So., 11.12.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Drama im Ewigen Eis
Oktober 1915. Die "Endurance" steckt im Weddelmeer in der Antarktis fest. Die Eismassen zerquetschen das Schiff, so dass die Mannschaft hier keinen Schutz mehr findet - eisige Kälte und Hunger bedrohen das Leben der Besatzung. Wieder scheitert eine britische Antarktis-Expedition des Abenteurers Ernest Shackleton. Es ist das vorläufige Ende des Wettlaufs um die Eroberung des Südpols, der 13 Jahre zuvor begonnen hatte.
Rivalen: Robert Scott und Ernest Shackleton
1902 bricht das Expeditionsschiff "Discovery" in die Antarktis auf. Der Anführer der Forschungsreise: Robert Falcon Scott. Er will als erster Mensch überhaupt den Südpol erreichen und von der McMurdo-Bucht aus starten. Doch Scott kommt nicht weit - und muss umkehren. Lag es an der schlechten Organisation? Scott gerät darüber mit seinem Crewmitglied Ernest Shackleton in Streit. Die Rivalität von Shackleton und Scott ist von nun an der Motor für die Antarktis-Eroberung.
Der Abenteurer und Antarktis-Durchquerer Reinhold Messner kennt sich mit der Geschichte um den Wettlauf zwischen den beiden Briten gut aus. Shackleton entwickelte großen Ehrgeiz, erklärt er: "Shackleton kommt nach England, beginnt Geld zu sammeln und Vorträge zu machen, um selber eine Expedition auf die Beine zu stellen. Um zu zeigen, dass sein Expeditionsleiter, dieser Scott, naja, nicht gerade der beste Mann ist. Wenn man’s grob ausdrückt, wollte er der Menschheit zeigen, dass er mit einer Flasche unterwegs war."
Neue Konkurrenz: Roald Amundsen
Fünf Jahre später, 1907, macht sich Shackleton mit einer eigenen Mannschaft auf den Weg - auch von der McMurdo-Bucht aus. Er setzt auf Ponys aus Sibirien als Zugtiere, doch sie verenden eins nach dem anderen. Aber er kommt deutlich weiter als sein Rivale Scott im ersten Versuch.
Scott belädt daraufhin 1910 wieder sein Schiff. Auch er macht den Fehler und nimmt 19 Ponys mit an Bord. Mit den Hunden, die er dabei hat, kennt sich Scott nicht aus. Er versucht sein auch Glück mit Motorschlitten, doch durch die Experimente mit der neuen Technik verliert er wertvolle Zeit.
Denn was er noch nicht weiß: Ein weiterer Konkurrent hat sich auf den Weg gemacht - Roald Amundsen. Der Norweger wollte eigentlich den Nordpol erobern, doch man ist ihm zuvor gekommen. Jetzt ändert er den Kurs. Erst kurz vorher informiert Amundsen per Telegramm seinen König - und Scott.
Ein eiskalter Plan
Der Norweger Amundsen will von der Walfischbucht aus starten, Scott von der McMurdo-Bucht. Für die 3.000 Kilometer haben sie nur 100 Tage Zeit - danach beginnen die Winterstürme...
Der Erfolgsdruck lastet vor allem auf Amundsen: Durch sein eigenmächtiges Handeln hat er Land und König hintergangen - nur wenn er als Triumphator zurückkehrt, würde man ihm das verzeihen. Entsprechend eiskalt ist sein Plan: Er will die schwächeren Schlittenhunde nach und nach töten und an die stärkeren verfüttern. "Amundsen war ein so kühler Typ", erzählt Reinhold Messner. "Mir ist er ja sehr sympathisch, weil er Perfektionist war. Er war ungemein ehrgeizig, die Erfolgsgeschichte für sich allein zu haben. Aber als Mensch war er wirklich kalt, kälter als Antarktis"
Der erste Mensch am Südpol
Am 20. Oktober 1911 bricht Roald Amundsen mit seinen Männern zum Südpol auf. Robert Scott dagegen hat viel Zeit mit Experimentieren verloren: Seine mitgebrachten Motorschlitten gehen in der Kälte kaputt, die Ponys muss er eins ums andere erschießen. Als er endlich startet, hat er schon fast zwei Wochen auf Amundsen verloren....
Der Norweger Amundsen steht nach 55 Tagen Marsch schließlich als erster Mensch der Welt am Südpol. Er hat das Rennen gemacht. Scott kommt erst fünf Wochen später an. Die Enttäuschung ist groß, doch für Scott ist vor allen Dingen wichtig: Er war vor seinem Landsmann und Konkurrenten Ernest Shackleton da.
Trotzdem ist die späte Ankunft eine Katastrophe. Scotts Tagebuch zeigt: Er wusste, dass er es - im Gegensatz zu Amundsen - vor dem Beginn der Winterstürme nicht zurückschaffen würde. Scotts Rückweg gerät durch die Verspätung zum Desaster.
Reinhold Messner stellt sich die schreckliche Lage der Männer so vor: "Das ist mehr ein Stolpern, nicht ein Kriechen. Sie gehen ein Stückchen, warten aufeinander. Und dann beginnt der Zusammenbruch."
Scott und seinen Männern gehen Nahrung und Brennstoff aus, die Schneestürme werden immer schlimmer. Im Frühjahr 1912 erfrieren sie - nur 20 Kilometer vom rettenden Depot entfernt. Das Zelt mit den Leichen wird ein Jahr später gefunden - zusammen mit Kamera und Tagebüchern, in denen die letzten Tage und Stunden festgehalten wurden.
Rivalität über den Tod hinaus
Die Nachricht vom Tod Scotts und seiner Männer löst Bestürzung aus -
bei Ernest Shackleton dagegen hektische Aktivität: Er macht wieder ein Schiff startklar. Der tote Scott hatte zwar vor ihm den Südpol erreicht: Doch selbst nach dessen Tod will Shackleton ihn übertreffen. Er fährt ins Weddelmeer und will von hier aus die komplette Antarktis durchqueren.
Doch der Plan scheitert. Im Oktober 1915 friert die "Endurance" im Eis fest - insgesamt eineinhalb Jahre lang. Schließlich fährt Shackleton mit einem Beiboot los, um Hilfe zu holen. Monatelang wartet die Mannschaft auf seine Rückkehr.
Und Shackleton kommt tatsächlich mit einem Eisbrecher zurück. Seine Rettungstat geht in die Antarktisgeschichte ein. Sein eigentlicher Plan, die Antarktis zu Fuß zu durchqueren, wird jedoch erst 74 Jahre später verwirklicht werden: von Reinhold Messner und Arved Fuchs.
Autor: Rolf Schlenker (SWR)
Stand: 04.11.2015 12:13 Uhr