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Der Wels – ein sprechender Riesenfisch

Ein Taucher mit einem Wels
Welse werden angeblich drei Meter lang | Bild: BR

Schönes Wetter am Badesee. Doch die hohen Temperaturen aktivieren nicht nur die Sonnenanbeter: Wenn es warm wird, erwacht in der Tiefe ein unheimliches Wesen. Der Wels ist mit fast drei Metern Länge der größte Süßwasserfisch Europas. Ein Riese im See – das löst Angst aus. Siluris Glanis, der europäische Wels, Waller oder Flusswels, breitet sich in ganz Europa aus. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Welse vorwiegend nacht- und dämmerungsaktive Raubfische sind, die sich von lebenden und toten Fischen, aber auch von Wirbellosen und gelegentlich von kleinen Wasservögeln und Säugetieren ernähren. Ihre Aktivität ist im Jahresverlauf stark von der Temperatur und der Verfügbarkeit von Beutetieren abhängig.

Laut Boulevardpresse ist der Wels aber inzwischen zum gefährlichen Monster mutiert: "Wels frisst Dackel", "Wels beißt Buben", "Wels wirft Boote um". So überschlagen sich die Meldungen. Angeblich wurden sogar schon Leichenteile in den Mägen gefangener Tiere gefunden. Was ist dran an diesen Horrormeldungen?

Auf der Suche nach Welsen

Ein goldener Wels
Der Goldene Wels - eine Laune der Natur | Bild: BR

Wenn über Welsangriffe berichtet wird, ist Knut Eichstaedt sofort am "Tatort". Dann hofft der Biologe, einen Giganten aufzuspüren. An Monstergeschichten glaubt er nicht. Den Biologen interessiert Verhalten und Fortpflanzung des Fisches. Denn Welse breiten sich immer weiter aus und werden immer größer und dafür möchte Knut die Gründe wissen. Die Boulevardmeldungen helfen ihm. Auf gut Glück hätte er keine Chance. Denn große Tiere sind nur schwer aufzuspüren. Sie leben in tiefem schlammigem Wasser. Der angebliche "Killer" ist über zwei Meter lang.

Keine Konkurrenz für den Hecht

Ein Hecht
Hechte werden angeblich vom Wels verdrängt | Bild: BR

Lange wurde befürchtet, dass der aus dem Donauraum eingewanderte oder eingesetzte Raubfisch heimische Konkurrenten wie den Hecht verdrängt und alle Nutzfische verschlingt. Doch das hat sich nicht bewahrheitet. Knut Eichstaedt vermutet: Große Waller fressen ähnlich wie Krokodile, also in kühlen Monaten kaum. Die Jagdstrategie ist allerdings sehr effekiv. "Der Waller ist deswegen ein so erfolgreicher Räuber, weil er eine ganz bestimmte Taktik entwickelt hat im Verlauf der Evolution. Und zwar hat er ein sehr großes Maul. Und er liegt auf der Lauer und dann kommen die Fische in seine Nähe und er reißt das Maul auf und dann wird alles was vor seinem Maul ist durch den Unterdruck eingesogen und er verschlingt es dann."

Ein Ort, wo Knut Eichstädt häufig fündig wird, sind Kühlwasserausläufe von Kernkraftwerken. Denn hier ist das Wasser bis zu 3 Grad wärmer, und warmes Wasser heißt schnelleres Wachstum - auch für die Futterfische der Welse wie die Barben und andere Weißfische. Knut Eichstädt ist überzeugt: Drei Meter Welse sind möglich – dazu wird auch die durch den Menschen verursachte Klimaerwärmung beitragen. Denn die Art wächst ein Leben lang. Aggressiv hat er die Riesen aber nie erlebt.

Geräusche aus der Tiefe

Ein Wels
Welse wachsen ihr Leben lang | Bild: BR

Mehr als einmal hat der Biologe unter Wasser in der Nähe von Welsen seltsame Geräusche gehört. Grund für einen Bootsausflug. Mit einem Unterwassermikrofon versucht der 43-Jährige rund um die ihm bekannten "Welslöcher" der Sache auf den Grund zu gehen. Knut geht davon aus, dass die Tiere diese Geräusche mit beweglichen Knochen im Kopf oder mit der Schwimmblase erzeugen. "Wir sind eigentlich ziemlich sicher: Dieses Bellen hat etwas mit Kommunikation zu tun. Das heißt die wollen sich miteinander verständigen. Denn wir haben festgestellt, gerade wenn es kalt ist, finden die sich sehr oft zusammen. Wir haben Löcher, da sind ganz viele Welse drin. – dicht an dicht. Dagegen wenn es warm ist finden wir die Tiere als Einzelgänger." Der Wels kann offenbar kommunizieren.

