So., 05.06.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Starkregen - eine ernste Gefahr
Es ist ein schöner Sommertag in Dortmund. Blauer Himmel, Temperaturen um die 28 Grad Celsius. Doch kurz nach Mittag braut sich etwas zusammen: Wolken verdunkeln die Sonne, steigen steil und bedrohlich in die Höhe. Und dann ist es, als würde der Himmel seine Schleusen öffnen. Unerbittlicher, heftiger Regen prasselt auf die Stadt herunter. In wenigen Stunden fällt doppelt so viel Regen wie sonst in einem ganzen Monat. Die Kanalisation quillt über, Straßen werden überflutet. Wohnungen und Keller laufen voll. Der Sachschaden geht in die Millionen. Nur mit Glück ertrinken keine Menschen.
Starkregen wird immer häufiger
Dieser Nachmittag des 26. Juli 2008 ist vielen noch in Erinnerung: nicht nur betroffenen Dortmundern, sondern auch Meteorologen, Klimaforschern, Hydrologen und Versicherern. Denn das Unwetter über der Stadt war ein extremes Beispiel für ein sogenanntes Starkregen-Ereignis, aber bei Weitem nicht das Einzige. Bonn-Mehlem, Lübeck, Zwickau - jeden Sommer trifft es eine oder mehrere Regionen in Deutschland.
Und Klimaforscher sind sich einig: Mit dem einsetzende Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit von Starkregen. Die Erklärung ist einfach: Je wärmer die Luft, desto mehr Wasserdampf kann sie speichern. Steigen nun die Temperaturen durch den Klimawandel, kann die wärmere Luft mehr Wasser in höhere Schichten transportieren. Heftigere Niederschläge scheinen also unausweichlich.
Projekt "Urbane Sturzfluten"
Grund genug für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, ein Projekt ins Leben zu rufen. Sein Name: "Urbane Sturzfluten". Ingenieure, Städtebauer und Meteorologen sollten Methoden entwickeln, mit denen Städte und Gemeinden besser gewappnet sind, wenn der große Regen kommt. Dabei gilt es, gleich mehrere Fragen zu beantworten: Kann man die Vorhersage verbessern und damit die Vorwarnzeit verlängern? Wie fließt das Wasser bei einem Starkregen durch die Stadt und wo sammelt es sich? Wie kann man bedrohte Häuser schützen?
Kaum vorherzusagen
Zu allererst würde eine zuverlässige Vorhersage helfen. Aber hier stehen die Meteorologen vor einem fast unlösbaren Problem. Denn Starkregenfälle sind räumlich meist sehr begrenzt. Es regnet dann also nur über einem kleinen Gebiet besonders heftig. Genau dieses Gebiet frühzeitig zu erkennen, ist für die Wetterexperten fast unmöglich. Sehr erfahrene Meteorologen können vielleicht nur eine oder zwei Stunden vorher warnen.
Flut in der Modellstadt
Also versuchen Experten zumindest vorauszusagen, welchen Weg die Wassermassen nehmen, wenn es regnet. Immer mehr Städte und Gemeinden geben inzwischen solche Untersuchungen in Auftrag. Ingenieurbüros bauen dann im Computer sehr genaue topographische Modelle dieser Städte - bis auf einen Meter genau. Jede Straße, jeden Garten, jedes Haus bauen sie ein. Anschließend simulieren sie den Starkregen.
Das Ergebnis: Die Experten wissen nun genau, wo das Wasser lang fließen wird. Generell können sie für etwa die Hälfte der Ortsbewohner Entwarnung geben. Selbst bei extremen Regen sind ihre Straßen und Häuser kaum gefährdet. Eine wichtige Erkenntnis.
Häuser schützen
Mit den Ergebnissen der Simulation können sich die Gemeinden auf den Schutz der bedrohten Viertel konzentrieren. So können sie versuchen, das Wasser weiter umzuleiten - etwa durch erhöhte Bordsteine. Klingt banal, ist aber höchst effektiv. Denn wenn das Wasser auf den Straßen bleibt, richtet es keinen Schaden in den Häusern an.
Eine weitere Möglichkeit ist der direkte Schutz der gefährdeten Häuser. Die Erhöhung von Fenstersimsen oder Türschwellen um wenige Zentimeter reichen oft schon aus, um Schutz zu bieten. Auf besonders gefährdeten Grundstücken können Versickerungsanlagen helfen, das Wasser schneller los zu werden. Und Rückstauklappen können verhindern, dass den Bewohnern die Brühe aus der Kanalisation entgegenkommt. Dank der detaillierten Analyse weiß man nun, bei welchen Häusern dies sinnvoll ist.
Genauso wichtig ist es, den Menschen in den gefährdeten Gebäuden nahe zu legen, nichts Wertvolles in ihren Kellern zu verstauen. Denn wo früher nur Kohle lagerte und Fahrräder überwinterten, sind heute nicht selten komplett eingerichtete Zimmer zu finden. Hoher Sachschaden ist so vorprogrammiert.
Dortmund will vorbereitet sein
Die Menschen in Dortmund hat es im Sommer 2008 kalt erwischt. Völlig unvorbereitet wurden sie von dem Unwetter überrascht. Doch die Verantwortlichen der Stadt haben reagiert. Sie wollen, dass ihre Stadt in Zukunft besser gerüstet ist. Und so gibt es jetzt mitten im Ruhrgebiet einen Überflutungsschutzbeauftragten. Weit weg von einem großen Fluss und weit weg vom Meer.
Autor: Silvio Wenzel (WDR)
Stand: 23.07.2015 13:33 Uhr