So., 11.03.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Die Selbstversorger-Kommune
Eigenes Stromnetz
Über 200 energieautarke Kommunen gibt es inzwischen in Deutschland. Mit Windrädern, Photovoltaik oder Biogas-Anlagen erzeugen sie mindestens so viel Strom und Heizwärme, wie sie selbst benötigen. Der Strom wird allerdings nicht direkt zu den Haushalten geleitet, sondern ins allgemeine Netz eingespeist. Dafür erhalten die Kommunen eine staatlich festgelegte Einspeisevergütung.
Treuenbrietzen-Feldheim, eine kleine Gemeinde südwestlich von Berlin, lehrt den großen Energiekonzernen nun das Fürchten. Denn der Ort erzeugt nicht nur den Strom und die Heizwärme, die er benötigt, selbst. Die Bewohner haben auch noch ihr eigenes Strom- und Wärmenetz gebaut. Damit sind sie, als erste Kommune Deutschlands, komplett unabhängig von den großen Energiekonzernen.
Der Energiepark
43 Windräder bilden das Rückgrat der Stromversorgung. Im Normalfall können sie die Bewohner und drei Betriebe Feldheims problemlos versorgen. Sollten doch einmal alle Räder stillstehen, wird die Biogasanlage des lokalen Bauernhofs zugeschaltet. Normalerweise erzeugt diese aus Gülle, Mais und Getreideschrot Heizwärme für die Bewohner Feldheims. Bei Bedarf kann sie aber auch problemlos auf Stromerzeugung umgeschaltet werden. Eine Holzhackschnitzelheizung ergänzt den Energiepark – wenn es einmal besonders kalt ist. Außerdem gibt es einen Solarpark, der am Rande des Ortes errichtet wurde.
Die Feldheimer verbrauchen normalerweise nicht einmal fünf Prozent des Stroms, den sie erzeugen. Die überschüssige Energie wird deshalb verkauft und ins Stromnetz eingespeist. In einer eigenen Leitzentrale werden die Stromflüsse aller Kraftwerke Feldheims koordiniert. Zudem sind die Wind- und Solaranlagen des regionalen Netzes eingebunden.
Gemeinsam ans Ziel
Bis in die 1990er-Jahre war Feldheim ein verschlafenes Dörfchen wie zahllose andere. In den vergangenen 500 Jahren war außer einer überlieferten Stippvisite Martin Luthers und einem Gastspiel Karel Gotts nicht allzu viel passiert. Anfang der 1990er-Jahre verschlug es dann den damaligen Studenten Michael Raschemann in den Ort. Er hatte gehört, dass hier in früheren Zeiten eine Windmühle stand. Seine Schlussfolgerung: Dann müsste hier auch heute noch Wind wehen. Raschemann bekam die Erlaubnis, auf den Äckern der örtlichen Agrargenossenschaft vier Windräder aufzustellen. Nach und nach kamen immer mehr dazu, bis schließlich der Windpark und die anderen Energieanlagen standen. Schließlich entstand die Idee, auch noch das Stromnetz zu kaufen. Doch der damalige Netzbetreiber stellte sich quer. Kurzerhand beschlossen Raschemanns Unternehmen Energiequelle GmbH und die Bewohner Feldheims, ihr eigenes Netz zu bauen. Die Bewohner gründeten eine Gesellschaft, in die jeder 3.000 Euro Einlage einzahlte. Der Rest wurde über Kredite und Fördermittel aus Brüssel finanziert.
Ökologie und Ökonomie
Die Bewohner überzeugte vor allem der ökonomische Aspekt. Für ihre Einlage bekamen sie einen neuen Strom- und Wärmeanschluss. Der Strompreis wurde für zehn Jahre festgeschrieben: 16,6, Cent/kWh. Das ist rund 25 Prozent günstiger als bei lokalen Konkurrenten. Danach wird der Feldheimer Strom sogar noch billiger, weil Kredite auslaufen. Die Feldheimer profitieren nicht nur von günstigen Energiepreisen. Das Unternehmen Energiequelle GmbH errichtete in dem Ort auch eine Fabrik für Solaranlagen und schuf zwanzig Arbeitsplätze. Mit den dadurch verbundenen Steuereinnahmen wurde ein neuer Sportplatz samt Flutlicht gebaut und die Straßen erneuert. Durch die Verpachtung ihrer Grundstücke für die Windkraftanlagen können mehrere Familien außerdem zusätzliches Einkommen generieren.
Besucheransturm seit Fukushima
Inzwischen ist Treuenbrietzen-Feldheim weit über die Region hinaus bekannt. Mehrere Tausend Interessierte besuchen jährlich den abgelegenen Ort, nicht nur aus Deutschland, sogar aus Chile, Sansibar - und Japan. Seit dem Reaktorunglück von Fukushima gibt es dort ein gestiegenes Interesse an alternativen Energiequellen. Feldheim zeigt, dass es funktioniert. Man muss nur wollen - und nicht darauf warten, dass Politik oder die großen Konzerne vorangehen.
Autor: Peter Podjavorsek (SWR)
Stand: 12.08.2015 13:23 Uhr