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Rettung aus der Seilbahn

Eine Fuerwehrauto steht unter den Gondeln
Ein seltener Anblick: Rettungseinsatz bei einer Seilbahn | Bild: dpa

Die gute Nachricht gleich vorweg: Die Seilbahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel. In den Jahren 2003 bis 2005 kam es etwa in Österreich zu insgesamt nur sieben Betriebsausfällen, bei denen Passagiere aus der Bahn geborgen werden mussten. Oder anders gerechnet: Im Schnitt muss einmal im Jahr nur einer von vier Millionen Fahrgästen gerettet werden. Das ist aber nur ein geringer Trost für die, die es trifft. Wie etwa die 43 Passagiere der Brauneck-Bahn bei Lenggries am 12. Januar 2010. Plötzlich stand die Seilbahn still und konnte nicht wieder angefahren werden. Bis zu drei Stunden mussten die Passagiere in schwindelnder Höhe ausharren, dann hatten Feuerwehr, Bergwacht und Polizei alle gerettet. Die Aktion war ein voller Erfolg, aber nur mit viel Glück, meint der Seilbahn-Experte der Bergwacht Bayern, Klaus Opperer. Am Unglückstag herrschte gutes Wetter mit wenig Wind und guter Sicht. Es konnten Hubschrauber eingesetzt werden – und vor allen Dingen: Die Besatzungen und die Retter von Bergwacht und Feuerwehr waren trainiert.

Komplizierte Rettungsaktion - schnell und sicher zugleich

Gondeln der Seilbahn in Brauneck
Jede Seilbahn ist anders | Bild: dpa

Dass Seilbahnen nur selten ausfallen, ist zwar gut. Für die Retter ist das aber auch ein Problem: Nicht alle "Bergwachtler" kennen sich mit Seilbahn-Evakuierungen aus, da sie im Rettungsalltag nur selten geübt werden. Wenn es dann aber passiert, muss es schnell gehen. Eine geschlossene Seilbahn sollte spätestens nach dreieinhalb Stunden, eine offene Sesselbahn nach zwei Stunden evakuiert sein. Das ist zumindest in Österreich Vorschrift und - vor allem bei Kälte - auch dringend nötig. Es drohen Unterkühlung und Erfrierungen.

Die Seilbahn-Evakuierung ist eines der kompliziertesten Rettungsmanöver in den Bergen, sagt Klaus Opperer, der auch für den TÜV Seilbahnen prüft. Viele Personen müssen miteinander arbeiten, viele verschiedene Handgriffe müssen schnell ablaufen, aber auch sicher sitzen. Und dann sind nicht alle Seilbahnen gleich gebaut, so dass nicht überall das gleiche Rettungsgerät funktioniert.

Die Seilfahrrolle

bergwachtler üben die Rettung aus einem Sessellift in einer Halle
In einer Halle wird die Evakuierung aus einem Sessellift geübt | Bild: BR

Grundsätzlich ist der Betreiber der Seilbahn für eine reibungslose Bergung verantwortlich. Aber meist hat er nicht genügend Personal, um eine vollbesetzte Bahn evakuieren zu können. Daher greift der Betreiber dann gerne auf die örtliche Bergwacht zu. In Bayern arbeiten insgesamt 2.500 Retter bei der Bergwacht - ehrenamtlich. Wenn möglich, werden die Passagiere mit Leitern aus den Gondeln oder Sesseln geholt. Das ist relativ einfach. Ist die Bahn jedoch zu hoch, wird als wichtigstes Rettungsgerät die Seilfahrrolle eingesetzt. Dabei klettern zwei Retter über einen Tragmast zum Seil der Bahn hinauf und legen eine Rolle auf das Seil. An diesem macht sich einer der Retter mit Sicherungskarabiner und -geschirr fest. Der andere lässt ihn an einem weiteren Seil, dem Zugseil, zu den Gondeln ab. Dort angekommen, seilt der Retter dann die Passagiere zum Boden ab. So weit, so gut.
Aber häufig überqueren Seilbahnen unwegsames Gelände und nicht alle Passagiere sind bergerfahren genug, um sich dort sicher bewegen zu können.

