Im Gespräch mit Drehbuchautor Ralf Kinder
Sie haben Anne Marie Fuchs als Auslandsspionin angelegt, warum?
Wir wollten eine Figur erzählen, die aus der DDR gekommen, in die Bundesrepublik gegangen und im vereinigten Deutschland nie angekommen ist. Anne Fuchs hat sich 1981 als politischer Häftling aus der DDR freikaufen lassen. Diese Aktion geschah im Auftrag des MfS, denn tatsächlich war die Protagonistin zu diesem Zeitpunkt eine Stasi-Agentin, die in Westdeutschland operierte. Stasi in der DDR – das ist ein zu Recht negativ besetztes Thema. Die Tätigkeit dieser Menschen zielte darauf ab, die Herrschaft einer Partei zu sichern. Und das bedeutete auch, anderen bewusst zu schaden, sie anzuschwärzen. Dies entspricht überhaupt nicht Annes Charakter. Als "Kundschafterin des Friedens" hatte Anne die Überzeugung, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des Weltfriedens leistet – umso tragischer war für sie die Erkenntnis, dass sie bei ihrer Arbeit eben doch nicht "sauber" bleiben konnte, andere manipuliert, Existenzen zerstört hat.
Welche Rolle spielt die Figur Youssef für Anne?
Man würde Anne ohne Youssef nicht wirklich begreifen. Er ist ein Araber mit vielen deutschen Eigenschaften, hält sich an Gesetz und Ordnung und hat klare moralische Vorstellungen. Youssef gibt Anne die Möglichkeit, neu anzufangen, er begleitet sie förmlich zurück ins Leben. Er ist ein wahrer Freund und geht immer wieder auf die spröde Anne zu, die Freundschaft nur schwer annehmen kann.
Sie selbst sind in der ehemaligen DDR aufgewachsen – hat das beim Schreiben dieses Stoffes geholfen?
Nun ist ja Anne als junge Frau in den Westteil Deutschlands gegangen, hat mehr als die Hälfte ihres Lebens dort verbracht und ist, was die Sozialisation angeht, eigentlich schon mehr "Westlerin" als Ex-DDR-Bürgerin. Wenn ich also überlege, was ich anders schreiben kann als ein Kollege, der in Hamburg oder München aufgewachsen ist, dann fällt mir natürlich als erstes ein gewisses Vokabular ein: "Klassenauftrag", "Schild und Schwert der Partei", "Kundschafter des Friedens". Und wahrscheinlich hat man im Westen Deutschlands auch nicht die DDR-Fernsehserie "Das unsichtbare Visier" gesehen, in der Armin Müller-Stahl einen DDR-Agenten in der Bundesrepublik spielt. Ein Stasi-Mann als allseits beliebter positiver Held, das muss man sich mal vorstellen. War aber möglich, weil er vor allem gegen Alt-Nazis kämpft, die in der jungen Bundesrepublik schon wieder neue Seilschaften knüpfen. Sicher ist das auch in die Gestaltung unserer Hauptfigur mit eingeflossen.