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Der Zug der Seeforelle

Eine tote Seeforelle
Eine tote Seeforelle - die Wanderung verlangt den Tieren oftmal alles ab. | Bild: BR/Peter Rey

Geschlechtsreife Seeforellen sind im Spätherbst kilometerweit und tagelang unterwegs: Sie verlassen zu dieser Zeit ihre stehenden Gewässer wie den Bodensee. Denn hier hätte der Nachwuchs kaum Chancen zu überleben. Stattdessen wandern die bis zu 20 Kilogramm schweren Seeforellen Flüsse und Bäche hinauf, um sich fortzupflanzen - sie machen sich auf zu den Laichplätzen, in denen sie auch schon geboren wurden. Ein uraltes, seit Jahrmillionen bewährtes Verhalten.

Doch der Mensch macht den Seeforellen dieses Wandern schwer. Der Biologe Peter Rey kennt das Problem gut. Jahrelang hat er die vergeblichen Versuche der Tiere dokumentiert, sich auf natürlichem Weg fortzupflanzen: "Früher war die Seeforelle häufig, zwischenzeitlich ist sie fast ausgestorben. Jetzt so langsam erholen sich die Bestände wieder. Und da wollen wir einfach dabei sein und helfen, dass es ihnen wieder besser geht. Es geht um den Erhalt der Artenvielfalt."

Schimmel auf der Forellenhaut

Seeforelle
Unter anderem macht schlechte Wasserqualität den Fischen zu schaffen. | Bild: BR

Doch wie groß ist die Chance der Seeforelle wirklich? Die Seeforelle lebt in Süsswasserseen wie dem Bodensee und ernährt sich von Insekten und kleinen Fischen. Ihre "Wanderwege" - die Zuläufe des Bodensees - sind in den letzten Jahrzehnten völlig verbaut worden. Wehre machen es den Seeforellen unmöglich, ans Ziel zu kommen und sich natürlich fortzupflanzen. Peter Rey hat an einigen Bodenseezuflüssen Fischtreppen durchgesetzt - jetzt wäre der Weg frei. Doch es kommen immer neue Gefahren dazu: Aufgrund der Klimaveränderung ist der Wasserstand im Winter immer öfter zu niedrig für den freien Aufstieg. Haben es einige Tiere trotzdem geschafft, sind sie oft erschöpft und verletzt. Außerdem führt mangelhafte Wasserqualität auch noch dazu, dass ihre Haut verschimmelt. Solche "Wanderer" werden das nächste Jahr den Fluss wohl nicht mehr aufsteigen.

Die Laichgrube: ein Kraftakt für die Seeforellen

Flußbett
In solchen Flussbetten graben Seeforellen Laichgruben. | Bild: BR

Obwohl Peter Rey seit vielen Jahren die Seeforellenbestände in den Zuflüssen des Bodensees dokumentiert, sind Erfolgserlebnisse selten. Auf den stundenlangen Märschen bekommen die Biologen statt wilder Paarungsspiele meist nur sterbende Tiere zu Gesicht. Doch einige Forellen schaffen es immer wieder, sich zu paaren und abzulaichen - obwohl das nach der langen Wanderung ein weiterer Kraftakt ist: Denn die Fische müssen die Laichgruben am Bachgrund mit enormer Anstrengung ausheben. Die Seeforelle kann sogar Steine, die größer als 20 Zentimeter sind, aus dem Flussboden brechen. Und der kann ziemlich hart sein.

Die von den Fischen bearbeitete Fläche ist riesig - manchmal mehr als vier Quadratmeter groß. Die Seeforelle wird dabei quasi zum "Unterwasserbagger" und lockert die Kiesel gründlich auf. Das weibliche Tier beginnt dann, in Seitenlage mit Schwanzschlägen eine 15 bis 30 Zentimeter tiefe Grube zu erzeugen. Der weibliche Fisch gibt nun die Eier in die Grube, der männliche Fisch besamt gleichzeitig. Daraufhin deckt der weibliche Fisch die Grube mit dem Laich wieder zu. Dieses Verhalten wiederholt sich dann in den folgenden Tagen mit wechselnden Partnern mehrmals, bis alle Eier abgelegt sind.

