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Wundermittel Omega-3?

Fischstäbchen mit Omega 3
Fischstäbchen mit Omega 3 | Bild: WDR

Omega-3-Fettsäuren gelten als die neuen Wundermittel zur Nahrungsergänzung. Sie sollen das Herzinfarktrisiko senken, vor Krebs schützen, die Intelligenz fördern und Depressionen vorbeugen. Deshalb vermarktet die Lebensmittelindustrie immer mehr Produkte mit der Verheißung, sich ohne Anstrengung gesund zu essen: Eiern, Fisch, Brot, Energiedrinks und Babynahrung werden Omega-3-Fettsäuren zugesetzt, als Kapseln gibt es sie separat zu kaufen. Für die Lebensmittelindustrie immerhin ein gutes Geschäft, denn für die Zugabe von weniger als einem Gramm Fett kassiert sie bis zu einem Euro mehr.

Inuit: Gesund trotz viel Fett

Fischtheke im Supermarkt
Fisch gilt als gesund | Bild: WDR

Aufgefallen sind diese Fettsäuren vor Jahren bei grönländischen Inuit: Man stellte fest, dass sie trotz extrem fetter Nahrung nur sehr selten an Herz-Kreislaufkrankheiten leiden und im Vergleich zu Mitteleuropäern extrem selten Herzinfarkte bekommen. Als Ursache vermutete man die im Fisch enthaltenen Fette, die Omega-3-Fettsäuren. Omega-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die der Körper zwar braucht, die er aber nicht selbst herstellen kann. Man nennt sie deshalb auch "essentiell".

Zahlreiche Studien mit Herzpatienten ergaben dann, dass Omega-3-Fettsäuren tatsächlich therapeutische Wirkungen haben können, vor allem bei Patienten, die einen Herzinfarkt hinter sich haben. In solchen Fällen wird Omega-3 in hohen Dosen verordnet und muss unter ärztlicher Aufsicht genommen werden. Entsprechende Präparate sind deshalb als Arzneimittel zugelassen und rezeptpflichtig.

Wirkung oder Werbung?

Omega-3-Lebensmittel
Auswahl an mit Omega-3-Fettsäure angereicherten Lebensmitteln | Bild: WDR

Doch das ist noch lange kein Argument, Omega-3-Fettsäuren auch Lebensmitteln zuzusetzen, um auf eine vorbeugende Wirkung zu hoffen. Zwar steht fest, dass sie in kleinen Mengen gesund und lebensnotwendig sind. Doch wissenschaftlich ist es nicht bewiesen, dass zum Beispiel Fischöl-Kapseln die Allgemeinbevölkerung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können. Das schlägt sich auch in den Werbeaussagen nieder, mit denen Hersteller ihre Produkte anbieten.

Seit 2007 ist in der EU die sogenannte Health-Claims-Verordnung in Kraft, die die Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen verbietet, solange sie nicht wissenschaftlich nachgewiesen sind. Eine endgültige Liste der erlaubten Aussagen soll 2010 veröffentlicht werden. Zu den Omega-3-Fettsäuren kann man jetzt schon sagen: Es gibt nur 3 Aussagen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen sind. Sie betreffen die Gehirnentwicklung und die Entwicklung des Sehvermögens von Kleinkindern. Weitergehende Aussagen sind nicht zugelassen.

Gut für kluge Kinder?

Informationen auf einem Babybreiglas
Omega-3-Fettsäure in Babynahrung | Bild: WDR

So bleibt den Herstellern nur ein vager Verweis, zum Beispiel darauf, dass das Dortmunder Institut für Kinderernährung (IKE) die Verwendung von Rapsöl in der Babynahrung empfiehlt. Dort hat man tatsächlich nachgewiesen, dass die mit dem Rapsöl aufgenommenen Fettsäuren im Blut vorhanden sind – der Körper nimmt sie also auf. Ob der höhere Anteil an Omega 3 dann tatsächlich dazu führt, dass die Kinder auch klüger werden, weiß bislang noch niemand. Die Dortmunder wollen demnächst einen Zusammenhang zwischen der Ernährung mit Rapsöl und der geistigen Entwicklung untersuchen.

Viel wichtiger aber, und darauf weist das IKE auch hin, ist der Hinweis, dass das Omega-3-reiche Rapsöl nicht zusätzlich in den Babybrei gegeben werden soll. Vielmehr soll es andere Fette ersetzen, zum Beispiel das im Moment viel verwendete Maiskeimöl. Denn auch ein Zuviel an "guten" Omega-3-Fettsäuren kann schaden.

Wichtig: Richtige Dosis!

Lachs an der Fischtheke
Lachs an der Fischtheke | Bild: WDR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fordert, Höchstmengen für die Anreicherung von Lebensmitteln mit den Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA festzulegen. Denn wenn immer mehr Lebensmittel damit angereichert werden, kann es leicht passieren, dass Verbraucher gefährlich hohe Mengen davon aufnehmen. Und dann droht eine Reihe von Gefahren. So kann die Neigung zu Blutungen erhöht sein, die Immunabwehr kann bei älteren Menschen beeinträchtigt werden und der LDL-Cholesterinspiegel ansteigen. Bei Menschen, die einen Herzinfarkt hinter sich haben, kann eine langfristige Einnahme von DHA und EPA in großen Mengen das Risiko eines weiteren Herzinfarkts oder eines plötzlichen Herztodes erhöhen. Und auch bei Kindern ist zu befürchten, dass sie später einmal dick werden und einen hohen Blutdruck bekommen, wenn sie zu früh zu hohe Dosen bekommen.

Angela Clausen, Ernährungsberaterin der Verbraucherzentrale Düsseldorf, weist darauf hin, dass die Deutschen sowieso zu viel Fett essen. Jede Anreicherung von Lebensmitteln, zum Beispiel Brot, mit Omega-3-Fettsäuren, erhöht also die aufgenommene Menge Fett – und damit die verzehrten Kalorien. Für eine ausgewogene und gesunde Ernährung empfiehlt sie, generell weniger Fett und mehr Ballaststoffe wie Gemüse, Obst und Vollkornprodukte zu essen.

Ohne ärztlichen Rat sollte niemand zu teuren Spezialprodukten greifen, die mit Omega-3 angereichert sind. Stattdessen hält sie es für sinnvoller, ein- bis zweimal pro Woche eine Portion Fisch zu essen, hauptsächlich fettreichen Meeresfisch wie Makrele, Hering, Thunfisch oder Lachs. Dabei eignen sich geräucherter Fisch oder Fischkonserven genauso gut für die Versorgung mit Fett wie frischer Fisch. Wenn man dann noch das Öl, das man sowieso verwendet, gegen eine Ölsorte austauscht, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, also Rapsöl, Walnussöl, Leinöl oder Sojaöl, dann kommt man schon auf ausreichende Mengen an Omega-3-Fettsäuren. Sogar in grünen Blattgemüsen wie Feldsalat oder Spinat sind die Omega-3-Fettsäuren enthalten. Auch Walnüsse enthalten viel Omega-3: Zwei bis drei Nüsse am Tag reichen völlig aus. Mehr braucht man nicht.

Autor: Martin Rosenberg (WDR)

Stand: 21.07.2015 14:08 Uhr

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