So., 01.04.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Blutiger Nashorn-Krieg
Angst um deutsche Zoo-Nashörner
Eine gut organisierte Diebesbande sucht naturgeschichtliche Museen in ganz Europa heim. Die Diebe haben es auf Hörner von dort ausgestellten, präparierten Nashörnern abgesehen. Bereits 56 Mal haben sie zugeschlagen, auch in Deutschland. Gleichzeitig hat in der afrikanischen Heimat der Dickhäuter die Wilderei einen traurigen Höchststand erreicht. Das skrupellose Geschäft mit den Hörnern ist so gut organisiert, dass europäische Zoos und Tierparks jetzt um die Sicherheit ihrer lebenden Nashörner fürchten.
Die Diebe kommen am helllichten Tag. Zwei Männer betreten im Juni 2011 das Jagdmuseum Wulff im niedersächsischen Oerrel. Es ist das größte Museum seiner Art in ganz Europa, ein Haus voller Jagdtrophäen. Die beiden Männer sind an diesem Tag die einzigen Besucher. Wie alle Besucher lösen sie zunächst eine Eintrittskarte. Doch sie sind nur an einem Exponat des Museums interessiert: Dem präparierten Kopf eines Spitzmaulsnashorns. Während der eine Mann die beiden Hörner von der Trophäe bricht, hält der andere die Kassiererin in Schach. Dann fliehen die beiden Verbrecher mit der wertvollen Beute. Bisher fehlt von den Dieben und den Hörnern jede Spur.
Museumsdiebe in ganz Europa
Ähnlich abgebrüht gehen Diebe in ganz Europa vor. Europol zählte 56 Diebstähle allein im Jahr 2011 - in Museen von Spanien bis Dänemark. Die Profite, die Nashornschmuggler erzielen können, sind enorm. "Je nach Größe wird so ein Nashorn zwischen 60.000 und 100.000 Euro auf dem Schwarzmarkt einbringen", weiß Theo Pagel, Direktor des Kölner Zoos. "Das heißt, die Versuchung, sich an diesen illegalen Geschäften zu beteiligen, ist natürlich immens." Der Kölner Zoo besitzt selbst drei Nashornhörner. Früher dienten sie als Anschauungsstücke für Schulklassen. Jetzt lagert Zoodirektor Theo Pagel sie lieber im Panzerschrank. Demnächst sollen sie sogar in ein Bankschließfach - aus Angst, die Nashornbande könnte auch in Köln zuschlagen.
Organisierte Wilderei
Das Geschäft mit den Hörnern ist im vergangenen Jahr regelrecht explodiert. In der afrikanischen Heimat der Dickhäuter wurden so viele Tiere gewildert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. 448 Nashörner wurden 2011 allein in Südafrika von Wilderern erschossen. Darunter auch 19 Spitzmaulnashörner, die vom Aussterben bedroht sind. Die Wilderer sind gut organisiert: Oft nutzen sie Hubschrauber, um in den riesigen Reservaten und auf privaten Farmen schnell ihre Beute zu machen. Sie erlegen die Tiere aus der Luft und schneiden ihnen dann die Hörner ab. Wildhüter sind machtlos dagegen.
Nachfrage in Südostasien
Gefragt sind die Hörner vor allem in Südostasien. Sie werden zerrieben, das Pulver zu Mittelchen verarbeitet, die die Potenz steigern sollen. In Vietnam kursieren gar Geschichten, wonach das Nashorn Menschen von Krebs geheilt haben soll. Solche Gerüchte heizen den Handel mit Nashörnern immer weiter an. In den vergangenen zwei Jahrzenten hatten Schutzmaßnahmen die Wilderei etwas eingedämmt. Doch die Nachfrage ist seit zwei Jahren wieder stark angewachsen.
Besonders in Vietnam, wo ein neuer Wohlstand entsteht, floriert das Geschäft mit den Nashornpillen. Bis zu 50 Euro pro Gramm sind reiche Vietnamesen bereit, für das angebliche Wundermittel zu zahlen. Doch alle wissenschaftlichen Studien zeigen: Eine heilende Wirkung hat das Nashorn definitiv nicht. Das ist keine große Überraschung, besteht das Horn doch aus Keratin, demselben Stoff wie menschliche Haare und Fingernägel.
Serengeti-Park im Visier
Fabrizio Sepe, Parkleiter des Serengeti-Parks Hodenhagen, findet es absurd, dass Nashörner dafür sterben müssen. Der Park züchtet seit 40 Jahren Breitmaulnashörner. Der Parkleiter bekam einen Anruf von Europol. In Portugal waren Museumsdiebe verhaftet worden. Bei ihnen fand die Polizei eine Liste möglicher Ziele, auf der auch der Safari-Park stand. Ein möglicher Grund, warum der Park ins Fadenkreuz der Verbrecher geriet: Er liegt einsam mitten in der Lüneburger Heide. Sepe nahm die Warnung ernst und investierte in die Sicherheit seiner Tiere: Er ließ die Stahltüren des Nashornstalls verstärken und Infrarotkameras einbauen. Eine Alarmanlage ist ständig mit der nächsten Polizeistelle verbunden. Wenn sich die Tiere auf dem riesigen Außengelände austoben, fahren Mitarbeiter verstärkt Streife. Um einen Diebstahl komplett wertlos zu machen und Einbrecher so abzuschrecken, behandelte die Tierärztin des Parks die Hörner mit einem für den Menschen giftigen Insektizid. Warnschilder warnen vor den vergifteten Hörnern.
Deutsche Zoos sind gewarnt
Auch der Kölner Zoo hat seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Der zoologische Garten hält momentan ein Spitzmaulnashorn, den Bullen Taco. Das Tier ist Teil eines europäischen Zuchtprogramms, welches das Überleben der vom Aussterben bedrohten Art sichern soll. Die Leiter des Programms ermahnten alle beteiligten Zoos, die Gefahr durch Wilderei nicht zu unterschätzen. Und obwohl der Kölner Zoo nicht einsam auf der grünen Wiese, sondern mitten in einer Millionenstadt liegt, hat auch Zoodirektor Theo Pagel bei der Sicherheit nachrüsten lassen. Das alte Elefantenhaus, in dem Taco lebt, wird jetzt von drei Videokameras ständig überwacht. Der Sicherheitsdienst des Zoos läuft verstärkt Streife.
Wilderei geht weiter
Unterdessen geht die skrupellose Jagd auf die südafrikanischen Nashörner ungebremst weiter. Tierschützer und Besitzer privater Farmen reagieren mit immer verzweifelteren Maßnahmen, um ihre Tiere vor den Wilderern zu schützen. Die Naturschutzorganisationen Global Nature Fund und Wildland Conservation Trust statten die gesamte Nashornpopulation einer Region im Nordosten Südafrikas mit Satellitensendern aus. Die GPS-Sender werden in den Hörnern der Tiere versteckt. So sollen die Tiere 24 Stunden am Tag live überwacht und Wilderer abgeschreckt werden. Andere Tierschützer greifen zu noch viel drastischeren Maßnahmen. Sie entfernen einfach die begehrten Hörner der Tiere. Den Nashörnern schadet das nicht. Für Safaritouristen sind solche Tiere allerdings weniger attraktiv, ihr Wert für die Besitzer der Safarifarmen sinkt mit der Maßnahme drastisch. Doch gegen die organisierten Nashornwilderer weiß man sich in Südafrika oft nicht mehr anders zu helfen.
Autor: Frank Nischk (WDR)
Stand: 07.08.2013 09:19 Uhr