Sa., 15.05.21 | 16:00 Uhr
Das Erste
Sonnenenergie: Welches Potenzial dahintersteckt
Unglaubliche 150 Millionen Kilometer ist die Sonne von uns entfernt, doch ihre enorme Energie ist trotzdem deutlich spürbar. Aber haben wir eigentlich genügend Solarmodule in Deutschland, um diese kostenlose Energie aufzufangen und in Strom zu verwandeln? Alle reden wir zwar davon, durch Sonnenlicht Solarstrom zu erzeugen, doch schaut man sich auf Deutschlands Dächern um, dann sind Solarmodule längst nicht auf allen potenziellen Flächen zu finden. Die Dachflächen sind zwar da, aber kaum ausgelastet. Woran liegt das?
Warum haben wir nicht mehr Solarmodule auf den Dächern?
Diese Frage führt uns in das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, Europas größte Solarforschungseinrichtung. Gleich am Eingang des Institutes wird an einer Säule Strom mit Sonnenlicht erzeugt, bunte Solarmodule machen es möglich. Diese Photovoltaik, kurz PV, macht richtig was her. Warum gibt es das nicht längst auf unseren Dächern? "So ganz verstehe ich es auch nicht", sagt Angela de Rose. Sie arbeitet als Physikerin am ISE. "Es sieht schick aus, und man kann diese Photovoltaik integrieren in unterschiedlichste Flächen, zum Beispiel in Gebäude, auf Autos und so weiter." Ginge es nach Angela de Rose, wären wir längst viel mehr von Solarzellen umgeben, von mit buntem Glas bedeckten und auch von fast unsichtbaren an den Wänden. "Es gibt auch welche, die man kaum sieht, in der Fassade integriert."
An Formen und Farben mangelt es also nicht und auch die Wirkungsgrade, sprich die Energieausbeute der Solarmodule hat sich erhöht, erzählt die Forscherin, zudem sind die Zellen mittlerweile noch platzsparender als früher. Das Zauberwort heißt Schindelsolarzelle. "Man kennt das so ein bisschen von Dachziegeln. Man nimmt die Zellen und legt die so übereinander in das Modul, dass die einen Überlappungsbereich haben. Der Vorteil ist, dass man nachher ein sehr homogenes Erscheinungsbild im Modul hat und gleichzeitig auch einen höheren Wirkungsgrad."
Solarmodule in Fassaden und auf Autos
In einem seiner Labore verbindet das Institut Forschung und Anwendung, eine Art Produktionsstraße für den rein wissenschaftlichen Testbetrieb. Ein beeindruckender Ort voller Hightech. Aber ist das, was dort entsteht womöglich einfach zu teuer für unsere Dächer? "Also, das ist ein etablierter Prozess in der Photovoltaik und sehr kostengünstig. Eine Sekunde dauert die Herstellung pro Solarzelle in der Industrie, das ist Massenware", erzählt Angela de Rose. Der Preis ist also nicht der Grund dafür, dass auf unseren Dächern nicht mehr Solarmodule zu finden sind. Doch trotz der günstigen Herstellungskosten werden in Deutschland außer in den Labors des ISE für die Wissenschaft so gut wie keine Solarzellen industriell hergestellt.
Was ist dann der Grund dafür, dass nicht mehr Solarzellen auf unseren Dächern zu finden sind? Der Leiter des Institutes blickt bei der Ursachensuche nach Fernost. "In China ist im Moment die industrielle Produktion. Die haben wir in Deutschland verloren. Ich würde auch sagen auf Zellebene und am Ausgangspunkt, dem Wafer, haben wir praktisch keine Produktion mehr und das ist das große Manko. Wir müssen auf jeden Fall wieder die industrielle Produktion hier in Europa aufbauen", so Institutsdirektor Andreas Bett. Ihn ärgert das, sagt er, weil Deutschland einen Zukunftsmarkt, auch für die industrielle Produktion, verloren hat, wie er meint. "Wir haben die Thematik, dass wir vor rund zehn Jahren Weltmarktführer in der Photovoltaiktechnologie waren. Firmen waren on the top und die haben ihre Position deutlich verloren, weil auch der Heimatmarkt plötzlich nicht mehr vorhanden war", so Bett.
