So., 09.01.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Zärtliche Muränen beim Paarungstanz
Ihr Biss ist giftig, sie sind nicht gerade hübsch anzusehen, ihre Zähne sind messerscharf und nadelspitz. Ihr Aussehen erinnert an Schlangen, sie lauern in Spalten und Ritzen des Riffs auf ihre Beute. Muränen eilt ein denkbar schlechter Ruf voraus. Sie gelten als aggressive Einzelgänger und angriffslustige Meeresmonster. Aber müssen sich Schwimmer und Taucher wirklich vor ihnen in Acht nehmen? W wie Wissen ist überzeugt, dass es über Muränen noch viel mehr zu erzählen gibt.
Auf der ganzen Welt zuhause
Obwohl bereits knapp 200 verschiedene Muränenarten bekannt sind, weiß man über ihre Lebensgewohnheiten noch recht wenig. Muränen leben in allen flachen warmen Meeren. Besonders häufig sind sie in den tropischen Korallenriffen vertreten. Ihr Körperbau ist an das Leben in Spalten und Ritzen angepasst: Im Gegensatz zu anderen Fischen haben sie keine Brust- und Bauchflossen. Die beeindruckenden Riesenmuränen können bis zu drei Meter lang und 70 Kilogramm schwer werden.
Giftiges Blut und Doppelkiefer
Aber auch kleineren Exemplaren will man als Taucher nicht unbedingt zu nahe kommen. Muränen zählen zur zoologischen Ordnung der Aalartigen. Diesen Fischen ist gemein, dass ihr Blut Proteine enthält, die für Menschen giftig sind: das sogenannte Aalgift. Es reizt die Schleimhäute, erzeugt Brechdurchfall und kann sogar Lähmungen auslösen. Erst bei Temperaturen über 75 Grad Celsius wird das Gift zerstört.
Die Atlantische Netzmuräne hat außerdem eine ziemlich furchterregende anatomische Besonderheit entwickelt: einen zusätzlichen Kiefer. Mit dieser speziellen Schluckhilfe halten sie ihre Beute fest und zerren sie regelrecht in den Schlund. Das macht sie zu erfolgreichen Jägern.
Clevere Nahrungsbeschaffer
Mit ihrem spitzen Gebiss können Muränen ihre Beute zwar gut festhalten, aber zum Schneiden sind sie nicht geeignet. Eine Muräne, die es auf den Arm eines Oktopus abgesehen hat, muss sich daher eine andere Technik einfallen lassen: Sie beißt sich in ihrem Opfer fest und dreht sich so lange um die eigene Achse, bis sie einen Bissen im Maul hat.
Manchmal machen es sich Muränen aber viel einfacher: Sie suchen Gebiete auf, in denen Netze von Fischfarmen gespannt sind und verharren am Meeresgrund darunter. Sie haben gelernt, dass hier immer wieder Fressbares für sie abfällt und lauern wie im Schlaraffenland darauf, dass ihnen etwas vors Maul sinkt.
Angriffe auf Taucher
So faszinierend die Tiere auch sind, immer wieder wird von Angriffen von Muränen auf Taucher berichtet. Doch diese Attacken sind fast immer vom Menschen selbst verschuldet. Oft verhalten sich Taucher rücksichtslos und scheuchen die schreckhaften Riffbewohner auf, die sich dann bedroht fühlen und angreifen. In einigen beliebten Tauchgebieten kommt noch hinzu, dass für Touristen Stachelrochen und andere Fische mit Ködern angelockt werden. Daran haben sich auch die Muränen gewöhnt – und greifen an, wenn sie mal nichts bekommen.
Wenn sich Taucher rücksichtsvoll verhalten und im Riff bewegen, zeigen sich auch Muränen von einer ganz anderen Seite. Wenn sie sich nicht in die Enge getrieben oder belästigt fühlen, sind sie ruhige Meeresbewohner. Und wer viel Geduld und Glück hat, kann vielleicht sogar mal einen Paarungstanz beobachten und sehen: Muränen haben auch eine verblüffend gesellige, fast zärtliche Seite und sind viel mehr als angriffslustige Meeresmonster.
Autorin: Amanda Mock (WDR)
Stand: 11.05.2012 13:06 Uhr