So., 01.04.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Born to be wild - vom Zoo in die Natur
Zuchterfolg durch gute Haltung
Zoonachwuchs ist beliebt, denn er ist putzig und die Tier-Kinderstube einfach nur zum Hinschauen. Genauso wie Familie Zwergotter im Zoo von Frankfurt. Aber die Tiere sind für Stefan Stadler mehr als nur schön anzuschauen, sie sind Beweis für den Erfolg seines Hauses. Denn der Zoo-Biologe arbeitet für das Europäische Erhaltungszuchtprogramm. "Das ist im Zoo immer ein gutes Zeichen, wenn die Tiere sich fortpflanzen, dann ist meistens auch die Haltung ganz brauchbar. Aber es geht natürlich weiter, in einigen Fällen ist es auch so, dass wir bei manchen Arten tatsächlich auch Tiere brauchen für die Wiederauswilderung."
Löwenäffchen und Socorro-Taube
Zum Beispiel die in der Natur bedrohten Löwenäffchen. Hier im Zoo werden sie seit Jahren gezüchtet und in ihrer Heimat Südostbrasilien erfolgreich ausgesiedelt. Ein Sorgenkind unter seinen Schützlingen befindet sich hinter einer unscheinbaren Tür außerhalb des Schaubereichs des Zoos, eine Tierart, die in Natur bereits ausgestorben ist und nur im Zoo überlebt hat: Die mexikanische Socorrotaube. Stefan Stadler will mit einem männlichen Tier züchten, damit die Art erhalten bleibt und bald wieder ausgesiedelt werden kann. "Es ist ganz dringend, dass wir wieder Jungvögel bekommen, sodass die Population wächst und am Leben bleibt. Für die Auswilderung müssen dann ausreichend Tiere zur Verfügung stehen", sagt Stefan Stadler.
Auf der Insel Socorro wurde die Taubenart ausgerottet, da Schafzucht großflächig die Vegetation verändert hatte und Katzen eingeschleppt wurden. Eine Wiedersausiedlungsstation steht schon bereit, doch noch fehlt es an Tauben. Der Zoo-Biologe hat daher eine schwierige Aufgabe. Als Zuchtkoordinator muss er für Nachwuchs sorgen. Dabei muss er Inzucht unter den wenigen noch lebenden Tauben vermeiden, indem er männliche Tiere eines Zoos mit weiblichen Tieren aus einem anderen Zoo zusammenbringt: "Das Problem ist einfach, dass wir nicht sehr viele Individuen haben. Wir haben zwischen 50 und 100 Vögel hier in Europa und müssen jetzt genau hingucken, dass wir die so miteinander verpaaren, dass möglichst viel von der genetischen Substanz erhalten bleibt."
Zu diesem Zweck ist eine weibliche Socorro-Taube aus einem tschechischen Zoo in Frankfurt angekommen. Sie soll mit dem Frankfurter Tauber Hochzeit halten. Dafür muss sie untersucht werden, denn sie könnte Krankheitserreger übertragen. Außerdem wird geprüft, ob sie fit genug ist für die geplante Verpaarung. Und ein Bluttest soll zeigen, ob ihr Erbgut zu dem des Taubers passt. Ein großer Aufwand, für den Erhalt und die Auswilderung einer einfachen Taube. Doch die Arbeit dient vor allem dem Schutz des Lebensraumes. "Das ist das wichtige an so einem Projekt", so Stadler "die Taube ist dann als PR-Partner, als 'Flaggschiffart' wie wir das häufig nennen Aushängeschild für so ein Projekt, aber nicht alleiniges Ziel der Bemühungen."
Gewaltiger Vogel: Der Bartgeier
Der Inhalt jener schweren Transportkisten, die vor ein paar Jahren Träger in den Alpen in die Höhe brachten, ist dagegen alleiniges Ziel der Bemühungen, denn sein Lebensraum ist mehr oder minder intakt, doch durch Wilderei wurde er ausgerottet. Die Rede ist vom Bartgeier. Unterstützt von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und dem Know-How von Wissenschaftlern wie Stefan Stadler konnten die riesigen Alpenvögel wieder angesiedelt werden. Jungvögel, die im Zoo aufgewachsen sind, können nun ihr Leben in Freiheit verbringen.
Doch es geht um mehr als freilebende Bartgeier in den Alpen. Die Wissenschaftler planen eine Zusammenführung der Bartgeier-Gruppen in ganz Europa. "Ziel ist, dass wir die Population in den Alpen mit der noch existierenden in Spanien verbinden können", sagt der Biologe. Und der Kollege Michael Brombacher der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt pflichtet bei: "Man sieht eigentlich ganz schön, dass die Chancen groß sind, dass es die Population in den Alpen mal schaffen kann sich mit der bestehenden Population in den Pyrenäen zu verbinden."
Vom Zoo in die Natur
"Das ist eine gewaltige Erfolgsstory. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Bartgeier im Freiland komplett ausgerottet waren, also - in den Alpen muss man dazu sagen, nicht der Bartgeier als Art - und es ist gelungen mithilfe dieser Kooperation zwischen Erhaltungszucht und Wiederauswilderungsprogrammen die Art in den Alpen zu etablieren", sagt Stefan Stadler. Doch erfolgreiche Erhaltungszucht betrifft nicht nur diese Prachtvögel. Auch so bodenständige Tiere wie eine Sumpfschildkröte profitieren von der Wiederaussiedlungsarbeit. Nicht weit vom Zoo Frankfurt entfernt liegt ihr natürlicher Lebensraum. Doch Sumpfschildkröten sind extrem bedroht. Daher werden sie bei der Wiederaussiedelung mit Sendern versehen. So kann ihr Verhalten studiert und spezielle Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Eine Art, die vor unserer Haustür lebt und uns zeigt, dass Zootiere heute weit mehr sind als bloße Schauobjekte. "Man darf aber daraus nicht den Schluss ziehen, dass die Zoos in der Lage wären, im Sinne einer Arche Noah, das ganze Tierreich zu retten und dafür zu sorgen, dass die Arten nicht mehr aussterben", warnt Stadler. "Das sind Dimensionen, da kann der Zoo nicht viel bewegen, da werden ganz andere Kräfte wirksam sein müssen." So erfolgreich die Erhaltungszüchtung auch sein mag, Wiederaussiedlung hat nur dann eine Chance, wenn der natürliche Lebensraum der Tierkinder intakt ist - sonst wird der Zoo zu einer Arche Noah, in der ihre Bewohner für immer leben müssen.
Autor: Axel Wagner (SWR)
Stand: 07.08.2013 09:14 Uhr