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Wie ein Kinofilm die Delfine (doch nicht) rettet

"We love Dolphins – wir lieben Delfine"

Ein Ort in Japan
Ein Ort in Japan | Bild: NDR

Rund 500 Kilometer Luftlinie von Tokio entfernt liegt der japanische Fischerort Taiji. Äußerlich erscheint er wie ein Ort, an dem die Menschen Delfine und Wale lieben. Überall werden Bilder und Skulpturen der Meeressäuger zu Schau gestellt. Selbst die Fähren an der buchtenreichen Küste sind zur Belustigung der Touristen in Wal- beziehungsweise Delfinform gebaut. Mit Schwanzflosse, aufgemalten Augen und Fontäne auf dem Dach.

Doch für Tierschützer ist Taiji ein Delfin-Alptraum. In einer abgelegenen Bucht am Rande des Ortes sind in den vergangenen Jahren Zehntausende der intelligenten Meeressäuger abgeschlachtet worden. Und das Töten geht weiter.

Vom Flippertrainer zum Delfinschützer

Ric O’Barry
Ric O’Barry | Bild: Drei Freund Filmverleih

Einer, der diese Missstände an die breite Öffentlichkeit gebracht hat, ist Ric O’Barry. In den 1960er Jahren war er Tiertrainer und richtete unter anderem Delfine für die Fernsehserie Flipper ab. Durch seine Arbeit wurden Delfine weltweit zu Publikumsmagneten und Delfinarien zu einer lukrativen Einnahmequelle. Auch O’Barry verdiente gut an Flipper. Heute steht er seiner damaligen Arbeit kritisch gegenüber. "Ich fühle mich verantwortlich", sagt er, "weil die Fernsehserie Flipper dieses Milliarden-Dollar-Geschäft geschaffen hat. Das Lächeln der Delfine ist die größte Täuschung der Natur. Es entsteht die Illusion, sie wären glücklich."

O’Barry kämpft heute gegen die Jagd auf Delfine, egal ob sie für Delfinarien oder zum Verzehr gefangen werden. Die Jagdmethoden der Fischer von Taiji kennt er aus eigener Ansicht: "Es ist eine klassische Treibjagd", erläutert er. "Es gibt Routen, die Delfine seit Tausenden von Jahren für ihre Wanderungen benutzen. Die Fischer warten einfach ab, bis die Delfine vorbeikommen. Dann stecken sie von ihren Booten aus diese langen Rohre ins Wasser. Sie schlagen mit Hämmern gegen die Rohre und erzeugen so unter Wasser eine Wand aus Lärm, die die Delfine erschreckt. So treiben sie die Tiere vor sich her. Wenn die Delfine in der Lagune ankommen, sind sie völlig verstört, gestresst bis zum Gehtnichtmehr."

Die Fischer riegeln die Bucht mit Netzen ab. Am nächsten Morgen suchen sich Delfintrainer die schönsten Tiere für die Delfinarien aus; die übrigen Delfine werden getötet. Um dieses Massaker zu dokumentieren, produzierte O’Barry zusammen mit dem Regisseur Louie Psihoyos einen aufwühlenden Dokumentarfilm: "The Cove", zu Deutsch "Die Bucht".

Die Wirkung der Bilder

Das Wasser ist durch das Blut der Delfine verfärbt
Das Wasser ist durch das Blut der Delfine verfärbt | Bild: Drei Freund Filmverleih

Nach dem Kinostart im Oktober 2009 stellten die Fischer aufgrund der Proteste die Tötungen ein. Das Bild des vom Delfinblut dunkelrot gefärbten Wassers war zum Sinnbild der Abschlachtungen geworden. Weltweit reagierten Kinobesucher geschockt auf die Vorgänge in Taiji. Der Schweizer Journalist Hans Peter Roth, der bei früheren Dreharbeiten noch von Einheimischen attackiert worden war, durfte kurze Zeit später ungehindert in der Bucht Aufnahmen mit seiner Videokamera machen. Sie zeigen, dass die Fischer einen Großteil der Delfine wieder frei lassen. Nur einige besonders stattliche Exemplare werden für Delfinarien aussortiert.

Der Film "Die Bucht" hatte scheinbar etwas bewirkt. Doch der Sinneswandel der Fischer war nur ein Ablenkungsmanöver: Ein W-wie-Wissen-Kamerateam drehte Mitte Dezember 2009 heimlich in Taiji und dokumentierte, dass das Töten doch weiter geht. Während das Kamerateam in den bewaldeten Hängen der Bucht versteckt filmte, trieben Taucher in Neoprenanzügen etwa 20 Rundkopfdelfine ins flache Wasser, banden sie mit den Schwanzflossen am Strand fest und töteten sie. Auf einem Schiff im tieferen Wasser wurden die Delfine dann ausgenommen. Das Fleisch wurde offenbar noch am Nachmittag weiterverarbeitet. Im nahe gelegenen Supermarkt filmte das W-wie-Wissen-Team Delfinfleisch mit Produktionsdatum vom selben Tag – offenbar Fleisch aus der Bucht.

Weniger Blut, aber genau so grausam wie zuvor

Das Töten geht weiter
Das Töten geht weiter | Bild: atlanticblue e.V.

Die Fischer töten also immer noch, allerdings sind ihre Methoden mittlerweile unauffälliger geworden: Das Wasser der Bucht färbt sich nicht mehr wie vorher rot vom Delfinblut. Auf Filmmaterial des Meeresschutzprojekts "Atlantic Blue" ist zu erkennen, warum: Die Fischer erstechen die Delfine mit einer kurzen Lanze. Anschließend hämmern sie einen Holzpflock in die Wunde, um sie zu verschließen. Am Schicksal der Tiere ändert das nichts.

Ric O’Barry sieht die einzige Chance für die Delfine in einem Verbot des Verkaufs von Delfinfleisch. Es ist hochgradig belastet mit Giftstoffen wie Quecksilber und PCB. Aus den Schulernährungsprogrammen in Japan ist es darum schon gestrichen worden. So könnte die Tatsache, dass die Menschen die Meere vergiften, die Delfine am Ende vielleicht sogar retten. Zumindest vor dem Tod in der Bucht von Taiji.

Adressen & Links

Offizielle Seite des Films mit Trailern, Informationen über die Akteure, die Dreharbeiten usw.
www.thecove-derfilm.de

Seite des Meeresschutzprojektes Atlantic Blue. Dort finden sich weitere Belege für das Töten in Taiji auch nach dem Kinostart. Außerdem diverse Hintergrundinformationen zu den Geschehnissen in Japan und Möglichkeiten, den Delfinschutz zu unterstützen.
www.atlanticblue.de

Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere. Die sehr renommierte Vorsitzende Petra Deimer hat bereits viel für den Schutz der Delfine und Wale getan.
gsm-ev.de

Weitere Delfinschutzorganisation:

Die Whale and Dolphin Conservation Society hat unter anderem einen kritischen Bericht über Delfin-Therapie veröffentlicht.
www.wdcs-de.org

Gesellschaft zur Rettung der Delfine:
www.delphinschutz.org

Autor: Björn Platz (NDR)

Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr

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