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Im Schongang auf Schollenfang

Feine Plattfische

Schollen in Fischkiste
Schollen - bisher keine gute Wahl für umweltbewusste Verbraucher. | Bild: WDR

Scholle Finkenwerder Art, Schollenröllchen, Scholle im Gemüsebett - diese Köstlichkeiten waren für Fischliebhaber, denen der Meereschutz nicht egal ist, bisher ein Tabu. Denn traditionell werden Schollen mit einer Methode gefangen, die ganz besonders schädlich für Meer und Umwelt ist, mit so genannten "Baumkurren". Doch nun gibt es dazu eine wesentlich schonendere Alternative, die sogenannte "Twin Rigg-Fischerei". Der holländische Fischer Louwe de Boer und seine Kollegen haben vor fünf Jahren umgesattelt und damit nicht nur ihre Fischerei nachhaltig gemacht, sondern auch ihren Betrieb vor der Pleite gerettet.

Verwüstung des Meeresbodens

Baumkurren auf dem Meeresboden
Baumkurren durchpflügen mit schwerem Eisenrahmen und Ketten den Meeresgrund. | Bild: WDR

Die Jagd auf Schollen ist nichts für Anfänger, sagt Louwe de Boer. Seine Familie fischt diese Plattfische seit Generationen. Sie schwimmen nicht herum, sondern liegen auf dem Meeresboden, graben sich ein, lassen nur die Augen herausschauen und lauern so auf Beute. Niemand hat eine Chance, diese Fische auf dem Echolot zu sehen, und auch wenn ein erfahrener Fischer wie de Boer sie aufgespürt hat, muss er sie irgendwie aus dem Boden holen.

Normalerweise werden dafür schwere, mit Eisenketten und Eisenrahmen versehene Schleppnetze verwendet, die sich mehrere Zentimeter tief durch den Boden pflügen. Sie hinterlassen auf dem Meeresgrund eine Spur der Verwüstung und fangen neben den begehrten Schollen auch jede Menge Jungfische und andere Meerestiere. Von den Tieren, die ein klassischer Schollenfischer in seiner Baumkurre hat, gehen deshalb bis zu 90 Prozent tot als unerwünschter Beifang wieder über Bord. Dieser Raubbau zerstört auf Dauer das Ökosystem, entspricht aber trotzdem noch ganz und gar den europäischen Fischereibestimmungen.

Die ökologisch sinnvolle Alternative

De Boer hat sich vor fünf Jahren von dieser Praxis verabschiedet. Zunächst nur wegen des Geldes, denn die Familie fuhr den schwersten Schollenkutter in ganz Europa, die "Enterprise", und die verschlang jede Woche bis zu 50.000 Liter Diesel. Als Mitte der 2000er-Jahre die Treibstoffpreise explodierten und gleichzeitig die Fischpreise einbrachen, mussten die de Boers handeln, um nicht pleite zu gehen.

Gemeinsam mit dem dänischen Netzmacher Ruby Fleming suchten und fanden sie einen Weg, um ihren Dieselverbrauch um mehr als die Hälfte zu reduzieren: Sie modifizierten das Twin Rigg, eine alt bekannte Art von Fischereinetz, so, dass sie es auf ihrem Trawler zum Schollenfischen einsetzen konnten. Beim Twin Rigg-Fischen werden die Netze sehr langsam über den Boden geführt. Die Leinen an ihren Seiten kommen dabei ins Schwingen. Diese Schwingungen scheuchen die Schollen aus dem Boden auf, die Netze müssen die aufschwimmenden Tiere nur noch einsammeln. Ihre Öffnungen laufen auf Gummirollen über den Meeresgrund, die Netze dahinter berühren den Boden kaum noch.

