So., 08.07.12 | 17:00 Uhr
Entspannung auf der Couch
Wie erholsam ist ein Abend vor dem Fernseher?
Ab auf die Couch, Glotze an, sich berieseln lassen. Nach einem langen Arbeitstag ist das oft die erste Wahl. Im Schnitt verbringt der Deutsche abends eineinhalb Stunden vor dem Fernseher. Viele Zuschauer schalten dabei gezielt bestimmte Sendungen ein. Aber 60 Prozent zappen auch mindestens einmal pro Woche nur herum. Im Schnitt wird 22 Mal umgeschaltet. Oft wird aus dem "gemütlichen Fernsehabend" also eher ein "stumpfes Glotzen". Können sich Körper und Geist dabei trotzdem erholen, was ja das Ziel am Feierabend ist? Das hat das [W]-wie-Wissen-Team getestet.
Die Kriterien für gute Erholung
Die Arbeitspsychologin Carmen Binnewies, Professorin an der Universität Münster, erforscht, wie man sich von Arbeitsstress erholt und die sogenannte Work-Life-Balance herstellt. Ausgangspunkt für eine große Studie waren vier Faktoren für eine erholsame Aktivität, die bereits die renommierte Arbeitspsychologin Sabine Sonnentag ausgemacht hatte:
- "Abschalten von der Arbeit"
- "Erleben von Entspannung"
- "Erfahrung von selbstbestimmter Freizeitgestaltung"
- "Erleben herausfordernder Tätigkeiten"
Bei dieser Studie im Raum Bodensee mit über 200 Probanden haben Carmen Binnewies und ihr Team untersucht, wie gut man sich bei unterschiedlichen Feierabendaktivtäten erholt und wie sich die Abendgestaltung auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag auswirken. Die Teilnehmer füllten eine Woche lang jeden Tag an drei verschiedenen Zeitpunkten Fragebögen aus. Die Forscher hielten das Wohlbefinden direkt nach der Arbeit, kurz vor dem Schlafengehen und nach dem Aufstehen fest und konnten so beurteilen, welchen Einfluss der Feierabend auf die gefühlte Erholung hatte.
Gute Erholung ist individuell
Die Arbeitspsychologen fanden einen klaren Zusammenhang: Je besser die von Sonnentag identifizierten Erholungsmerkmale erfüllt sind, desto höher war das Wohlbefinden am nächsten Morgen. Wer abends gut von der Arbeit abschalten kann, entspannt ist, Herausforderungen erlebt und über seine Freizeit selbst bestimmen kann, ist morgens besser erholt. In weiteren Studien wurde außerdem festgestellt, dass das Pflegen sozialer Kontakte auch zur Erholung beitragen kann.
Die wichtigste Erkenntnis der Arbeitspsychologen: Die Feierabendaktivität selbst ist nicht entscheidend, sondern wie sie erlebt wird. Das heißt, während sich der eine zum Beispiel beim Sport bestens entspannt, kann das für den nächsten ganz anders aussehen. Es gibt nicht die eine ideale Feierabendaktivität. Vielmehr gilt es herauszufinden, wo und wie man persönlich die beste Erholung erfährt. Wer schon im Berufsalltag den ganzen Tag mit vielen Menschen zu tun hat, kann es als erholsamer empfinden, abends alleine vor dem Fernseher zu sitzen, als mit Freunden zum Sport zu gehen.
Gute Erholung ist nicht nur wichtig für das persönliche Wohlbefinden, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf den Arbeitsalltag: Menschen, die morgens gut erholt sind, sind leistungsfähiger, gehen Probleme aktiver an und sind hilfsbereiter ihren Kollegen gegenüber.
Erholung kann man lernen
Die gute Nachricht: Die Forschungsergebnisse von Carmen Binnewies und ihren Kollegen lassen sich in handfeste Alltagstipps zur besseren täglichen Erholung verpacken. In einem weiteren Forschungsprojekt konnten die Arbeitspsychologen 2011 zeigen, dass ein Training, in dem diese Tipps vermittelt werden, die Erholungsfähigkeit der Teilnehmer steigert. Sie lernten, besser von der Arbeit abzuschalten und mehr Entspannung, Herausforderung und Selbstbestimmung in ihrer Freizeit zu erfahren. Und das hatte direkte Auswirkungen: Die Teilnehmer fühlten sich nicht mehr so gestresst und schliefen besser.
Die Tipps der Erholungsforscher lassen sich auf alle Freizeitaktivitäten anwenden, auch auf den Fernsehabend - wenn man ihn mit möglichst vielen Erholungsmerkmalen bestückt: Man sollte das Programm so gestalten, dass man gut entspannen und von der Arbeit abschalten kann. Selbstbestimmung lässt sich erfahren, indem man einen Film auf DVD schaut - und zur Herausforderung sogar in Originalsprache. Wer mag, lädt Freunde an und genießt den Abend in netter Gesellschaft. Hauptsache man ist hinterher gut erholt!
Autoren: Amanda Mock, Krischan Dietmaier (WDR)
Stand: 07.11.2012 20:42 Uhr