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Wie wir unser Wasser vergiften

Geschirrspültabs im Fach einer Geschirrspülmaschine
Wassergefährdender Chemiecocktail: Geschirrspültabs | Bild: NDR

Bei der Verunreinigung des Grundwassers steht die Landwirtschaft am Pranger. Doch als Verbraucher tragen wir eine Mitschuld und nicht nur da: Wir nutzen in unserem Alltag viele Produkte, mit denen wir unser Wasser vergiften. Unser Trinkwasser stammt zum größten Teil aus zwei Quellen: aus dem Uferfiltrat großer Flüsse und aus Grundwasser. Beides sind aber auch Sammelbecken für Gift- und Schadstoffe. Und die stammen nicht nur von den "üblichen Verdächtigen" – Landwirtschaft und Industrie. Das Umweltbundesamt hat aktuell auf drei Chemikalienarten ein besonderes Augenmerk geworfen:

Benzotriazol – das unnütze Rostschutzmittel

Chemische Verbindung als Grafik dargestellt, im Hintergrund ein Fisch.
Flussabwärts steigen die Benzotriazolwerte | Bild: NDR

Benzotriazol und andere schwer abbaubare Chemikalien in Wasch- und Reinigungsmitteln ist in den meisten Geschirrspültabs enthalten. Es soll Silberbesteck vor Lochfraß schützen. Diese Chemikalie ist schwer abbaubar und reichert sich in der Umwelt an. Sie steht im Verdacht hormonell zu wirken, vermindert also die Fortpflanzungsfähigkeit. Benzotriazol ist giftig für Fische und andere Wasserorganismen. Marcus Gast vom Umweltbundesamt bezweifelt die Sinnhaftigkeit, die Chemikalie in den Tabs beizumischen. Nicht nur, dass ohnehin fraglich sei, wie viele Verbraucher tatsächlich ihr gutes Silber in die Spülmaschine geben – in den heutigen phosphatfreien Produkten könne der Silberschutz auch gar keine richtige Wirkung mehr entfalten. Mit anderen Worten: Benzotriazol ist im Spülmittel mutmaßlich unnütz.

Wasserwerkern bereitet der Stoff schweres Kopfzerbrechen: Im Klärwerk durchläuft die Chemikalie nämlich ungehindert alle mechanischen und biologischen Reinigungsstufen, und landet dann über den Ablauf in Bächen und Flüssen. Die Folge: Beispielsweise am Rhein steigen die gemessenen Benzotriazolwerte flussabwärts kontinuierlich an. 20 Millionen Menschen aber beziehen ihr Trinkwasser aus dem Fluss. Und so landet das unnütze Rostschutzmittel aus den Geschirrspültabs schließlich wieder im Haushalt. Zwar sind die Mengen nicht groß, doch weil es sich in der Umwelt anreichert, könnten im Laufe der Zeit problematische Schwellenwerte erreicht werden. „Deswegen wünschen wir uns eine europaweite Regelung, dass solche Stoffe in Wasch- und Reinigungsmittel verboten werden“, sagt Marcus Gast vom Umweltbundesamt. Doch bis dahin wird voraussichtlich noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen.

PFCs – per- und polyfluorierte Chemikalien

Chemische Verbindung als Grafik dargestellt
Extrem stabil: Per- und Polyfluorierte Kohlenstoffverbindungen | Bild: NDR

Rund 800 Stoffe umfasst die Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz: PFC. Die Fluor-Kohlenstoffverbindungen sind extrem stabil, fett- und wasserabweisend. Sie stecken in Imprägniersprays, in den Fasern von Teppichen und Outdoorkleidung, auf der Innenseite von Pappbechern und in Teflonpfannen. Durch Abrieb und Waschen gelangen sie ins Abwasser. Biologisch sind PFC kaum abbaubar - sie reichern sich ebenfalls in der Umwelt an. Zwar werden die bestehenden Grenzwerte selten überschritten, doch PFC sind längst in unserem Blut und in Muttermilch nachweisbar. Zwei PFC – das PFOS und das PFOA – wurden 2006 und 2017 europaweit verboten.