Rekordverdächtige Entwicklung

Ein Wels schlüpft aus seinem Ei
Nach zwei Tagen schlüft der Wels | Bild: BR

Je mehr Knut Eichstaedt über das Tier in Erfahrung bringt, desto klarer wird, dass dessen Siegeszug viele Gründe hat. Entscheidend ist dabei die Fortpflanzung. Ein Welsweibchen legt beim Laichen bis zu eine halben Million Eier ab, die bewacht und mit Frischwasser befächelt werden. Unter guten Bedingungen schlüpfen die Tiere innerhalb von nur 48 Stunden nach der Eiablage – für Knut Eichstaedt eine rekordverdächtige Kombination. Denn je schneller die Winzlinge selbstständig ins geschützte Schilf verschwinden können, desto mehr überleben. Nach zehn Tagen ist der Dottersack aufgebraucht. Jetzt müssen sich die kleinen Welse selbst um Fressbares kümmern. Der typische Körperbau ist sofort erkennbar. Das riesige Maul und der dehnbare Bauch macht es schon den Kleinen mögliche, große Beutestücke zu vertilgen. So wachsen Welse allein im ersten Jahr bis zu 40 Zentimeter und werden mehr als ein Kilo schwer. 80 Jahre, schätzt der Biologe können Welse werden.

Er weiß: menschliche Überreste in Welsmägen sind Märchen. Die einzige Theorie dazu, die möglich erscheint: Selbstmörder oder zerstückelte Mordopfer die langsam unter Wasser verwesen und dann von den Tieren gefressen werden. Und auch nur in extremen Ausnahmefällen kann ein kleiner Hund zur Beute werden. Knut Eichstädt hat nie Angst gehabt wenn er einem riesigen Wels begegnet ist. Und das brauchen auch Badegäste nicht zu haben.

Mehr über Welse

Verbreitung der Welse

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Welses erstreckt sich von der Elbe und dem Doubs in Ostfrankreich über Südschweden, Ost- und Südosteuropa (mit Ausnahme der Mittelmeerküste) und der Türkei bis nach Afghanistan. Im Flusssystem des Rheins kommt er natürlich bis etwa Strassburg vor. Subfossile Funde weisen allerdings darauf hin, dass die Art ehemals auch weiter nördlich im Rhein und seinen Nebenflüssen bis zur Mündung in die Nordsee vorkam. Ein mögliches Überbleibsel dieser früheren Verbreitung stellt die Population im Haarlemmermeer in den Niederlanden dar. Vom Menschen wurde die Art als Aquakultur- und Sportfisch auch außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets ausgesetzt, so in Spanien, Italien und Kasachstan. In den Beneluxstaaten und in Frankreich wurde sie erfolgreich wieder angesiedelt, auch in Gebieten, in denen sie nicht nachweisbar war, so in Frankreich ab 1857 im Gebiet der Rhone. Im Süden Großbritanniens wurden Welse ab 1880 in Seen ausgesetzt, die Besiedlung größerer Flüssen gelang allerdings kaum, wahrscheinlich auf Grund klimatischer Bedingungen. In Südfinnland und möglicherweise auch in Dänemark wurden die ausgewilderten Bestände wieder ausgerottet. In einigen Regionen, in denen der Wels ursprünglich nicht vorkam, wird er heute als Schädling angesehen, da er die einheimischen Fischbestände bedroht.

SRPECHENDE WELSE

Entgegen des Sprichwortes "stumm wie ein Fisch" und der Annahme vieler Menschen, sind die faszinierenden Unterwasserbewohner alles andere als leise. Die Welt unter Wasser ist voller Geräusche: Fische haben nicht nur ein feines Gehör, sie geben auch selbst Laute von sich, um sich zu verständigen, gegenseitig abzuschrecken oder zu drohen. Doch sie sind an die Lebensbedingungen unter Wasser angepasst und besitzen - anders als wir Menschen und viele Tierarten - keine Stimmbänder und keinen Kehlkopf. Wie also erzeugen sie die Geräusche unter Wasser? Da die Akustik unter und über Wasser anders ist, sind Geräusche, die unter Wasser erzeugt werden, oft nicht an der Oberfläche zu hören. Dabei liegen die Laute der meisten Fische in einem Frequenzbereich von etwa 400 bis 800 Hertz - dies sind Schallwellen, die auch für das menschliche Ohr hörbar sind. Raubfische erzeugen oft auch Infraschall-Laute - also sehr niedrige Frequenzen, die für den Menschen nicht mehr wahrnehmbar sind, oder Ultraschall - Töne oberhalb der menschlichen Hörschwelle. Mit Themen wie diesen beschäftigt sich die Hydro-Bioakustik. Mittels eines Hydrophons, eines Unterwasser-Mikrophons, nehmen Meeresbiologen die Geräusche unter der Oberfläche wahr. Das Gerät wandelt den Wasserschall in eine elektrische Spannung um, die dem Schalldruck entspricht. Die geheimnisvolle Unterwasserwelt, die uns so "beruhigend" und "still" erscheint, ist nämlich alles andere als leise...

Literatur

Olivier Portrat
Geheimnisvolle Giganten
Jahr Top Spezial, 1998
183 Seiten

Autor: Florian Guthknecht (BR)

Stand: 16.09.2015 14:02 Uhr

Sendetermin

So., 09.01.11 | 17:03 Uhr
Das Erste

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