So., 27.03.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Roboter mit Fingerspitzengefühl
Die künstlichen Augen des iCub-Roboters fixieren den Plastikbecher, den sein menschlicher Partner ihm entgegen hält. Vorsichtig greift er danach. Seine Finger schließen sich behutsam um den Becher und heben ihn vorsichtig an. Und obwohl seine Hand aus gehärtetem Stahl ist, hinterlässt der Griff des Roboters auf dem dünnen Plastik nicht einmal einen Kratzer. Denn der iCub hat ein gefühlvolles Händchen für Aufgaben wie diese. Sensoren in seiner Handfläche und an den Fingerspitzen geben ihm einen empfindlichen Tastsinn.
Ein kindlicher Roboter
Entwickelt und gebaut wurde der iCub am Italian Institute of Technology (IIT) in Genua. Dass der knapp einen Meter große Roboter auf den ersten Blick an ein Kleinkind erinnert, ist kein Zufall. Die Idee hinter seiner Erschaffung war, eine wissenschaftliche Hypothese zu überprüfen: dass die Form des menschlichen Körpers Einfluss auf seine Wahrnehmung, sein Verständnis und sein Verhalten hat.
Zu diesem Zweck konstruierte man einen menschenähnlichen Roboter mit den Proportionen eines drei- bis vierjährigen Kindes. Durch menschenähnliche Sinne soll er seine Welt kennenlernen und sich in ihr zurechtfinden. Die Ingenieure des IIT gaben ihm künstliche Augen und Ohren und schrieben die nötige Software – damit das elektronische Gehirn des iCub auch verstehen und interpretieren kann, was er sieht und hört.
Jetzt erhält er ein weiteres Sinnesorgan: Haut.
Wozu ein Roboter eine Haut braucht
Die Möglichkeit, mit Gegenständen zu hantieren, ohne sie zu zerstören, ist nur der erste Schritt in dem am IIT verfolgten Programm. Mittelfristig soll nicht nur die Hand, sondern der gesamte Körper des iCub mit Haut bedeckt werden. Das würde dem Roboter nicht nur erlauben, sein Umfeld mit dem ganzen Körper wahrzunehmen, es gäbe ihm auch ein Gefühl für die äußere Begrenzung des eigenen Körpers.
Außerdem, so Lorenzo Natale aus dem Roboskin-Team, soll die Haut ein Kommunikationsmittel zwischen Roboter und Mensch werden, wenn die beiden in Zukunft nebeneinander agieren und arbeiten sollen. Ein leichter Druck am Unterarm etwa könne dem Roboter signalisieren, dass er mit einer bestimmten Aktion aufhören solle. Ein unabsichtliches Anrempeln sollte ihn dazu veranlassen, kurz innezuhalten, um sicher zu gehen, dass er seinen menschlichen Partner nicht verletzt.
Tastsinn aus dem Labor
Alles in allem kein leichtes Ziel, denn die menschliche Haut ist mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet: zum Ertasten und Analysieren von Oberflächen zum Beispiel, für Temperatur und Feuchtigkeit, für Schmerz als Warnsignal... All das muss in elektronische Schaltkreise übersetzt werden.
Basis der künstlichen Haut sind leicht verformbare Dreiecke, die jeweils zwölf kleine Drucksensoren – so genannte Taxel – tragen. Die Taxel sind Sensoren, wie sie in Touchscreens verarbeitet werden. Sie registrieren ob, wo und wie viel Druck an einer bestimmten Stelle ausgeübt wird. Kombiniert mit Sensoren, die Druckveränderungen messen, und mit Temperatursensoren erlauben sie dem iCub, Gegenstände und Oberflächen zu ertasten und zu identifizieren.
Eine Frage des Fingerspitzengefühls
Besonders kompliziert ist es, das Tastempfinden der menschlichen Fingerspitzen zu kopieren. Das Problem: Während die menschliche Fingerkuppe hunderte Sensoren enthält, sind beim Roboterfinger bautechnisch nur zwölf möglich. Wo ein Mensch Reize wahrnehmen kann, die nur einen einzigen Millimeter auseinander liegen, muss der Abstand für den iCub bei wenigstens fünf Millimeter liegen. Erst dann merkt er, dass es sich um zwei und nicht nur um einen Reiz handelt. Das aktuelle Ziel ist, diesen Mindestabstand auf zweieinhalb Millimeter zu verkürzen.
Bis zum Mai 2012 soll das Roboskin-Projekt laufen. Die Ergebnisse stehen dann auch anderen Forschungseinrichtungen zur Verfügung.
Autor: Thomas Wagner (NDR)
Stand: 17.04.2013 13:49 Uhr