In Tierversuchen hatte sich gezeigt, dass sie die Leber schädigen und Krebs verursachen können. Seit dem Verbot konnten Toxikologen wie Marike Kolossa vom Umweltbundesamt zwar feststellen, dass die Konzentration beider Stoffe in unserem Blut abgenommen hat, doch zuletzt blieben die Werte auf einem konstant hohen Niveau. Das Problem: "Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass Impfreaktionen und immunologische Reaktionen beeinträchtigt werden", erläutert Dr. Kolossa. "Bei Kindern über einem Jahr hat man zum Beispiel festgestellt, dass die Impfkörperreaktion von Influenza, Diphterie und Tetanus reduziert sind."

Gut also, dass diese Stoffe nicht weiter eingesetzt werden dürfen. Die Industrie wirbt sogar damit, dass sie auf die verbotenen PFC verzichtet – und benutzt stattdessen andere, ähnliche Fluorkohlenstoffe, die möglicherweise genauso gefährlich sind. "Das ist die alte Ersatzstoffproblematik", so Marike Kolossa. "Wir ersetzen hier Stoffe durch Stoffe, die wir weit schlechter kennen. Wir wissen über diese kurzkettigen PFC toxikologisch überhaupt nicht genug, um die gesundheitlichen Wirkungen gut einschätzen zu können. Es sieht aber nach den ersten Untersuchungen so aus, dass sie ziemlich ähnlich wirken, wie die bereits verbotenen.“

Duftstoffe

Waschmittel in einem Regal.
Sind allgegenwärtig: Duftstoffe. | Bild: NDR

Sie sind allgegenwärtig: Ob in Lebensmitteln, Wasch- oder Kosmetikartikeln: Rund 10.000 Tonnen Duftstoffe mischen die Hersteller ihren Produkten zu – pro Jahr! Viele sind schwer abbaubar und reichern sich in der Umwelt an, zum Beispiel Moschusduft im Fettgewebe von Fischen. Und nur wenige Duftstoffe sind kennzeichnungspflichtig: "Weil diese Stoffe in sehr geringen Mengen eingesetzt werden, unterliegen sie nicht so hohen toxikologischen Prüfanforderungen", so Marike Kolossa. "Nur etwa 300 der rund 3.000 Duftstoffe sind toxikologisch genau untersucht. Es gibt Duftstoffe, die im Verdacht stehen, das Fortpflanzungssystem zu beeinträchtigen und Krebs auszulösen. Manche Duftstoffe führen nachweislich zu Kontaktallergien. 26 Duftstoffe müssen deklariert werden, weil man eben von denen weiß, dass sie allergieauslösend sind. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass die anderen Duftstoffe nicht allergieauslösend sind, sondern die sind nur schlechter untersucht."

Sauberes Wasser: mehr Technik, weniger Chemikalien!

Technisch wäre es möglich, einige dieser schwer abbaubaren und potenziell gefährlichen Schadstoffe aus unseren Abwässern herauszufiltern. Manche Klärwerke testen bereits eine zusätzliche, vierte Reinigungsstufe. Kohleaktivfilter zum Beispiel können einige Chemikalien binden. Auch Ozongas kann einige Chemikalien unschädlich machen. Doch es sind aufwendige, energieintensive Verfahren. Die Abwassergebühren könnten dadurch um bis zu 20 Prozent steigen. Und greift man damit nicht auch einfach am falschen Ende der Kette ein? "Grundsätzlich möchten wir am Verursacherprinzip festhalten, das heißt, die Kosten sollten vom Verursacher getragen werden", sagt Marcus Gast. "Eine vierte Reinigungsstufe würde bei diesen Chemikalien auch nicht in jedem Falle etwas bringen. Benzotriazol zum Beispiel rauscht da glatt durch."

Besser wäre es, den Eintrag in die Umwelt von vorneherein zu unterbinden. Notfalls mit Verboten für die Hersteller. Und auch Verbraucher können aktiv werden: Achten Sie beim Einkauf auf die Inhaltsstoffe! Hilfe beim Einkaufen geben diverse Einkaufsratgeber der Verbraucherschutz- und Umweltverbände sowie Handy-Apps wie "Codecheck“ , "ToxFox" oder "Giftfrei einkaufen". Beim Scannen des Barcodes zeigen sie wassergefährdende Inhaltsstoffe an – für weniger Gift im Wasser!

Autor: Georg Beinlich (NDR)

Stand: 03.07.2020 14:31 Uhr

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