehm, es wird feucht in diesen Zelten. Es wird um zwei Grad wärmer. Wir mussten im Sommer die Studie abbrechen, weil die Leute das nicht ausgehalten haben."
Da ist es wohl schöner, sich genügend Zeit zu nehmen und sich vor Ort zu akklimatisieren.

Adressen & Links

Sportmedizin, Uni Heidelberg
Ansprechpartner: Prof. Peter Bärtsch
Adresse: Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg

Literatur

Literatur

Klaus Mees
Aufstieg in die Todeszone
Bruckmann-Verlag, 2003

Elisabeth Simons/Oswald Oelz
Kopfwehberge
AS Verlag, 2001

Klaus Mees
Höhenanpassung
Bruckmann Verlag, 2005

Franz Berghold/Wolfgang Schaffert
Handbuch der Trekking- und Expeditionsmedizin
DAV Summit Club, 2008

Andrew Pollard/David Murdoch
Praktische Berg- und Trekkingmedizin
Ullstein Medical, 1998

Autor: Jan Kerckhoff (BR)

Stand: 10.01.2013 10:19 Uhr

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