So., 10.01.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Zucker war im letzten Jahr, dieses Jahr gibt’s Stevia!
Kalorienfrei – zahnschonend – cholesterinfrei: Als wahres Wundermittel wird Stevia rebaudiana in seinem Herkunftsland Paraguay bezeichnet. Die Guaraní-Indianer nutzen schon seit Jahrhunderten die natürliche Süßkraft des Honigkrauts. Nebenwirkungen sind nicht wissenschaftlich dokumentiert. Die Extrakte der Blätter, die sogenannten Steviol-Glykoside, haben die 300fache Süßkraft von herkömmlichem Zucker aus der Zuckerrübe. Für Übergewichtige und Diabetiker könnte Stevia also geradezu ein idealer natürlicher Süßstoff sein.
Risiken nicht ausgeschlossen?
Das Problem: Noch ist Stevia in der Europäischen Union nicht als Lebensmittel zugelassen, denn gesundheitliche Risiken wie beispielsweise eine krebsfördernde Wirkung sind nach Ansicht der EU nicht auszuschließen. Bei der Isolierung des eigentlichen Süßstoffes Steviol-Glykosid aus den Blättern der Pflanze können nämlich giftige Nebenprodukte entstehen, die noch nicht eindeutig erforscht sind. Noch fehlen breit angelegte Studien zum eindeutigen Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, meint auch Udo Kienle, Agrarwissenschaftler an der Universität Hohenheim.
Stevia ist in Deutschland einzig und allein zur kosmetischen Anwendung, z.B. als Badezusatz, erlaubt. Unabhängig von der Rechtslage nutzen aber in Deutschland schon viele Verbraucher, vor allem Diabetiker, den alternativen Süßstoff auf eigenes Risiko.
Anerkanntes Süßungsmittel in Asien
Immer wieder taucht der Vorwurf auf, die starke Lobby der traditionellen Zuckerindustrie würde die Zulassung von Stevia in Europa blockieren. Dabei könnte das Honigkraut nach den Untersuchungen von Agrarwissenschaftler Udo Kienle in Südeuropa hervorragend gedeihen. In Deutschland würden sich vor allem Weingebiete für den Anbau eignen.
An der bereits langjährigen internationalen Diskussion um die Zulassung des Süßstoffes wird deutlich, wie unterschiedlich weltweit das Lebensmittelgesetz ist. So gilt Stevia heute im asiatischen Raum als anerkanntes Süßungsmittel und ist in zahlreichen Lebensmitteln wie etwa in Joghurt, Marmelade, Eiscreme und Erfrischungsgetränken enthalten. Weltweit nutzen täglich Millionen Menschen Stevia als Zuckerersatz, von Australien bis in die USA.
2008 hat nun die Weltgesundheitsorganisation die Sicherheit von Stevia-Süßstoffen festgestellt und einen Richtwert festgelegt: Steviol-Glykoside mit einem Reinheitsanteil von 95 Prozent sind nach Ansicht der WHO für den menschlichen Verzehr sicher.
Prüfung in Europa
Auf dieser Grundlage hat jetzt die Schweiz als nicht EU-Land eine Vorreiterrolle übernommen und das erste Süßgetränk auf Stevia-Basis erlaubt. Weitere Einzelzulassungen für die erste Schweizer Schokolade mit Stevia-Extrakten liegen vor, internationale Konzerne basteln fieberhaft am Geschmack ihrer Produkte.
Für Frühjahr 2010 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit Sitz in Parma eine Stellungnahme zu Stevia-Süßstoffen angekündigt. Frühestens 2011 ist mit einer Zulassung durch die EU-Kommission zu rechnen.
Adressen & Links
Die European Stevia Association (EUSTAS) setzt sich als gemeinnützige Organisation für die Anerkennung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Stevia ein:
www.eustas.org
Bundesamt für Gesundheit Schweiz, Zulassungslage für Stevia in der Schweiz
www.bag.admin.ch
Autorin: Astrid Uhr (BR)
Stand: 21.07.2015 13:53 Uhr