So., 01.08.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Wetter-Mythen unter der Lupe
Wir wissen schon im Frühling, wie der Sommer wird!
Schön wär‘s. Doch aus der Wetterlage des Frühlings lässt sich für den Sommer nichts ablesen, egal ob regnerischer, warmer oder kalter Frühling. Trotzdem gibt es seit einiger Zeit meteorologische Langzeitprognosen. Dafür werden von Großrechnern Millionen Daten ausgewertet. Die Modelle kümmern sich aber nicht so sehr um die launenhafte Atmosphäre. Sie rechnen mit Werten, die sich nicht so schnell ändern, wie die weltweite Bedeckung mit Schnee und Eis oder die Temperatur der Ozeane. Diese Werte haben einen Einfluss darauf, ob die durchschnittliche Sommertemperatur höher oder niedriger ausfällt. Und daraus errechnet sich immerhin eine Tendenz für den Sommer. Ob der Juli oder der August der bessere Bademonat ist, kann man daran aber nicht ablesen.
Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass!
Was am 27. Juni, dem Siebenschläfertag, passiert, spielt keine Rolle, denn die Gregorianische Kalenderreform von 1582 hat den Lostag für diese und manch andere Bauernregel um zehn Tage verschoben. Richtig ist, dass sich in der ersten Juliwoche der Charakter des mitteleuropäischen Hochsommers oft entscheidet. Dann stehen sich in unseren Breiten Polarluft im Norden und tropische Warmluft im Süden gegenüber. An der Grenze der sogenannten Polarfront konkurrieren Hoch- und Tiefdruckgebiete, die von West nach Ost ziehen. Je nach Lage der Polarfront setzen sich in diesem Zeitraum eher die Azorenhochs oder die Tiefdruckgebiete durch und bestimmen den Charakter des Sommers. Für Süddeutschland trifft die dazugehörige Bauernregel mit etwa 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu. In Norddeutschland spielt sie keine Rolle.
Morgengrau gibt Himmelblau!
Solche kurzfristigen Vorhersagen stimmen fast immer. Fallender Morgennebel verspricht verlässlich einen schönen Tag. Der physikalische Hintergrund ist klar: Nur wenn die von der Sonne erwärmte feuchte Luft nach oben steigt, kann es zur Wolkenbildung kommen und regnen. Sinkt der Nebel dagegen und bleibt als Tau am Boden gibt es schönes Wetter.
Der Hundertjährige Kalender stimmt noch immer!
Der Zisterzienser-Abt Moritz Knauer hat im Mittelalter sieben Jahre lang das Wetter beobachtet. Dann stellte er seine Beobachtungen ein, weil er glaubte, dass sich der Wetterzyklus nun alle sieben Jahre wiederholt. Seine Theorie einer langfristigen Wettervorhersage gründet auf dem geozentrischen Weltbild. Danach regierten die damals sieben bekannten Planeten alle irdischen Geschicke, auch das Wetter. Den Planeten wurden bestimmte Eigenschaften zugesprochen. Der Saturn sollte von kalter Natur und wenig trocken sein. In sieben Jahren, so dachte Knauer, könne also beobachtet werden, wie jeder Planet die Jahreszeiten und das Wetter mit seinem Charakter beeinflusst. Danach beginne die Runde von neuem. Doch auf das Wetter haben die Planeten keinerlei Einfluss. Manchmal treffen die eher pauschalen Vorhersagen zu, doch das ist reiner Zufall.
Bei Vollmond schlägt das Wetter um!
Nirgendwo in Europa zeigt sich die Kraft des Mondes so deutlich wie an der Küste Nordfrankreichs. In der Bucht des Klosterfelsens Mont Saint-Michel erlebt man die größten Gezeitenunterschiede. Da erscheint es doch nur logisch, dass die Kraft des Mondes auch einen Einfluss auf das Wetter hat. Die Wahrheit ist: Die Schwerkraft oder die Strahlung des Mondes ist viel zu gering, um die irdische Atmosphäre zu beeinflussen. Auch die Mondphasen haben auf das Wetter keinen Einfluss, denn Neumond oder Vollmond ereignen sich überall auf der Erde zum gleichen Zeitpunkt. Eine lokale Wetteränderung kann mit dem Mond folglich nichts zu tun haben.
Literatur
Horst Malberg
Bauernregeln aus meteorologischer Sicht
Springer Verlag, Berlin, 2003
"Wies im April und Maien war, so bleibt das Wetter das ganze Jahr" - lässt sich mit solchen Bauernregeln wirklich etwas anfangen? Wie ist das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit bei den überlieferten Wettersprüchen? Woher stammen sie und was hat es mit dem sogenannten "Hundertjährigen Kalender" auf sich? Der Autor Horst Malberg, Meteorologe und Geophysiker, vergleicht jahrhundertealtes überliefertes Wissen mit modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und stellt fest: Es ist durchaus nicht alles nur Esoterik und Aberglaube. Manches aber schon...
Ein locker geschriebenes und leicht verständliches Buch über Wetterphänomene und ihre Interpretation mithilfe von überliefertem Volkswissen.
Autor: Markus Hubenschmid (SWR)
Stand: 20.02.2014 12:07 Uhr