Jede Laichgrube ist ein Erfolg

Ein Fischei
In einer Laichgrube gibt es bis zu 3.000 Eier. | Bild: BR

Doch das Ablaichen ist Theorie, selten kommt es so weit. Deshalb ist es für die Biologen immer wieder ein großer Moment, wenn sie eine Laichgrube finden. Peter Rey sucht nach verdächtigen Formen auf dem Bachgrund und entfernt vorsichtig Steine am Rand. Tatsächlich: In einem Steinhaufen liegen Eier, bis zu 3.000 können es pro Laichgrube sein. Ein riesiger Erfolg! In ein paar Wochen werden die Winzlinge schlüpfen. Doch nur eine Handvoll wird dann zwei Jahre später wieder den See erreichen.

Wassertiefe, Sauerstoffgehalt, Temperatur und Fließgeschwindigkeit - ist eine solche Laichgrube gefunden, geht es darum, alle Faktoren zu verstehen, wie es trotz aller Hindernisse so weit kommen konnte. Nur so werden die Forscher um Peter Rey herausfinden, was die Tiere für eine erfolgreiche Eiablage brauchen.

Forellen mit Sender

Eine junge Seeforelle liegt neben einem Maßband
Eine junge Seeforelle wird gemessen. | Bild: bR

Das ganze Jahr über ist Peter Rey der Seeforelle auf der Spur. Er hat den Seeforellen-Nachwuchs zu Dutzenden mit winzigen Sendern versehen. Im Spätsommer will er schließlich herausfinden, ob die Tiere auch tatsächlich zurück in den See wandern. Denn es gibt ein Rätsel, das die Forscher noch nicht gelöst haben: Anscheinend können Seeforellen zu Bachforellen werden, die nicht mehr wandern, sondern ihr Leben lang im Fluss bleiben. Doch von welchen Faktoren abhängt, ob ein Tier wandert oder nicht, wissen die Biologen noch nicht. Deshalb werden die besenderten Tiere genau vermessen und gewogen. Außerdem fotografieren die Forscher die Forellen. Wegen ihrer einzigartigen Musterung können die Individuen auch Jahre später identifiziert werden.

Hoffnung für die Seeforelle

Eine Seeforelle
Wann kann die Forelle ohne menschliches Zutun überleben? | Bild: BR

Die Fische, die die Forscher um Peter Rey jetzt untersuchen und fotografieren, könnten die ersten natürlichen Rückkehrer aus dem See seit mehr als zwei Jahrzehnten sein. Die Seeforelle überlebte damals nur aufgrund künstlicher Besatzmaßnahmen. Peter Rey erinnert sich noch gut daran, warum die Tiere nicht ausgestorben sind: "Damals hat man ein paar der letzten großen Exemplare gefangen, mit ihnen massiv gezüchtet und dann den Nachwuchs ausgesetzt. Seit 25 Jahren geht das so. Und die Seeforellen, die wir jetzt im See haben, sind natürlich noch größtenteils aus diesem gezüchteten Stamm – und nicht aus natürlicher Vermehrung."

Erst wenn sich die Seeforelle wieder ohne Hilfe des Menschen vermehren und wandern kann, ist die Mission von Peter Rey geglückt. Und das ist erst bewiesen, wenn die Messstationen im Fluss anzeigen, dass diese besenderten Jungfische Richtung See schwimmen und dann endlich - als meterlange Riesen - zurückkehren. Genau an die Stelle, an der sie einst geboren wurden.

Autor: Florian Guthknecht (BR)

Stand: 03.11.2015 09:55 Uhr

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