So., 18.12.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Kopf ab - das Blut muss sprudeln!
Das Schwert blitzt, das Blut spritzt und dann fliegt der abgetrennte Kopf mit schreckgeweiteten Augen durch die Luft. Eine Szene aus Sönke Wortmanns Film "die Päpstin". In dem Fall ist es ein Bischof, der da bei einem Normannen-Überfall geköpft wird. Der Schauspieler guckt vom Rand des Sets zu und freut sich, dass er selbst nicht den Hals riskieren muss. Filmreif enthauptet wird stattdessen eine täuschend echt nachgebaute Silikon-Kopie des Schauspielers. Hergestellt in den Berliner Werkstätten der Maskenbildnerschule Hasso von Hugo und des Special Effect-Spezialisten Dennis Penkov.
Der Kopf der Puppe wird von Magneten gehalten, im Hals befinden sich anstelle echter Arterien Blutschläuche. Sobald der Filmbösewicht den Kopf mit seinem Schwert herunter geschlagen hat, lassen die Maskenbildner das Theaterblut sprudeln.
Formenbau und Händchenhalten
So schön es für den Schauspieler am Set ist, nicht selbst den Kopf hinhalten zu müssen, so quälend ist für ihn vorher die Herstellung des Silikon-Doubles. Denn die Maskenbildner müssen zunächst einen exakten Abdruck von Kopf, Gesicht und Oberkörper machen. Dazu wird eine weiche, gummiartige Masse benutzt, wie sie auch bei Zahnabdrücken eingesetzt wird. Der Schauspieler wird mit der Abformmasse eingestrichen, bis Kopf, Gesicht und Oberkörper komplett bedeckt sind. Und da der Bischof im Film den Bösewicht im Moment des Schlages mit Schreck geweiteten Augen und offenem Mund ansehen soll, müssen die Maskenbildner auch noch den offenen Mund des Schauspielers mit der Gummimasse ausgießen. Er atmet dann nur noch über kleine Strohalme, die in seiner Nase stecken.
Florian Schubert ist Maskenbildner-Lehrer an der Schule Hasso von Hugo in Berlin und weiß, wie schwer das den Schauspielern manchmal fällt: "Da kann ein Schauspieler dann auch schnell mal Platzangst und Panikattacken bekommen. Und deshalb gehört es auch zum Handwerk des Maskenbildners, dass er dem Menschen, von dem er einen Abdruck machen will, vorher genau erklärt, was gleich passieren wird. Und dass er währenddessen beruhigend mit ihm spricht und - wenn nötig - auch mal händchenhält, damit der Schauspieler diese quälende Prozedur aushält."
Ein teurer Traum
In der Berliner Maskenbildnerschule Hasso von Hugo lernen 150 Auszubildende das Handwerk von der Pieke auf. Sie alle zahlen einen hohen Preis: Drei Jahre Ausbildung, 40 Unterrichtsstunden pro Woche, 27.000 Euro Gesamtkosten. Dafür bekommen die Schüler alle Materialien gestellt. Allein der Preis für die Haare im Perückenkurs ist enorm. 100 Gramm Echthaar kosten ab 100 Euro aufwärts. Man könnte Kunsthaar nehmen, doch das sieht unnatürlich aus. Besonders wenn die Kamera den Schauspieler später in Nahaufnahme zeigt. Die Haare werden von den Schülern in stundenlanger Kleinarbeit einzeln in eine Haube aus netzartigem Tüll geknüpft.
Außerdem lernen sie, wie man Schaummasken herstellt, die so perfekt passen, dass sie sogar die Mimik des Schauspielers übertragen. Der Aufwand für so eine Maske ist immens: Zunächst wird ein Abdruck vom Kopf des Maskenträgers erstellt und ein Gipskopf gegossen. Auf den Gipskopf modellieren die Maskenbildner dann mit Ton ihre spätere Maske, zum Beispiel ein Fabelwesen mit Schnabel und Hörnern. Wenn es fertig ist, wird davon ebenfalls ein Gipsabdruck gemacht. Der Zwischenraum zwischen neuem Gipsabdruck und altem Gipsgesicht wird dann mit Zweikomponentenschaum ausgegossen. So entsteht eine Maske aus elastischem Schaum, die innen perfekt sitzt und nach außen wie ein Fabelwesen aussieht. Allerdings muss die noch aufwendig bemalt, angeklebt und eingeschminkt werden, so dass man die Übergänge nicht mehr sieht.
Das volle Programm
Gute Maskenbildner müssen sowohl kunstvolle Auftürm-Frisuren und Beauty Make-ups kreieren, die reif für die Modenschau sind. Aber auch täuschend echt wirkende Wunden und junge Schauspieler steinalt schminken zu können, gehört zu ihrem Handwerk. All das lernen die Auszubildenden innerhalb der drei Jahre in der Maskenbildnerschule. Noch ist dieses Handwerk im Film nicht zu ersetzen. Denn computeranimierte Lebewesen wirken trotz allen technischen Fortschritts immer noch glatt und unecht. Und noch ist selbst die aufwendigste Maske wesentlich günstiger als die entsprechende Animation der Szene am Computer. Schon allein deshalb wird es auch in Zukunft Maskenbildner beim Film geben - im Theater und bei Fotoshootings sowieso.
Autor: Björn Platz (NDR)
Stand: 16.07.2015 12:16 Uhr