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Leiser fliegen

Ein Passagierflugzeug
Heutige Flugzeuge haben steife Tragfläschen | Bild: HR

Der Traum vom Fliegen – er ist so alt wie die Menschheit. Doch erst Ende des 19. Jahrhunderts gelang es den Menschen erstmals, sich mithilfe eines Hängegleiters, auch Drachen genannt, in die Lüfte zu schwingen. Danach ging es rapide voran: erst mit nur wenigen PS starken Propellermotoren bis hin zu heutigen Turbinenjets. Doch die Perfektion des Vogelflugs hat der Mensch mit seinen Flugzeugen bis heute nicht erreichen können. Vor allem die Konstruktion eines Knickflügels, der nicht nur auf und abschlagen, sondern sich dabei auch noch verdrehen kann, ist bis heute das Hauptproblem.

Jetzt wollen Wissenschaftler im Auftrag des Esslinger Technikherstellers Festo den ersten künstlichen Vogel bauen. Eine Herausforderung, an der bisher alle Forscher gescheitert sind. Dennoch ist Teamleiter Markus Fischer zuversichtlich: "In der Literatur heißt es, dass es überhaupt nicht möglich sei, die Vögel mit Knickflügel so zu bauen. Wir haben es trotzdem versucht und haben ein Team zusammengestellt, wo wir der Meinung sind, dass wir das zusammen schaffen werden."

Leicht, intelligent und flexibel

Eine Silbermöve
Silbermöven sind elegante Flieger | Bild: picture-alliance/dpa

Als Vorbild nehmen sich die Forscher die Silbermöwe. Einen äußerst eleganten und – was seine Flugfähigkeiten angeht – auch nahezu perfekten Vogel.
Für die Entwickler ist von Anfang an klar: Um überhaupt aus eigener Kraft fliegen zu können, muss ihr Vogel extrem leicht sein. Um das zu erreichen, entwickeln sie ein Gerüst aus Kohlefaser. Am Ende wird das Skelett des Kunstvogels aus 130 Teilen gerade einmal 480 Gramm wiegen.

Die größten Herausforderungen stehen jedoch noch bevor. So muss eine Kurbelmechanik entwickelt werden, die es dem Vogel erlaubt, einen im Vergleich zur Möwe ähnlich perfekten Flügelschlag für den Vortrieb und Auftrieb zu besitzen. Denn sonst wäre ans Fliegen nicht zu denken. Und dann ist auch noch eine extrem leichte elektronische Antriebstechnik von Nöten. Und vor allem: eine intelligente Steuerungssoftware, die während des Fluges alle Luft- und Windbedingungen analysiert und das Flugverhalten den Bedingungen permanent anpasst.

Erst der Absturz – doch dann hebt SmartBird ab

Wissenschaftler arbeiten an dem künstlichen Vogel
Die Entwicklung eines künstlichen Vogels ist kompliziert | Bild: HR

Der große Moment nach zwei Jahren Entwicklungszeit: Der Vogel, den die Forscher SmartBird taufen, soll erstmals eigenständig fliegen. Doch dann der erste Schock: Schon nach wenigen Metern stürzt der Kunstvogel ab. Und das immer wieder. Die Forscher sind zunächst ratlos. Doch eines ist klar: So schnell wollen sie nicht aufgeben.

Nach dem ersten Schock versuchen es die schwäbischen Vogelbauer mit einer kleinen, aber womöglich entscheidenden Veränderung: Sie befestigen am SmartBird ein zusätzliches Seitenruder. Ist das etwa die Lösung? Tatsächlich: SmartBird hebt nicht nur ab, sondern bleibt auch in der Luft. Eine Sensation! Was der Mensch bislang als unmöglich ansah, haben die Esslinger Forscher geschafft: die Entschlüsselung des Vogelflugs! Ob und wie der Prototyp weiterentwickelt wird, steht allerdings noch in den Sternen. Aber die Entwicklung von SmartBird hat einmal mehr gezeigt, dass die Natur häufig das perfekte Vorbild für bahnbrechende technische Entwicklungen ist.

Eulen fliegen leise – Flugzeuge (noch) nicht

Passagiermaschine in der Luft
Flugzeuge sind laut - besonders bei Start und Landung | Bild: HR

Auch im brandenburgischen Cottbus versuchen Wissenschaftler, einem Geheimnis des Vogelflugs auf die Spur zu kommen: dem nahezu lautlosen Flug der Eule. Der Vogel hat den Leiseflug nahezu perfektioniert. Und hat so bei der Jagd – etwa nach Mäusen – einen großen Vorteil. Wenn das Opfer die Eule hört, ist es meistens zu spät. Gelänge es, das Geheimnis des Eulenflugs zu lüften, könnten etwa leisere Flugzeug-Flügel entwickelt werden, die im Moment besonders beim Landeanflug für Lärm-Probleme bei Anwohnern sorgen. Auch Flüstertriebwerke sind denkbar, denn die zahlreichen Schaufeln eines Triebwerks sind nichts anderes als Flügel, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen.

Das Geheimnis der Eule: eine poröse Flügelstruktur

Ein Eulenflügel
Eulenflügel sind Luftdurchlässig | Bild: HR

Nach intensiver Analyse des Eulenflügels hat der Akustik-Experte Prof. Ennes Sarradj von der Technischen Universität Cottbus eine Hypothese: "Wir haben festgestellt, dass diese Eulenflügel eine besondere Luftdurchlässigkeit haben. Stärker, als das bei anderen Vögeln der Fall ist. Unsere Hypothese war, dass das für den fast lautlosen Flug dieser Vögel ein wesentlicher Grund ist."

Also entwickeln Ennes Sarradj und sein Team ein Flügelmodell, das porös, aber gleichzeitig auch sehr stabil ist. Doch ist solch ein durchlässiger Flügel wirklich leiser als ein normaler? Um das herauszufinden, stecken sie ihr Modell in einen speziellen Windkanal. Hier wird er einer Luftströmung von 200 Kilometern pro Stunde ausgesetzt. Spezielle, an der Decke des Kanals angebrachte Hochleistungsmikrofone ermitteln jedes kleine Geräusch, das der Flügel entwickelt.

Nur noch halb so laut

Die ersten Messungen sind entmutigend. Die Geräuschsenkung gegenüber einem normalen Flügel ist nur minimal. Doch die Aeroakustiker geben nicht auf, entwickeln immer neue Materialien mit unterschiedlicher Durchlässigkeit. Ihr Engagement wird schließlich belohnt. Ihr bislang bester Flüsterflügel zeigt nun durchaus beachtliche Ergebnisse. "Wir haben in unseren Untersuchungen eine Maximal-Differenz von 10 Dezibel feststellen können", erklärt Ennes Sarradj. "Das entspricht etwa der halben wahrgenommenen Lautstärke. Man kann also sagen: Das neue Material ist etwa halb so laut." Ein großer Erfolg, aber die Arbeit an noch leiseren Flügeln - sie geht weiter.

Autor: Stefan Venator (HR)

Stand: 13.11.2015 13:32 Uhr

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