Sa., 22.02.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Pastorin Annette Behnken: Laut-Sprecher
gesprochen von Annette Behnken (evangelisch)
Guten Abend!
Ich hab letzte Woche ein paar Tage Urlaub gemacht. Paris - das erste mal in meinem Leben. Die Straßen, die Kunst, die Cafes - alles atmet Leichtigkeit. Auch mitten im Winter. Von Albert Camus, dem französischen Philosophen, stammt der Satz: „Inmitten des Winters habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“ Passte gut. Aber tatsächlich meint der Satz natürlich viel mehr. Nämlich eine Kraft, die wir in uns tragen. Die wir gerade in schwierigen Zeiten brauchen. Und die oft gerade dann aufwacht, wenn es die Umstände verlangen. Ein guter Trotz. Ein konstruktiver Widerstand.
Naja – mitten im Urlaub haben sich dann die weltpolitischen Ereignisse überschlagen und wir lasen in der Zeitung, dass sich europäische Politiker:innen in Paris trafen, um zu beraten. Krasser Kontrast zum Savoir Vivre, dem ich in Paris auf der Spur war – der Kunst, das Leichte im Schweren zu sehen. Und die leisen Töne im Lärm zu hören.
Auf der Rückfahrt war die Bahn voller Bundeswehr-Soldaten. Einer setzte sich zu uns. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte von den Sorgen der Soldat:innen angesichts der Lage. Er sprach nachdenklich, reflektiert, eher fragend – und leise. Und mit leise mein ich nicht nur die hörbare Lautstärke, sondern auch die Sorgfalt seiner Gedanken, seiner Wortwahl. Auf der Suche nach Wahrhaftigkeit. Und das war so wohltuend, weil genau diese leisen, fragenden Töne zur Zeit so untergehen. Und zugleich - der Gedanke, dass dieser kluge, sympathische Mann und seine Kamerad:innen womöglich bald mit Leib und Leben für die Werte Europas einstehen müssen – das ging mir echt nah.
Wo liegt die Wahrhaftigkeit? Im Lauten? Im Leisen?
Es tut so weh, wie zur Zeit die lauten Töne dominieren, rabiate Antworten - und oft auch die Unwahrheit. Reaktion folgt auf Reiz und eskaliert. In eine gefährliche und lebensfeindliche Richtung. Was in all dem fehlt, wir aber so dringend brauchen: Die leisen Töne. Das Innehalten. Eine gute Nachdenklichkeit, die sich Zeit nimmt, um kluge Gedanken zu entwickeln. Das Laute übertönt so schnell die Suche nach Wahrhaftigkeit. Und das Mitgefühl.
Es ist eine alte Weisheit, dass in der Stille eine große Kraft liegt. Elias, der biblische Prophet erfährt das, als er, als es ihm gerade sehr schlecht geht, nach Gott ruft. Er sucht ihn im Sturm. Aber da ist er nicht. Er sucht ihn weiter, an allen möglichen Stellen - und findet ihn nicht. Aber dann wird es still – er hört, so erzählt es die Bibel: „den Klang einer schwebenden Stille“. Und als es so ganz still wird, da spürt Elia: Gott ist da. Gott wohnt in der Stille.
Die Weisheit des Winters ist es, dass in der Stille Neues geboren wird. Wir brauchen das jetzt: Die Kraft der leisen Töne, die es wagt, zu zweifeln, zu hinterfragen, Nuancen wahrzunehmen.
Mein Wunsch an Sie: Machen Sie morgen nen Winterspaziergang. Gehen Sie wählen. Und: nehmen sie sich zwischendurch Zeit für die leisen Stimmen in ihnen. Die, die wissen, dass mitten im Winter ein unbesiegbarer Sommer liegt.
Eine gute Nacht!