Sa., 23.03.24 | 23:50 Uhr
Das Erste
Stefanie Schardien: Wie geht's?
Wie geht's?
Guten Abend, "wie geht’s Euch allen denn so?" Was für eine Frage!? Eigentlich ziemlich banal, habe ich gedacht. Aber: vor kurzem gab es darauf tausende Antworten im Internet. Dabei hat noch nicht einmal ein Mensch diese Frage gestellt. How is everybody doing? Wie geht’s euch allen denn so? Gefragt hat das – in einem sozialen Netzwerk – Elmo. Der hier. Eine lustige rote Figur aus der Sesamstraße.
Normal wäre: "Wie geht’s? Danke, gut!" Aber als Elmo fragt, fangen auf einmal tausende Menschen an, dieser Puppe aus der Sesamstraße ihr Herz auszuschütten. Wie sie sich fürchten und sorgen, wegen der Kriege und der Umweltzerstörung und der Corona-Folgen, wegen der ganzen vielen großen Krisen, die von morgens bis abends in den Nachrichten sind.
Und andere haben Elmo von ihrem ganz persönlichen Leid erzählt, was vielleicht auf den ersten Blick gegen die Nöte der Welt klein aussieht, aber im eigenen Leben nun mal riesig und unheimlich ist: Ich hab mich getrennt, ich bin arbeitslos, krank, ich bin einsam.
Wie viel Leid es gibt, das weiß ich als Pfarrerin. Kaum zu ertragen. Aber wohin damit? Wo kann ich klagen? Klar, bei Elmo "Wie geht’s euch allen denn so?" Aber reicht das? Es beginnt nun eine Woche, die uns auch ein Angebot dazu macht, eine Klagewoche. Die uns auch, so ein bisschen wie Elmo, die Möglichkeit gibt, dem Leid einen Ort zu geben. Die Karwoche.
Kar kommt von "Karen", ein altes Wort für Klagen. In der Kar-Klagewoche erzählen wir in der Kirche die Passion, die Leidensgeschichte Jesu. Der Tiefpunkt am Karfreitag. Die Erinnerung an den Tod am Kreuz.
Wo Jesus, selbst der Sohn Gottes ganz menschlich ruft: "Ich fürchte mich. Ich bin einsam. Ich kann nicht mehr." All das, woran wir auch oft leiden. Karfreitag. Da ist Platz für all unsere Klagen. Wir müssen doch irgendwo hin mit alldem, was kaum noch auszuhalten ist.
Diese gemeinsame Klagewoche mit dem Karfreitag hilft, dass wir die Augen eben nicht nur einfach verschließen vor dem ganzen Leid, sondern ihm ins Auge sehen. In den Gottesdiensten mischen sich in die Klage um das Leiden Jesu all unsere Leiderfahrungen. So wird das eine riesige gemeinsame Klage. Unüberhörbar. Gerade übrigens, weil es ansonsten einfach mal still ist im Land. Ohne Ablenkung, ohne Shoppen und Parties.
Und so hat dieses gemeinsame Innehalten eine irre Kraft. Nicht nur, dass ich mich weniger allein mit meiner Not fühle. Nein, ich glaube fest, dass dieses Innehalten, dieses gemeinsame Klagen hinausstrahlt. Eben nicht einfach als Jammern, sondern weil die Klage ja auf etwas zeigt: Darauf, was uns fehlt und was wir wollen für unser Leben: mehr Frieden, mehr Zusammenhalt, mehr Liebe, mehr Gerechtigkeit.
Tief unter den Klagen steckt eben Sehnsucht, ja, für mich als Christin schon die Hoffnung, die dann an Ostern gefeiert wird: Doch, da geht was für unser Leben! Das hier ist noch nicht alles.
Wie geht’s denn so? Wenn Sie das in der kommenden Woche jemand fragt, dann finden Sie – vielleicht beide -den Mut und erzählen einander, was Ihnen wirklich auf der Seele liegt. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.