Gepräch mit Astrid Ruppert und Susanne Schneider
Drehbuch
Frau Ruppert, Sie haben sich neben vielen erfolgreichen Drehbüchern in ihren Romanen häufig für Familiengeschichte und Mutter-Tochter-Beziehungen interessiert. Was reizt sie besonders daran?
Familienbeziehungen begleiten und prägen uns ein Leben lang. An ihnen reiben wir uns, an ihnen wachsen wir und entwickeln unsere Identität. Auch die Erfahrungen unserer Eltern und Großeltern beeinflussen das eigene Leben oft mehr, als man glaubt. Deshalb finde ich es immer wieder erhellend, sich auch in unterschiedlichen Lebensphasen mit familiären Botschaften auseinanderzusetzen.
Und wie kam es zu der Idee von „Auf dem Grund“?
Schweigen und Geheimnisse in Familien sind besonders spannend, weil sie eine unglaubliche Dynamik entwickeln können. Ich hatte der Geschichte einmal das Motto vorangestellt: „Nicht wir hüten unsere Geheimnisse, vielmehr hüten die Geheimnisse uns.“ Das war ein Gedanke, auf den ich vor Jahren gestoßen bin, der sich mir eingeprägt hat. In „Auf dem Grund“ beeinflusst das gutgemeinte Verschweigen eines tragischen Unfalls eine Familie über Jahrzehnte. Interessant finde ich, dass hier etwas „gutgemeint“ ist. Das macht es aber noch lange nicht „gut“!
In dem Film wird erzählt, dass ein nicht aufgelöstes Trauma die Beziehungen der Familienmitglieder blockiert bzw. dass sich die Geschichten wiederholen. Was müssten die Figuren tun, um aus dem Prozess „auszusteigen“?
Selbst wenn es der Familie einmal nötig schien zu schweigen, aus einem Schutzbedürfnis heraus, muss der Zeitpunkt gefunden werden, an dem das Schweigen gebrochen wird und man sich mit dem Geschehenen konfrontiert. Das ist ein bisschen so, wie wenn man mal schmerzhaft mit dem Fuß umgeknickt ist und dann lange Zeit eine Schiene trägt, die das Gelenk schützt, damit es nicht nochmal passiert. Aber irgendwann stört diese Schiene, man wird unfrei in der Bewegung. Dann ist es Zeit, sie abzulegen, um wieder durchs Leben rennen und tanzen zu können. Für diese Familie ist es an der Zeit, diese „Bandage“ abzulegen, auch auf die Gefahr hin, dass es weh tut, um wieder freier zu sein.
Frau Schneider, Sie haben sich in Ihren Filmen häufig für Frauenfiguren interessiert, die aus dysfunktionalen Familien kommen. Was hat Sie daran gereizt und wie kam es zu der Idee, das Familiendrama mit Mystery-Elementen zu erzählen?
Die Komplexität solcher Figuren, die entweder traumatisiert oder psychisch belastet sind, bieten in der Regel mehr erzählerischen Raum als Charaktere, die ein intaktes Umfeld haben. Bei Letzteren muss der Konflikt von außen kommen, durch ein Ereignis, das die Geschichte in Bewegung setzt. Bei Figuren, die mit inneren Konflikten und Belastungen ringen, setzt sich das Drama durch einen Trigger in Gang, der aus den Figuren selbst kommt und der sie mit ihren Traumata oder unbewältigten Problemen, deren Ursprung ihnen manchmal ein Rätsel ist, konfrontiert – so wie in „Auf dem Grund“. Da kann man sehr tief schürfen und das gefällt mir beim Schreiben.
Wie kam es zu der Idee, das Innenleben der Figuren ebenfalls zum Teil der Geschichte werden zu lassen?
Ich hatte die Idee, das Familiendrama mit Mystery-Elementen zu erzählen und wurde dabei unterstützt vom Regisseur Thorsten M. Schmidt. In der Vorlage spielt Wasser ja eine große Rolle, und es hat uns gereizt, visuelle Umsetzungen und eine Bildsprache für das Unterbewusste, von dem die Protagonistin getrieben wird, zu finden.
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