So., 26.02.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Insekten, die neue Super-Mahlzeit?
Geschmackssache?
Was für die einen als Ungeziefer gilt, ist für andere eine Delikatesse: Insekten sind besonders in Asien und Afrika beliebt - aber auch in Europa sollten sie auf dem Speiseplan stehen, sagen holländische Forscher. Insektenfleisch ist eines der gesündesten Nahrungsmittel überhaupt, denn viele Insektenarten bestehen aus bis zu 80 Prozent Eiweiß. Insektenfleisch enthält viel mehr Kalzium, Eisen, Vitamine und eben Eiweiß als Rind- oder Schweinefleisch. In Afrika, Asien und Australien stehen Insekten regelmäßig auf dem Speiseplan. Auch in Hollywood sind die kleinen Krabbeltiere groß im Rennen: Stars wie Angelina Jolie und Salma Hayek sind erklärte Insekten-Fans.
Umweltfreundlicher als herkömmliches Fleisch
Es wird Zeit, dass wir auch in Europa wieder Insekten essen, meint der holländische Insekten-Forscher Marcel Dicke. Denn Insekten sind nicht nur gesund. Die Produktion von Insektenfleisch ist viel umweltfreundlicher als die Herstellung von Rind- oder Schweinefleisch.
Schon heute leben 1,3 Milliarden Rinder weltweit. Und sie verschlingen fast die Hälfte der globalen Getreideernte. Das Futter setzen sie noch nicht mal besondesr effektiv um: Bis zu zehn Kilogramm Getreide sind nötig, um ein Kilogramm Rindfleisch zu erzeugen. Die restlichen neun Kilogramm sind Abfall, also Mist und Gülle.
Bei Insekten ist das Verhältnis umgekehrt, wie Marcel Dicke herausgefunden hat. Mit zehn Kilogramm Futter erhält man ganze acht Kilogramm Fleisch und nur zwei Kilogramm Abfall. Marcel Dicke hat auch untersucht, wie viel Abgase Insekten im Vergleich mit herkömmlichen Masttieren produzieren. Das Verhältnis ist erstaunlich: Ein Schwein produziert bis zu hundert Mal so viel CO2 pro Kilogramm Gewichtszunahme wie etwa ein Mehlwurm. Ein Schwein produziert zehn Mal so viel Ammoniak wie etwa Grillen und fünfzig Mal so viel wie Heuschrecken. Das heißt, Insekten belasten weder unser Klima noch unser Grundwasser.
Insekten-Snack: Leicht, bekömmlich und knusprig
Was dem Siegeszug der Insekten in Europa im Wege steht? Der Ekel. Die Menschen essen eben gern ihr Fleisch, so wie sie es kennen. Rinder-Steak in die Pfanne, würzen, fertig. Dabei geht es bei Insekten ebenso einfach und schnell. Der Kochbuchautor Ingo Fritzsche hat Insekten zum ersten Mal während eines Studienaufenthalts in Thailand probiert. Als er dann feststellte, dass es in Deutschland noch kein Insektenkochbuch gab, setzte er sich hin und stellte Insekten-Rezepte zusammen.
Die meisten Gerichte sind schnell und einfach zubereitet: Die lebenden Insekten - meist Heuschrecken oder Mehlwürmer - werden in kochendem Wasser möglichst schnell getötet, in der Pfanne angebraten und dann mit Sojasauce und Gewürzen serviert. In etwa fünfzehn Minuten hat man einen leckeren Snack. Auch bei Orkun Artmaz und Matthias Weigelt kann man Insekten probieren. In ihrem Restaurant Never Never in Berlin sind Schwarzkäferlarven und Heuschrecken fester Bestandteil der Speisekarte. Ein wichtiger Tipp der Insektenköche: Bei den Heuschrecken muss man vor dem Essen die Hinterbeine abtrennen, die schmecken nämlich holzig und man kann sich leicht an ihnen verschlucken.
Die Lösung für Mangelernährung und Hunger?
Die Welternährungsorganisation FAO warnt vor einer zukünftigen Nahrungsmittelknappheit. Bis zum Jahr 2050 sollen etwa neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern - und die müssen sich irgendwie ernähren. Deshalb wirbt die FAO für Insekten als Nahrungsquelle. Insekten könnten den Eiweißbedarf der an Hunger leidenden Weltbevölkerung decken. Man könnte sie ohne weiteres überall auf der Welt züchten. Sie brauchen weder viel Platz, noch große Mengen an Nahrung, wie der holländische Insektenforscher Marcel Dicke herausgefunden hat: Sie können sich sogar von menschlichen Essensresten ernähren. Mehlwürmer gedeihen ohne weiteres auf etwas Weizenkleie und Resten aus der Brot- und Keksproduktion. Grillen sind mit etwas Obst, wenig Wasser und Weizenkleie zufrieden.
Die holländische Regierung unterstützt Insektenzuchtfarmen mit einer Million Euro, um Insekten weiter für die menschliche Ernährung zu erschließen. Bisher werden vor allem eine Heuschreckenart und zwei Mehlwurm-Arten für den menschlichen Konsum gezüchtet. Doch es gibt insgesamt rund 1.800 essbare Insektenarten - man könnte mit ihnen also äußerst vielfältig kochen.
Wissenschaftler, Züchter und Köche hoffen, dass sich unsere Einstellung zu Insekten bald ändern wird. Denn eklig sind Insekten eigentlich gar nicht. Sie sind vielmehr äußerst effiziente Futterverwerter, klimafreundlich und sehr gesund. Wer sich traut, kann Insekten-Snacks im Internet bestellen oder in einigen wenigen Restaurants probieren.
Literatur
Das Insektenkochbuch
Ingo Fritzsche und Bupba Gitsaga
Natur und Tier-Verlag, 2009
Autorin: Nicoletta Renz (BR)
Stand: 06.11.2015 09:08 Uhr