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Testosteron - das Männerhormon

Großer Hormoncheck

Männer im Wartezimmer
Männer - das unerforschte Geschlecht | Bild: BR

Eine große Untersuchung zur Gesundheit der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern brachte Ärzte der Universitätsklinik in Greifswald auf die Spur. Im Rahmen der SHIP-Studie, der 'Study of Health in Pomerania', wurden 2.000 Probanden aller Altersgruppen genauestens durchgecheckt. Bei der Überprüfung der Männer fiel auf, dass viele davon zu wenig Testosteron im Blut haben. Die Konzentration des männlichen Geschlechtshormons lag unter einem Wert, der international gerade noch als 'gesund' gilt.

15 Prozent der Männer sind betroffen

Blut fließt in ein Blutabnahme-Röhrchen
Blutanalysen decken den Testosteron-Mangel auf | Bild: BR

Aufgeschreckt durch diese Entdeckung, veranstalteten die Greifswalder Mediziner vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin vor eineinhalb Jahren einen 'Männertag'. Das starke Geschlecht war eingeladen, unverbindlich über persönliche Befindlichkeiten und die kleinen und großen Beschwerden zu berichten, über die Männer gemeinhin nicht reden. Durch diese Veranstaltung konnten Ärzte und Wissenschaftler die Ergebnisse aus der SHIP-Studie belegen. 15 Prozent der Männer klagten über diffuse Beschwerden wie Schlafstörungen, Schweißausbrüche, starke Stimmungsschwankungen, geringe körperliche Leistungsfähigkeit und ermattende Libido. Treten die Symptome zusammen auf, sind sie eindeutige Hinweise auf einen zu niedrigen Testosteron-Spiegel.

Krank durch zu wenig Testosteron

Ein Röhrchen mit Speichel
Forschung mit der Biobank | Bild: BR

Für einen zu niedrigen Testosteron-Spiegel gibt es viele Ursachen. Auch das Alter spielt eine Rolle. Ab dem 40. Lebensjahr produziert der männliche Körper immer weniger von dem Geschlechtshormon. Welche Beschwerden damit verbunden sein können, war lange Zeit nicht klar. Der Mann ist hier im Gegensatz zur Frau noch ziemlich unerforscht.

Aber es verdichten sich die Hinweise, dass ein zu niedriger Testosteron-Wert im Blut der Männer, neben 'harmlosen' psychischen und körperlichen Störungen, massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Diese Hinweise erhielten die Wissenschaftler und Mediziner aus einer riesigen Datenbank, die in Greifswald lagert - einer Biobank! Darin werden - gut gekühlt - Blutproben, Urin, Speichel und die DNA von 2.000 männlichen Probanden aufbewahrt. Ein Schatz, der die Bedeutung von Testosteron mehr und mehr ans Licht bringt. Mit ihm können die Mediziner der Frage nachgehen, ob niedrige Testosteron-Werte mit anderen Krankheiten zusammenhängen. Bei jedem neuen Verdacht werden Tausende Werte analysiert. Ein Datenpuzzle, das nur computergesteuert möglich ist.

Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen sind erdrückend: Zu wenig Testosteron beim Mann ist mit schwerwiegenden Volkskrankheiten wie Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck verknüpft. Symptome, die zusammen das metabolische Syndrom bilden und schließlich zu Typ2-Diabetes führen können - insgesamt Risikofaktoren für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die richtige Therapie

Professor Henri Wallaschofski
Professor Henri Wallaschofski erforscht die Männer | Bild: BR

Ob ein Testosteron-Mangel diese Erkrankungen auslöst oder nur Teil davon ist, wissen die Ärzte noch nicht. In jedem Fall brauchen die Männer die richtige Therapie. Das heißt, zusätzliches Testosteron. Allerdings ist die Gabe von Hormonen momentan in Deutschland bei Männern nur dann erlaubt, wenn Symptome wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und geringe körperliche Leistungsfähigkeit vorliegen. Die Forscher halten es aber aufgrund ihrer Ergebnisse für sinnvoll, zusätzliches Testosteron in Form von Spritzen oder Salben auch rechtzeitig gegen mögliche Folgeerkrankungen einzusetzen.

Der ganze Stoffwechsel auf einen Blick

Eine Hand deutet auf unterschiedliche Stoffwechsel-Muster
Stoffwechsel-Muster | Bild: BR

Dafür erproben die Mediziner jetzt völlig neue Wege: Sie analysieren Blut und Urin in einem Kernspin-Tomographen. Auf diese Weise erhalten sie eine Momentaufnahme vom gesamten Stoffwechsel eines Mannes.

Bei gesunden Probanden ergeben sich dabei andere Muster als bei kranken. Die Forscher können damit besser einschätzen, ob ein niedriger Testosteron-Spiegel den Stoffwechsel durcheinander bringt und schließlich krank machen könnte. Mit den Daten aus dieser Methode können die Ärzte also einschätzen, wann eine Hormontherapie vorsorglich Sinn macht.

Hoffnung durch neue Studie

Damit haben die Greifswalder Mediziner jetzt alle Daten und Methoden zur Verfügung, eine große, fundierte klinische Studie durchzuführen. Noch in diesem Jahr soll es damit losgehen. Am Ende der Studie können die Mediziner hoffentlich sagen, wann eine Therapie mit künstlichen Hormonen zum Erfolg führt - und zwar ohne Nebenwirkungen. Denn die Erfahrung mit der Hormon-Therapie bei Frauen zeigte: Unkontrollierte Gabe von künstlichen Hormonen kann auch zu erheblichen Komplikationen - im schlimmsten Fall zu Krebs führen. Das, so die Greifswalder Wissenschaftler, dürfe sich auf keinen Fall wiederholen. Gerade haben die Forscher auch drei Genvarianten entdeckt, die für einen angeborenen Testosteron-Mangel verantwortlich sind. Auch junge Männer könnten so zum Beispiel schon an 'Alters-Diabetes' erkranken. Die neue Studie soll sichere Ergebnisse bringen. Es scheint höchste Zeit zu sein.

Autor: Herbert Hackl (BR)

Stand: 13.11.2015 13:56 Uhr

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