Mi., 10.09.14 | 21:45 Uhr
Das Erste
Wieder draußen ...
Ein Sexualstraftäter zieht nach verbüßter Haftstrafe bei seinem Bruder ein und löst in der Nachbarschaft Ängste und heftige Proteste aus, die am Ende alle Beteiligten traumatisieren. Die Geschichte des Fernsehfilms "Ein offener Käfig" hat sich in der Realität ganz ähnlich abgespielt und in den Jahren 2009 und 2010 Schlagzeilen gemacht.
Damals gingen in der kleinen Gemeinde Randerath in der Eifel Bürger auf die Barrikaden. Sie wehrten sich dagegen, dass ein Vergewaltiger in ihre Nachbarschaft zog. Der Protest lief aus dem Ruder, zog Rechtsextremisten an; und die Boulevard-Medien trugen ihren Teil dazu bei, die Stimmung aufzuheizen. Dies alles hat bis heute tiefe Wunden in der Gemeinde geschlagen. Der Bruder des entlassenen Häftlings lebt heute an einem geheimen Ort, der Haftentlassene war zeitweise freiwillig zurück in eine JVA gegangen. Es sei eine "konstruierte Panik" gewesen, sagt der Anwalt der Brüder im Rückblick.
Wie zuverlässig sind die Therapien?
Fälle wie diese werfen vor allem zwei Fragen auf: Haben Menschen selbst nach schwersten Straftaten nicht das Recht auf eine zweite Chance? Doch wie schützt man dann gleichzeitig die Umgebung vor Wiederholungstaten? Mit diesen Fragen reist ARD-Autor Wolfgang Luck in die JVA Ludwigshafen. Er trifft dort einen Mann, der seine Frau ermordet hat und der jetzt mit Hilfe umfangreicher Therapieangebote auf das Leben in Freiheit vorbereitet wird. Der Sozialarbeiter der Anstalt sieht das ganz pragmatisch: "Vielleicht sind unsere Häftlinge tickende Zeitbomben. Aber wir sind dafür da, sie zu entschärfen."
Doch wie zuverlässig sind solche Therapien: Machen sie aus Schwerverbrechern integrationswillige Normalbürger? Experten sind sich einig, dass durch möglichst frühzeitige Therapieangebote viele Rückfälle verhindert werden können. Der Karlsruher Richter Klaus Michael Böhm spricht von "präventivem Opferschutz", wenn er mit seinem Verein BIOS pädophilen Kriminellen und Vergewaltigern zu Therapien verhilft.
"Ich bin doch keine Bestie"
Wegsperren allein sei keine Lösung, sagt er. Und: das Justizsystem müsse sich dringend umstellen. Bislang würden Therapien oft erst genehmigt, wenn ein Täter zum zweiten oder dritten Mal verurteilt werde. "Aber eine Gesellschaft darf es sich nicht leisten, auf Ruckfälle zu warten".
Autor Luck trifft auch einen der ehemaligen Sexual-Straftäter, dem Gutachter bei seiner Entlassung ein hohes Rückfall-Risiko bescheinigten. Ursprünglich war er zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, anschließend wurde eine Sicherungsverwahrung verhängt.
26 Jahre saß der Mann im Gefängnis. Schließlich ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Freilassung an. Heute lebt er unbescholten und anonym an geheimen Ort; ein gebrochener Mann, der im Interview sagt: "Ich kann verstehen, dass die Gesellschaft Angst vor mir hatte. Aber ich bin doch keine Bestie."
Ein Film von Wolfgang Luck
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