So., 30.01.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Brotdesign - Ciabatta von der Stange
Wenn morgens um drei Uhr in deutschen Backstuben die Teige geknetet und Brötchen in den Ofen geschoben werden, ist es fast überall mit dabei: das Backmittel. Flüssig, als Paste oder Pulver kommt es in den Teig und sorgt dafür, dass sich dieser während der gesamten Produktion lehrbuchhaft verhält: Ein perfekter Teig muss sich gut verarbeiten lassen, darf in den Maschinen nicht kleben bleiben und so womöglich die Produktion lahm legen. Er muss gut aufgehen, eine lockere Struktur haben. Und schließlich muss das fertige Gebäck appetitlich, knusprig und verlockend daher kommen, gut riechen, eine schöne Farbe und natürlich auch geschmacklich Einiges zu bieten haben. Bei all diesen Anforderungen hilft das Backmittel. In ihm steckt jahrelange Entwicklungsarbeit. Und die findet nicht in den Backstuben statt, sondern lange vorher. Bei großen Backmittelherstellern wie Puratos in Düsseldorf, der weltweiten Nummer zwei in Sachen Backmittel.
Irgendwie mediterran...
In der großen Puratos Versuchsküche tüfteln Lebensmitteltechnologin Iris Baltruweit und ihre Kollegen gerade an einer neuen Kollektion. Sie sind gewissermaßen Brotdesigner. Ein Kunde hat Brote und Brötchen für die kommende Grillsaison in Auftrag gegeben. "Irgendwie mediterran" soll es schmecken, so der Wunsch. Die Brotdesigner müssen nicht nur exakt wissen, was lebensmitteltechnisch in jeder Produktionsphase mit dem Gebäck passiert, sondern sie brauchen auch ein großes Maß an Spürsinn und Einfühlungsvermögen. Der Kunde kommt hier rein und möchte etwas Neues machen", erklärt Iris Baltruweit. "Oftmals heißt es dann: Ich brauche ein bisschen mehr Wellness in meinem Angebot - oder ein paar echte Neuheiten für die Grillsaison. Und dann müssen wir einkreisen, in welche Richtung es gehen könnte. Man muss ihn fragen, zu welchem Zweck er das neue Brot oder die Brötchen braucht, für welche Tageszeit und für welche Zielgruppe. Und wenn wir das Thema dann eingekreist haben, geht es weiter in unsere Geheimkiste."
Die Geheimkiste
Puratos verfügt über eine große Bibliothek von Aromen. Eine ganze Entwicklungsabteilung beschäftigt sich zum Beispiel nur mit Sauerteigen. Die transportieren den Geschmack ins Gebäck. Für mediterranes Ciabatta wird beispielsweise Sauerteig verwendet, der mit Hartweizengrieß aus Apulien kultiviert wurde. So gelangt das Aroma Süditaliens in den Teig. Ein anderer Sauerteig stammt aus Los Angeles und transportiert geschmacklich den "American Way of Life". Darüber hinaus steckt im Backmittel noch wesentlich mehr als nur Geschmack.
Weniger klebrig, länger haltbar
Bevor der Teig in den Ofen kann, muss er geformt werden. Das passiert in den meisten mittelständischen und großen Betrieben maschinell. Dafür ist es wichtig, dass die Teigmasse die Maschinen nicht verklebt. Deshalb sind unter anderem Ascorbinsäure (Vitamin C)und die Aminosäure Cystein im Backmittel. Cystein macht die Konsistenz der Masse geschmeidiger und die Oberfläche weniger klebrig. Eine ganze Reihe weiterer Stoffe, wie Enzyme und Emulgatoren werden dem Backmittel ebenfalls zugesetzt. Sie unterbinden unerwünschte Nebeneffekte im Brot. So stabilisieren zum Beispiel zugesetzte Fettsäuremonoglyceride die Stärke. Die würde sonst nach kurzer Zeit rekristallisieren. Diese Rekristallisation der Stärke ist die Hauptursache dafür, dass Gebäck schnell altbacken schmecken. Dank der Zusätze bleibt es länger frisch.
Krume, Kruste, Ausbund
Die Brotdesigner in Düsseldorf haben ihre Kreationen mittlerweile in den Gär-Ofen geschoben. Dort muss der Teig bei 27 Grad Celsius gehen. Das heißt, die Hefe oder der Sauerteig sollen jetzt Gasblasen bilden, die das Gebäck lockerer machen. Auch hier helfen wieder Stoffe im Backmittel. Verschiedene Emulgatoren bewirken, dass der Teig die Gasbläschen besser einschließt. Dadurch wird die Masse unempfindlicher gegen mechanische Belastung und geht besser auf.
Die Qualitätskriterien an das Gebäck sind streng. Ein Katalog der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) listet genau auf, wie die Kruste in Farbe, Struktur und Konsistenz beschaffen sein muss. Sogar die Kerbe auf dem Brötchen, der sogenannte Ausbund, wird bewertet. Er muss gut ausgeprägt und leicht gebräunt sein.
Für die Krume, den weichen Teil im Inneren des Brotes, gilt: Möglichst locker und mit unregelmäßigen Einschlüssen. Außerdem darf sie beim Kauen im Mund nicht ballen, wie es in der Fachsprache heißt.
Frisch und pfiffig
Nach dem Gär-Ofen folgt der Backofen. Dann sind die Brotkreationen fertig und zur Beurteilung frei gegeben. Bäckermeister Peter Brings macht dabei eine völlig neue Erfahrung. Denn statt der in Großbetrieben üblichen Trockenkräuter hat er diesmal frische Kräuter in den Teig getan. "Das ist ein riesen Unterschied. Die Brote duften viel stärker und das Aroma kommt deutlicher zur Geltung. Ich denke mal, wenn ein Kunde in eine Bäckerei kommt, in der die Auslage so duftet, wird er richtig Appetit auf diese mediterranen Gebäcke bekommen."
Wenn es dem Auftraggeber gefällt und schmeckt, werden die Brotdesigner ihre mediterranen Kreationen möglicherweise bald beim Bäcker um die Ecke entdecken.
Autor: Björn Platz (NDR)
Stand: 29.07.2015 13:36 Uhr