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Solarforschung: Was wir über die Sonne wissen müssen

Lucia Kleint betrachtet Sonnenaufgang über den Alpen
Sonnenforscherin Lucia Kleint: "Einfach, weil es schön aussieht." | Bild: SWR

Dienstag, 20. April 2021, 6.30 Uhr: Die Astrophysikerin Lucia Keint steht auf dem Rigi Kulm – einem fast 1.800 Meter hohem Bergmassiv am Vierwaldstätter See in der Schweiz und blickt in die aufgehende Sonne. Der Morgen ist eine Gelegenheit, ihr Forschungsobjekt einfach nur zu genießen: "Sonnenaufgänge und Untergänge, die sind extrem faszinierend. Ich war immer für den Sonnenaufgang und die Untergänge wach, wenn ich auf Teneriffa war oder La Palma oder irgendwo auf der Erde, um die Sonne zu beobachten – einfach, weil es schön aussieht." Seltene Momente der Ruhe, denn Lucia Kleint ist ansonsten lieber aktiv: "Wenn ich gar nichts mache, das geht vielleicht so ein zwei Wochen gut; wenn ich irgendwo in der Wüste herumfahre zum Beispiel. Das letzte Mal habe ich dann im Zelt begonnen, Optikdesign zu machen."

Astronomie zum Anfassen

Lucia Kleint findet trotz ihrer Forschung noch die Zeit, um Führungen in einer Volkssternwarte zu leiten. Die Wissenschaftlerin genießt es, das mehr als 100 Jahre alte Teleskop der Urania Sternwarte in Zürichs Zentrum zu bedienen und den Besuchern die Astronomie nahe zu bringen. Sie bedient die tonnenschwere Mechanik gekonnt von Hand, springt zwischen Podest und Balustrade hin und her. Das Dach muss sie mit einem Drehrad öffnen. Seitdem sie auf dem Gymnasium war, ist sie hier Zuhause.

Doch eigentlich begann alles viel früher, so Lucia Kleint: "Ich habe mich schon als Kind für Astronomie interessiert und war oft mit einem kleinen Fernrohr auf dem Balkon und habe dort die Ringe des Saturns angeschaut – oder auch unseren Mond mit seinen Gebirgen und Tälern. Das war immer faszinierend für mich." Diese Faszination hat Lucia Kleint nicht losgelassen: Studium der Physik mit Promotion in Höchstgeschwindigkeit, dann Forschungsjahre in den USA. Heute, mit 38 Jahren, ist sie Professorin an der Universität Genf im Fach Astrophysik.

Die Rätsel der Sonne

Ein Sonnenausbruch schleudert Plasma ins Weltall
Sonnenausbruch: Plasma wird ins Weltall geschleudert. | Bild: NASA

Das Ziel ihrer Forschung ist die Sonne – und ihre Rätsel: "Zum Beispiel kennen wir die Polarlichter auf der Erde. Diese werden von Sonnenausbrüchen verursacht. Bis heute kann man aber nicht sagen, wann ist das nächste Polarlicht, oder wann ist der nächste Sonnenausbruch."

Bei einem Sonnenausbruch schleudert die Sonne Plasma und Strahlung Millionen Kilometer weit ins All. Erreicht so eine Plasmawolke die Erde, kann sie dort als Sonnensturm große Probleme verursachen, zum Beispiel Satelliten und Funkverkehr stören. Und: "Nach einem Sonnenausbruch ist im Jahr 1998 halb Kanada ausgefallen. Und 2003 hat das Stromnetz in Schweden Probleme gehabt, auch nach einem Sonnenausbruch", sagt die Forscherin.

Europas bestes Solarteleskop

Um die Ursachen für Sonnenausbrüche zu erforschen, brauchen Solarforscher*innen die besten Sonnenteleskope der Welt. Das Gregor auf Teneriffa ist eines davon. Zwei Jahre lang leitete Lucia Kleint das deutsche Teleskop, das unter der Federführung des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik und anderen Forschungseinrichtungen die Sonne beobachtet. Während dieser Zeit gestalteten sie und ihr Team die Optik, die Mechanik und die Elektronik komplett neu: "Wir haben jetzt die schärfsten Bilder der Sonne von Europa aus aufnehmen können", sagt sie. Dank der Verbesserungen konnte das Gregor Teleskop Ende 2020 Details der Sonne von nur 50 Kilometer Größe beobachten. Das ist in etwa so, als würde man auf einem Fußballfeld eine Stecknadel aus einem Kilometer Entfernung erkennen. Lucia Kleint: "Ich habe immer gern den Schraubenzieher in die Hand genommen, um etwas zu verstehen." Die neuen Spiegel, sagt sie, habe sie selbst eingebaut.  

Mission zu Sonne

Animationsbild: Der Sonnensatellit Solar Orbiter vor der Sonne
Der Sonnensatellit Soar Orbiter auf dem Weg zu Sonne. | Bild: ESA

Februar 2020 startete die internationale Mission "Solar Orbiter". Die Raumsonde soll die Sonne erstmals auch von den Polen aus betrachten. An Bord ist auch ein Röntgenteleskop, an dem Lucia Kleint mitgearbeitet hat. Neben der Ursache für die Sonnenstürme wollen die Sonnenforscher*innen noch ein anderes Phänomen auf der Sonne verstehen: Betrachtet man nur die Oberfläche der Sonne, so herrscht dort eine Temperatur von rund 5.600 Grad; entfernt man sich jedoch von der Sonne, so steigen die Temperaturen unvorstellbar an und erreichen mehrere Millionen Grad in der die Sonne umgebenden Korona. Niemand kann solche Phänomene bislang hinreichend erklären. Für die Sonnenforscherin Lucia Kleint der richtige Ansporn: "Man darf nicht so einfach aufgeben. Selbst wenn einem die Leute sagen, das wird sowieso nicht klappen. Man muss einfach den Durchhaltewillen haben, das durchzuziehen." Sie selbst hat diese Zielstrebigkeit als Forscherin längst bewiesen.

Autor: Hilmar Liebsch (SWR)

Stand: 14.05.2021 13:03 Uhr

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