Rettung aus der Luft

Ein Rettungshelfer hängt an einem Helikopter
Due Luftrettung geht im Prinzip schneller, aber birgt viele Risiken | Bild: BR

Daher nehmen die Retter gerne Hubschrauber zu Hilfe. Die retten auch auf schwierigem Gelände und sind dazu noch schnell - aber zugleich auch komplizierter und damit gefährlicher. Denn der Hubschrauber muss niedrig fliegen, in den Bergen gibt es aber viele Hindernisse: eben die Berge, aber auch Hochspannungsmasten und das Seil der Seilbahn. Hinzu kommt noch das Risiko durch schnellen Wetterwechsel, damit plötzlich auftretende starke Winde und schlechte Sicht.

Und bei der Helikopter-Rettung sind mehrere Personen beteiligt. Der Pilot, der Windenoperator - also derjenige, der die Winde mit dem Rettungsseil bedient - und der Retter, der am Windenseil hängt und zu den Passagieren in den Gondeln abgelassen wird. Alle drei müssen gut miteinander kommunizieren, sonst wird es lebensgefährlich.

Der gefesselte Helikopter

Ein Mann wird zu einer Gondel abgeseilt
Für eine kurze Zeit ist der Helikopter während der Rettung "gefesselt" | Bild: bR

Der abgelassene Retter sichert sich am Seil der Seilbahn mit einem Karabiner, sobald er die Gondel erreicht hat. Zunächst hängt er aber auch noch gleichzeitig am Seil des Helikopters fest. Das heißt: In diesem Moment ist der Helikopter über den Retter an die Seilbahn "gefesselt", denn er hängt am Windenseil und zugleich an der Seilbahn. Ein sehr gefährlicher Moment. Wenn jetzt ein Windstoß den Hubschrauber erfasst, kann er nicht abdrehen, sondern hängt an der Seilbahn fest. Die kann der Hubschrauber so aus den Führungsrollen heben - oder aber der Hubschrauber kann abstürzen. Daher muss der Retter dem Windenoperator signalisieren, sobald er der Hubschrauber "gefesselt" hat. Der Windenoperator wiederum warnt per Funk den Piloten. Dieser ist jetzt bereit, das Windenseil jederzeit per Knopfdruck abzusprengen, falls nötig.

Die nötigen Zeichen, Warnungen und Handgriffe des Manövers "gefesselter Helikopter" müssen intensiv geübt werden - vor Ort ist das nicht einfach. Denn die Seilbahnen müssen dazu für die Wintersportler gesperrt und ein teurer Helikopter angeheuert werden. Und dann muss noch das Wetter passen.

Mit Helikopter und Seilbahn in die Halle

In einer Halle wird die Helikopterrettung geübt
Damit jeder Handgriff sitzt: Übung, Übung, Übung | Bild: BR

Um jederzeit - unabhängig von Wetter, von Hubschraubern und Seilbahnen - üben zu können, hat die Bayerische Bergwacht sich selbst eine Seilbahn gebaut: Sie hat zwei Gondeln und zwei Sessel, die wie "in echt" an Seilen hängen. Die Kabine eines Hubschraubers ist an einen Kran montiert. Fertig ist ein Simulator, mit dem die Mannschaften der Bergwacht laufend die Seilbahn-Evakuierung üben können.

Somit wird, von Übung zu Übung, eines der sichersten Verkehrsmittel noch sicherer. Und das nicht nur in den Bergen, sondern auch im Flachland. New York hat eine Seilbahn, Köln ebenso, und immer mehr Städte planen, einen Teil ihres Nahverkehrs mit den umweltfreundlichen Seilbahnen zu bewältigen. Sogar eine Stadt wie Koblenz mit nur etwas über 100.000 Einwohnern hat sich eine zur Bundesgartenschau geleistet - und die ist wegen technischer Pannen schon zweimal ausgefallen.

Autor: Jan Kerckhoff (BR)

Stand: 16.09.2015 13:58 Uhr

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