So., 04.09.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Gerstenbrot als Cholesterinsenker
Mit drei Scheiben pro Tag gegen den hohen Cholesterinspiegel: Ein neues Brot soll das möglich machen. Es wird mit Mehl aus Spezialgerste gebacken, die besonders viel Beta-Glucan enthält - einem löslichen Ballaststoff, der nachweislich den Cholesterinspiegel senken kann. Bauern, Müller und Bäcker hoffen nun auf ein Comeback der Gerste. Früher zählte sie zu den Grundnahrungsmitteln. Sie wurde in Form von Grütze Suppen, Brei und Eintöpfen beigemengt. Heute wird sie fast nur noch als Viehfutter sowie zum Mälzen und Brauen von Whiskey und Bier angebaut.
Gerste gilt als das Getreide mit dem höchsten Beta-Glucan Gehalt. Die Pflanzen produzieren den löslichen Ballaststoff in ihren Zellwänden.
Gut für die Gesundheit
Beta-Glucane können Cholesterin im Magen binden, bevor es vom Blut aufgenommen wird. Allein schon der Verzehr von drei Gramm Beta-Glucan am Tag soll den Cholesterinspiegel um fünf Prozent senken. Das Risiko, an Herz-Kreislauf-Problemen zu erkranken, verringert sich dadurch um ein Viertel.
Die europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) hat bereits im Oktober 2009 im Rahmen einer Überprüfung aller angeblich gesundheitsfördernden Lebensmittel die positive Wirkung von Beta-Glucan bestätigt. Noch ist diese Entscheidung aber nicht amtlich. Erst, wenn alle zur Überprüfung eingereichten Lebensmittel von der EU kontrolliert worden sind, dürfen Lebensmittel mit einem Beta-Glucan-Anteil von mindestens 0,75 Gramm pro Portion als "gesundheitsfördernd" beworben werden.
Weltweit neues Saatgut
Das neue 500-Gramm-Gerstenbrot kommt auf einen Beta-Glucan Gehalt von zehn Gramm. Drei Scheiben am Tag reichen schon aus, um den Tagesbedarf zu decken. Eine neue Gerstenzüchtung ermöglicht diese hohe Ausbeute. Sie produziert fünfzig Prozent mehr Beta-Glucane als herkömmliche Gersten. Die Saatgutzüchter sind durch Zufall auf diese Eigenschaften gestoßen. "Das war wirklich eine ganz tolle Sache, als wir erkannt haben, dass wir weltweit eine neue Züchtung hatten. Und dann haben wir - ohne Gentechnik natürlich - immer die besten Pflanzen herausgesucht", sagt die Saatguthändlerin Karin Dieckmann.
Erst schälen, dann mahlen
Das neue Saatgut wird in Deutschland allerdings nur von wenigen Landwirten angebaut. Denn nur eine begrenzte Anzahl Mühlen kann ihnen bislang das Korn abnehmen und zu Gerstenmehl vermahlen. Anders als bei Roggen und Weizen müssen die Gerstenkörner vor dem Mahlprozess geschält werden. Zudem sind die Beta-Glucane nicht gleichmäßig im Korn verteilt. Der Müller muss deshalb das Mehl ganz besonders behandeln, nur so können die Mühlen einen ausreichenden Beta-Glucan Gehalt garantieren. "Unser Stand sind heute sechs Gramm pro 100 Gramm Gerstenmehl. Es gibt ehrgeizige Ziele, mit der Mühlentechnik an die 16 Gramm zu kommen", sagt Karl Schmitz von der Schapfenmühle in Ulm.
Aber die Mühlen mahlen nicht nur das neue Gerstenmehl, sie entwickeln auch die Backmischungen und Rezepte für die Bäcker. Gerste galt lange Zeit als nicht backfähig. Ihr fehlt ein Klebe- und Bindeeiweiß. Brote aus gewöhnlichem Gerstenmehl sind derb, wirken grau und flach und haben einen erdigen, leicht mehligen Geschmack. Bei der neuen Beta-Gerste ist das anders. Allein die Körner sind schon wesentlich heller. Der hohe Beta-Glucan Gehalt und ihre besondere Speisestärke verbessern zudem die Backfähigkeit.
Gerste auf dem Weg in die Nahrung
Aber nicht nur für die Bäcker, sondern für die gesamte Lebensmittelbranche wird die Gerste aufgrund ihrer cholesterinsenkenden Eigenschaft wieder interessant. "Die Gerste sorgt auch für eine gute Flüssigkeitsbindung. Dadurch kommt sie auch in Frage für Puddings, Konditoreiwaren wie Buttercremes und Milchprodukte. Denn auch hier kann die Gerste eingesetzt werden, um im Gegenzug den Fettgehalt zu senken", erklärt Dr. Klaus Münzing von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Detmold.
Autor: Michael Ringelsiep (SWR)
Stand: 10.11.2015 11:13 Uhr