Verhältnismäßigkeit und Einzelfallgerechtigkeit

Fragen an Prof. Dr. Rudolf Egg

Der Psychologe Rudolf Egg
Der Psychologe Rudolf Egg ist Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. | Bild: dpa

Der Psychologe Rudolf Egg ist Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, einer Forschungs- und Dokumentationseinrichtung von Bund und Ländern. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Rückfälligkeit und Behandlung von Straftätern, Sexual- und Gewaltdelikte, Aspekte von Tätern und Opfern sowie die forensisch-psychologische Begutachtung.

Prof. Egg, warum haben Sie die fachliche Beratung für den Film übernommen?

Als Wissenschaftler möchte ich meine Erkenntnisse nicht nur in kleinen Fachkreisen diskutieren, sondern auch für Laien verständlich machen. Die Beratung dieses Filmprojektes war für mich daher die Gelegenheit, mein Anliegen in einem für mich ungewohnten Umfeld umzusetzen.

Was ist falsch an der Forderung, Sexualstraftäter "für immer wegzusperren"?

Ein "Wegsperren für immer" kann in unserem Rechtsstaat immer nur das letzte, aber nicht das einzige Mittel sein, um die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit verlangen von uns Augenmaß und nicht pauschale Hauruck-Lösungen.

Im Fokus von "Ein offener Käfig" stehen der Täter und die Reaktion des Umfelds auf ihn. Sollte man sich mehr auf die Opfer konzentrieren?

Nur wenn wir die Entstehungszusammenhänge von Straftaten verstehen und durch angemessene Strafen und mit erfolgversprechenden Maßnahmen darauf reagieren, können wir auch einen optimalen Opferschutz gewährleisten. Ein Blick nur in diese oder jene Richtung ist immer einseitig und kann deshalb verhängnisvoll sein.

Sind die dargestellten Szenen realistisch?

Ein Spielfilm kann niemals die Realität hundertprozentig abbilden, schließlich müssen ja in 90 Minuten relativ komplexe Zusammenhänge dargestellt werden und das Ganze soll auch noch Ein offener Käfig spannend und sehenswert sein. Verkürzungen oder Zuspitzungen sind sicher unvermeidlich.
Das Drehbuch orientiert sich aber weitgehend an realen Gegebenheiten, auch wenn die Handlung als solche frei erfunden ist. Das Verhältnis der beiden Brüder, die sehr unterschiedliche Lebenswege gegangen sind und zurückgeworfen werden in ihre gemeinsame Kindheit, ist jedenfalls eine sehr spannende und psychologisch äußerst ansprechende Story.

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