Der Heimatmarkt und damit auch das Werben für mehr Solarstrom auf unseren Dächern sind verschwunden. Das liegt sicher auch an der geänderten Förderungspolitik durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die Förderung stieg zunächst an, aber dann wurden die Mittel heruntergefahren, der Ausbau brach ein. In diesen Jahren verschwand die Solar-Produktion aus Deutschland und Europa. Aber die wissenschaftliche Forschung ist geblieben und feilt die Solar-Technik unbeirrt immer weiter aus.
Wer kennt schon Schindelsolarzellen?
So werden am ISE mittlerweile neuartige sogenannte Tandem- Solarzellen entwickelt, die neben Silizium auch andere Materialien in ein und demselben Modul nutzen – ein Technologiesprung, meint Angela de Rose: "Diese hocheffizienten Zellkonzepte sind auch wichtig für Anwendungen, wo ich in der Fläche limitiert bin, für maximale Stromausbeute auf kleinen Flächen, oder wo ich auf nicht optimalen Flächen Module benötige." Solche Solarzellen der Zukunft könnten zum Beispiel auf Autodächern eingesetzt werden und deren E-Antrieb unterstützen. Doch dafür muss die neue günstige Solarzellen-Generation nun endlich auch in Deutschland produziert werden können, so Andreas Bett: "Heute haben wir eigentlich die nächste Generation, die nächste Technologiestufe. Und da ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt wieder einzusteigen in Deutschland und Europa, dadurch, dass die Zellen günstig hergestellt werden können, machen inzwischen die Transportkosten von China hierher gut zehn Prozent für ein Modul aus. Die Chinesen müssen nun auch intensiv investieren, aber sie kriegen wieder Unterstützung finanzieller Art vom Staat und da muss jetzt Europa auch anerkennen, dass es wichtig ist, die Technologie selber zu produzieren."
Bürokratie als Innovationsbremse
Auch der Architekt Rolf Disch sieht die Politik in der Pflicht, mehr für den Ausbau der Solartechnik in Deutschland und Europa zu tun. Der Solarpionier gilt als Erfinder von Plusenergiehäusern, die mehr Solarstrom liefern als sie brauchen. Eine Förderung ist durch die günstige Technik nicht mehr nötig, dafür aber weniger Bürokratie, etwa bei der Vergütung des Solarstroms. "Uns war immer klar, wenn es zum Massenprodukt wird, dann wird es sehr günstig und da sind wir eigentlich hingekommen", sagt Rolf Disch. "Inzwischen könnte man natürlich viel viel mehr Gas geben und das Problem ist eher, dass die Förderung für Bauherren sehr kompliziert geworden ist. Das EEG-Gesetz das hatte, glaube ich, fünf Seiten, also das war recht einfach gestrickt, aber es wurde dann immer mehr abgeändert und immer komplizierter, sodass es eigentlich keiner mehr versteht", so Disch. Eine Bürokratie, die viele Hausbesitzende abschreckt, Solartechnik zu installieren.
Die Sonne schickt keine Rechnung
Obwohl die Sonne so weit von uns weg ist, dass ihr Licht unglaubliche 8 Minuten und 20 Sekunden bis zu uns braucht, ist sie die größte Energiequelle unserer Welt. Deshalb sollten wir noch mehr ihrer Kraft einfangen – am besten auf unseren Dächern, und wenn es sein muss auch in Solarparks auf der grünen Wiese. Denn: Die Sonne schickt uns keine Rechnung!
Autor: Axel Wagner (SWR)
Stand: 25.05.2021 12:42 Uhr