SENDETERMIN So., 18.03.12 | 17:00 Uhr | Das Erste

Hechthochzeit und Krötenbalz

Überleben im Winter

Ein Edelkrebs mit einem toten Fisch
Edelkrebse sind die Unterwassermüllabfuhr im See. | Bild: BR/Sigi Braun

Winter im See ist für die Unterwasser-Bewohner eine harte Zeit. Wasserpflanzen lassen ihre Triebe absterben und überwintern geschützt im Boden. "Bodenfrost" gibt es im See so gut wie nie. Denn Wasser friert immer von oben. Es hat seine größte Dichte nicht bei null Grad Celsius, sondern bei vier Grad Celsius. Das schwerste, also dichteste Wasser sinkt nach unten und schützt den Boden vor Frost.

In der bizarren Eiswelt müssen Fische mit neuen Strategien arbeiten, um zu überleben. Der Hecht ist eine Ausnahme. Er bleibt das ganze Jahr aktiv. Der Karpfen stellt wie die meisten Fische die Nahrungsaufnahme ein. Stoffwechsel, Herzschlag und Atmung reduzieren sich. Dennoch nimmt der Fisch seine Umgebung wahr. Es ist eine Art Wachschlaf. Aale, die nicht im Spätsommer fortgezogen sind, vergraben sich sogar tief im Schlamm.

Ständig ist jetzt die Müllabfuhr der Unterwasserwelt unterwegs. Aasgeruch berauscht die Sinnesorgane der Krebse. Mit seinen gewaltigen Kräften kann ein Krebs einen zehnmal schwereren Fischkadaver anheben, um an die weiche Bauchseite zu kommen. Die Minizangen der Beinchen helfen mit und schieben die zerkleinerte Nahrung zum Mund. In ein paar Tagen wird so ein fast drei Kilogramm schwerer Fisch von Krebsen skelettiert.

Wenn das Eis schmilzt

Unterwasser-Pflanzen
Sobald die Sonne scheint, schießen die Pflanzen aus dem Seeboden. | Bild: BR/Sigi Braun

Am Ufer der Seen legt die Vegetation im Frühling schnell zu. Insekten tauchen auf. Die Pflanzen sprießen durch die letzten Schneefelder. Landbewohner sind im Frühjahr den Wasserbewohnern gegenüber im Vorteil. Nur die obersten Wasserschichten haben sich bis jetzt erwärmt. Durch im Winter abgestorbene Pflanzen und gelöste Mineralien entsteht jetzt ein Nährstoffcocktail, der eine explosionsartige Vermehrung von Kleinstlebewesen im Wasser hervorruft. Bizarre Wesen tierischen und pflanzlichen Ursprungs bringen das Wasser zum flirren. Plankton ist die Grundlange allen Lebens im Wasser. Abertausende dieser Winzlinge können sich jetzt in einem Liter aufhalten.

Das Herz der Büschelmückenlarve schlägt sichtbar unter ihrem filigranen Panzer. Mit ihren zehn Millimetern ist sie ein wahrer Riese und ein gnadenloser Plankton-Jäger. Dank des Planktons haben die Kleinfische wieder genügend Nahrung. Und deshalb geht auch der Hecht wieder verstärkt auf die Jagd. Eigentlich ist er ein Phlegmatiker. Stundenlang lauert er bewegungslos an einem Ort auf Beute. Doch wenn er lange nicht gefressen hat, geht er andere Wege: Mit seinen Flossen wirbelt er den Schlamm auf, um die Fische aus ihren Verstecken zu treiben. Der Körper des Hechtes ist geformt wie ein Geschoss. Der entenschnabelförmige Kopf bricht den Wasserwiderstand, als wäre er im Windkanal entwickelt. Die Muskulatur ist auf Schnellkraft ausgerichtet. Das Männchen kann aus dem Stand auf vier Meter pro Sekunde beschleunigen - ein perfekter Jäger aus dem Hinterhalt.

Frühlingszeit ist Paarungszeit

Hecht im Schilf
Eine Hechthochzeit ist nicht ungefährlich für die Männchen. | Bild: BR/Sigi Braun

Mit aufgestellten Rückenflossen beobachtet der Zander misstrauisch jede Bewegung. Denn in einem krautbewachsenen Trichter am Boden des Sees hat der Zander als eine der ersten Fischarten seine Eier gelegt. Keinen Millimeter weicht er vor Eindringlingen zurück. Der Zander ist einer der wenigen Süßwasserfische in Europa, der Brutpflege betreibt. Aber er beschützt das Gelege nicht nur, mit den Flossen fächelt er den Eiern Sauerstoff zu. Es ist eine kräftezehrende Zeit für den Raubfisch. Pausen gibt es nicht. Sogar seine eigentliche Beute, die Elritzen, haben sich hungrig rund um das Nest postiert. Sie warten nur auf eine Unaufmerksamkeit des sonst so gefürchteten Räubers, um sich über die Eier herzumachen. Mehrere Wochen wird der Zander diesen Platz nicht verlassen.

Wenn Hechte Hochzeit halten, kommt es zu richtigen Tumulten im Wasser. Von überall strömen die Männchen zu den größeren Weibchen, die sich meist unter Wurzeln verstecken und abwarten. Noch bleiben die Rivalen auf Distanz. Sie sind nur halb so groß wie das fast eineinhalb Meter lange Weibchen. Die Herrscherin des Sees könnte einen kleinen Hund verschlingen. Und auch für die Männchen ist ihre Nähe lebensgefährlich. Doch dann ist der Bann gebrochen. Wenn das riesige Weibchen aus dem Unterholz schwimmt, drängen sich sofort die Männchen an sie, stoßen den Kopf in ihre Seite, reiben sich an ihr, bis der Körper vibriert. Nach einer Stunde beginnt das Weibchen, erregt durch zahllose Berührungen, zu zucken. Sie entlässt Hunderttausende Eier und das geschickteste Männchen gibt genau im richtigen Moment seine Milch, seinen Samen, hinzu.

In der freien Natur kann es klimatisch bedingt bis zu vier Wochen dauern, bis die kleinen Hechte schlüpfen. Am Anfang verschwindet der Kopf noch fast über dem riesigen Dottersack. Er ist der Nahrungsvorrat der ersten Tage. Innerhalb nur eines Monats werden aus Eiern schwimmfähige kleine Räuber - fünf Zentimeter lang und nur eins im Kopf: Fressen. Doch sie müssen sie in acht nehmen, vor allem vor ihren eigenen immer hungrigen Eltern.

Autor: Florian Guthknecht (BR)

Stand: 10.11.2015 14:28 Uhr

Sendetermin

So., 18.03.12 | 17:00 Uhr
Das Erste