Unerwünschter Beifang: Von 90 auf null Prozent

Junger Fisch entkommt durch Bacoma-Masche
Jungfische entkommen durch Fluchtfenster im Netz. | Bild: von Thünen Institut für Ostseefischerei, Rostock

Mit der Zeit entdeckte Louwe de Boer, dass das Twin Rigg mehr kann, als Sprit sparen: Durch das langsame Schlepptempo waren Fische im Netz unverletzt und hatten so die bestmögliche Qualität - und die Menge an unerwünschtem Beifang war viel geringer als früher. Seine Fischerei war damit besser und effektiver. Inzwischen hat er erkannt, dass er damit auch aktiv das Meer und die Fischbestände schonen kann. Denn sein Netz hat mittlerweile größere Maschen, als gesetzlich vorgeschrieben, und noch dazu gesonderte Fluchtfenster. Jungfische und andere Arten, die bei Baumkurren-Fischen tot wieder über Bord gehen, können so noch im Wasser wieder aus dem Netz entkommen. Sie überleben und pflanzen sich fort. Und auch wenn neben den erwachsenen Schollen einmal Seezungen, Kabeljau oder Taschenkrebse im Netz landen: De Boer hat auch für sie eine Quote und darf sie verkaufen. Was an Bord kommt, landet auch auf dem Teller, null Prozent unerwünschter Beifang, kein sinnloses Sterben.

Nachhaltigkeit als Marktvorteil: Das MSC-Siegel

MSC-Siegel nah
Der MSC zertifiziert nachhaltig gefangenen Fisch. | Bild: WDR

Louwe de Boer hat erkannt, dass nachhaltiges Fischen auch ein Marktvorteil sein kann. Damit umweltbewusste Verbraucher erkennen, dass seine Schollen ökologisch und schonend gefischt sind, hat er seinen Betrieb vom Marine Stewardship Council, kurz MSC, zertifizieren lassen. Die Organisation vergibt ihr Label nur an Fischer, die nachweisen, "dass sie dafür sorgen, dass ausreichend Fisch für die Zukunft vorhanden ist, dass Meeressäuger und Wasservögel geschützt werden und dass der Lebensraum Meer in seiner Vielfalt erhalten bleibt", zum Beispiel durch selektive und bestandschonende Fangmethoden und durch das Einhalten von Schonzeiten und Schongebieten.

All dies praktiziert Louwe de Boer inzwischen und mit ihm noch zehn weitere Fischer aus seiner Heimatstadt Urk. Mit denen hat er sich zur Fischereigenossenschaft "Ekofish" zusammengeschlossen, die wirtschaftlich floriert. Man kann Schollen also auch schonend fischen, Verbrauchern eine nachhaltige Alternative bieten und obendrein ein gutes Auskommen haben - Loewe de Boers Beispiel beweist es.

Literatur

Der letzte Fisch im Netz

Taras Grescoe
Blessing, München, 2010
560 Seiten, 19,95 Euro

Zusatzinformationen

Beifang - erwünschter und unerwünschter

Beifang sind alle Tiere, die ein Fischer in seinem Netz an Bord holt, die aber nicht die Art sind, auf die seine Fischerei eigentlich abzielt. Ist ein Fischer also auf Schollenfang, dann sind alle Tiere im Fang, die keine Scholle sind, Beifang. Dieser Beifang kann erwünscht sein: Zum Beispiel ein schöner großer Kabeljau - vorausgesetzt der Fischer hat auch eine Quote für Kabeljau.
Unerwünschter Beifang sind alle Tiere im Fang, die der Fischer nicht an Bord behalten darf oder will. Fische, die kleiner sind als die gesetzliche Mindestgröße und Fischarten, für die er keine Quote (mehr) hat, darf er nicht an Bord behalten, in den Hafen bringen und verkaufen, auch wenn man sie problemlos essen könnte. Tiere, die man nicht essen kann - viele Krebse, Muscheln, Seesterne, aber auch Seevögel - will er nicht an Bord behalten

Beifangregelung

Im Moment spielt es in EU-Gewässern keine Rolle, wie viel unerwünschten Beifang ein Fischer in seinen Netzen fängt. Entscheidend für die Quote ist, was er an Bord behält und in den Hafen bringt. Dass fast alle Tiere im Beifang die Fangprozedur nicht überleben und tot wieder zurück ins Meer geworfen werden, spielt dabei keine Rolle. Gegenwärtig ist die EU jedoch dabei, ihre Fischereipolitik zu reformieren, dabei soll auch die Beifangregelung geändert werden.

Autorin: Ismeni Walter (WDR)

Stand: 18.01.2013 15:41 Uhr

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