Gespräch mit Marleen Lohse
Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an die Dreharbeiten zu "Estonia" zurückdenken?
Als Allererstes muss ich an dieses wilde Dorffest denken und an mein Katzenkostüm. Ich selbst bin auch ein Dorfmädchen. Deshalb kam mir das alles ganz bekannt vor, wie dort in einem Saal gefeiert wird, mit Kostümen und der ganzen Dorfgemeinschaft. Das hat riesig Spaß gemacht. Das Katzenkostüm, das Jule hier trägt, ist eine Mischung aus Wildkatze und Motorradbraut. Es ist ziemlich improvisiert und zusammengewürfelt. Diese Unentschiedenheit passt zu ihr, darin ist sie sehr konsequent.
Jule Christiansen bekommt es in der Tierarztpraxis mit einem niedlichen kleinen Bären zu tun. Hätten Sie den gern mit nach Hause genommen?
Bei uns zu Hause im Garten gibt es auch einen Waschbären, insofern habe ich schon einen. (lacht) So kleine Waschbären sind wirklich superniedlich, aber natürlich sind sie auf keinen Fall Haustiere. Die brauchen viel Platz, und sie sind auch nicht so harmlos, wie sie aussehen. Nachdem wir sie auf den Armen gehalten hatten, waren wir ziemlich zerkratzt. Die greifen richtig und halten sich fest, wo es nur geht. Im Haus möchte ich sie also nicht haben, auch wenn sie sehr putzig sind.
Hund Holly muss einer Not-OP unterzogen werden. Da muss jeder Handgriff sitzen. Bekommen Sie tierärztliche Beratung?
Wir drehen in einer echten Tierarztpraxis, und der Arzt, dem diese Praxis gehört, steht uns mit Rat und Tat und seinem ganzen Fachwissen zur Seite. Wir sprechen alles vorher mit ihm durch, aber auch wenn sich spontan noch Fragen ergeben, kommt er dazu und berät uns. Das ist toll.
Als Jule und Hauke ein Gläschen Sekt trinken, gerät sie ins Plappern, während er immer verlegener wird. Eine hübsche Szene. Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Hinnerk Schönemann und Ihnen?
Über die Arbeit mit Hinnerk komme ich immer wieder ins Schwärmen, weil die total schön ist. Er ist sehr situativ und sehr wach. Man muss gut vorbereitet sein, denn es kann immer wieder anders kommen, als es ursprünglich geplant war, wie im Leben eben auch. Das ist für mich eine schöne Ebene, um ins Spielen zu kommen. Ich habe immer das Gefühl, es ist so ein Grundvertrauen da, auf dem man sich gut bewegen kann. Wir spielen das ja jetzt schon eine Weile und wissen, wo wir hinwollen. Wir haben als Figuren unterschiedliche Ziele, und es ist schön, diese Reibung zu spüren. "Vertrauen schafft Leistung", hat mir mal ein Regisseur gesagt. Und so empfinde ich es auch. Man hat den Mut, sich zu zeigen und etwas von sich einzubringen, wenn die Umgebung stimmt.
Sind Sie die rasanten Motorradrennen in dem Film "Der Transport" eigentlich selbst gefahren?
Ich habe zwar extra für diese Reihe den Motorradführerschein gemacht, weil das die Rolle der Jule voraussetzte, aber so gut und schnell zu fahren beherrsche ich nicht. Das wilde Rennen in diesem Film habe ich einer Stuntfrau überlassen, die eine Meisterin ihres Fachs ist. Und sie hat das super gemacht!
Tierarzt Hauke war bislang Jules Schwarm. Jetzt kommt ein Biker vorbei und erobert sie im Nu. Hat der Tierarzt noch eine Chance bei ihr?
Ja klar hat er das noch! Hauke ist Jules große heimliche Liebe, aber bislang hat er ihre Offerten und ihre Schwärmerei leider nicht erwidert. Mit dem schwedischen Motorradfahrer ist das etwas ganz anderes. Das ist ein Flirt und hat keine wirkliche Substanz. Das merkt „Es ist schön, dass ich mit meiner Figur auf die Reise gehe“ Gespräch mit Marleen Lohse Nord bei Nordwest Jule spätestens, als sie ihn im Stroh verführen möchte und er vor dem Esel Panik bekommt. Ihre natürliche Liebe zu den Tieren versteht er einfach nicht! Natürlich war es nicht nett von Hauke, seinem Nebenbuhler den Karaoke-Abend zu empfehlen, weil er genau weiß, dass Jule Karaoke schrecklich findet. Aber Hauke möchte Jule beschützen. Oder ihm wurde in dem Moment klar, dass sie ihm eigentlich mehr bedeutet?! Mal abwarten, was sich zwischen den beiden entwickelt …
Was hat Ihnen an der Geschichte "Der Transport" besonders gefallen?
Ich mochte zum einen sehr, dass Jule dieses Mal in den Fall involviert ist, und zum anderen, dass ihrer privaten Geschichte Raum gegeben wird. Es ist schön, dass ich mit meiner Figur auf die Reise gehe und der Zuschauer erfährt, dass Jule nicht nur ein strahlendes, glückliches, ein bisschen naives Vögelchen ist, das immer gute Laune verbreitet, sondern dass sie ein Mensch mit Tiefe ist und einer, der seit dem Tod des Bruders auch eine Traurigkeit mit sich herumschleppt.
Und unter dem schwierigen Verhältnis zum Vater leidet …
… was wiederum mit dem frühen Tod des Bruders zusammenhängt. Jule nimmt an dem Motorradrennen teil, weil sie sich ihrem Bruder gegenüber schuldig fühlt. Dennoch ist sie kein schwermütiger Mensch. Sie hat sich bewusst entschieden, glücklich zu sein. Aber in dieser Folge zeigt sie eben auch eine andere Seite.
Macht es für Sie einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann Regie führt?
Es macht natürlich einen Unterschied, eine Frau zu haben als Sparringspartner, oder von der Energie her, die am Set herrscht. Aber künstlerisch macht es, finde ich, keinen Unterschied. Wenn jemand weiß,, was er erzählen will, und seine Technik hat, bringt er sein Eigenes in die Arbeit ein. Keiner von uns ist austauschbar, egal in welcher Position. Wenn wir einen anderen Regisseur haben, ist es am Ende ein anderer Film. Wenn wir einen anderen Schauspieler haben, ist es am Ende ein komplett anderer Film. Sobald man ein Glied in der Kette verändert, verändert sich alles.
Sind Sie für eine Quote?
Ich finde es schwierig, wenn man sagt, man macht ein Gesetz daraus. Man sollte individuell entscheiden können. Ich sehe das Problem aber auch eher bei den Geschichten; in denen fehlt mir oft die Sichtweise einer Frau. Da könnte man mutiger sein. Es gibt nicht genug Raum für weiblich motivierte Geschichten und für weibliche Heldinnen. Auf soundsoviel männliche Titelhelden kommt nur ein Prozent weibliche. Das finde ich wirklich schade. Denn ich habe in meiner Umgebung lauter weibliche Heldinnen.
Alle fünf abgedrehten Folgen der Reihe wurden von jeweils anderen Regisseuren gedreht. Wie empfinden Sie das?
Ich empfinde das als eine Bereicherung. Natürlich sind die Charaktere von Jule, Lona und Hauke gesetzt. Aber es ist jedes Mal spannend zu sehen, wie sich die Regisseure mit unseren Figuren auseinandersetzen und dass sie mitunter einen neuen Blick auf sie werfen und bislang unbekannte Seiten von ihnen herausarbeiten.
(Interview: Birgit Schmitz)
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