Redakteurin (WDR) Barbara Buhl im Gespräch
Mit Heinrich Breloer verbindet Sie eine lange Zusammenarbeit – von "Die Manns" über "Speer und Er" bis zu den "Buddenbrooks". Was ist das Besondere an seiner Art, Stoffe anzugehen und Filme zu drehen?
Heinrich Breloer geht an seine Stoffe zunächst heran wie ein Forscher. Jede Spur wird verfolgt, seien es die Weggefährten des jeweiligen Protagonisten, seien es seine literarischen Texte selbst, seien es historische und private Lebensumstände und Urkunden wie Heiratsurkunden, Kaufverträge und anderes. Sehr spannend ist dann der Prozeß, wie aus dem Material Spielfilmszenen entstehen und wie sich diese wiederum ergänzen, aber auch konterkarieren mit den Interviews mit Zeitzeugen und anderem dokumentarischem Material. Er ist also Historiker, Literatur wissenschaftler, Dokumentarfilmer und Drehbuchautor in einem, bevor er mit der Regie beginnt. Dann geht er im Schnitt wieder in die dokumentarischen Anteile seiner Arbeit zurück, bis sich daraus ein neues Ganzes fügt.
Was war Ihnen bei der Stoffentwicklung inhaltlich besonders wichtig?
Inhaltlich war mir wichtig, der Person wie dem Schriftsteller Brecht in den verschiedenen Phasen seine Lebens und Schaffens noch einmal neu und vorurteilsfrei, aber vor allem innerhalb seiner historischen Umständen zu begegnen und seiner privaten Person etwa näher zu kommen. Als Dramaturgin war mir wichtig, immer die Position des Zuschauers zu vertreten, der eine Fülle an Material angeboten be kommt, also bei den vielen Malen des Lesens des Drehbuchs und später des Sehens des Films im Schneideraum alles immer wieder möglichst neu auf mich wirken zu lassen und die Wirkung an mir zu beobachten.
Sie haben den Zweiteiler von Anfang an in enger Abstimmung mit Ihren Fernsehfilm-Kollegen vom BR, SWR, NDR und ARTE betreut. Warum ist eine solche Teamarbeit bei einem Projekt wie diesem besonders wichtig?
Ich will mich zunächst bei Cornelia Ackers vom BR, Sandra Dujmovic vom SWR, Christian Granderath vom NDR und Andreas Schreitmüller von ARTE bedanken, die uns großartig bei der inhaltlichen Arbeit unterstützt haben. Sie kamen immer wieder nach längeren Entwicklungsschritten mit ihrer kritischen, aber konstruktiven Sicht dazu und hatten dadurch die nötige Distanz, um auf schwierige Punkte hinzuweisen. Bei einem so aufwändigen Projekt ist es aber insgesamt sehr gut, die Verantwortung und vor allem auch die Finanzierung auf mehrere Schultern zu verteilen. Ohne diese breite Unterstützung wäre das Projekt wohl nicht zustande gekommen. Erwähnen will ich hier aber auch unsere Produzentin Corinna Eich von der Bavaria, die ebenso engagiert und von der Bedeutung dieses Projekts überzeugt war wie wir alle und auch in schwierigen Situationen immer die bestmögliche Lösung gefunden hat! Für uns alle war das eine lange, nicht immer einfache Strecke, aber eine extrem positive Zusammenarbeit.
"Brecht" ist zugleich der letzte Film, den Sie als Redakteurin und stellvertretende Hauptabteilungsleiterin WDR-Fernsehfilm federführend betreuen – auf der Zielgeraden zur Ausstrahlung in diesem Jahr sozusagen noch aus dem Ruhestand heraus. Sie selbst haben über Brecht promoviert. Inwiefern ist dieser Zweiteiler in Ihrer langen und erfolgreichen Vita als Filmredakteurin ein sehr besonderes Projekt? – Eine Herzensangelegenheit?
Heinrich Breloer ist mit diesem Thema zum WDR und zu mir gekommen. Er hatte den Wunsch, sich mit dem zweiten großen deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts neben Thomas Mann zu beschäftigen. Ich hatte Brecht längst abgeschüttelt und vieles vergessen. Dann habe ich allerdings Feuer gefangen, und es wurde zu einer Herzensangelegenheit, diesen in wenige Schubladen eingesperrten Dichter und Theater mann, dessen Namen jeder kennt, aber über den man so wenig weiß, dem heutigen Publikum noch einmal neu nahezubringen – wie es Heinrich Breloer mit Thomas Mann so hervorragend gelungen war. Und mein BrechtBild hat sich noch einmal diametral geändert!
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