Gespräch mit Jonathan Perleth
"Wenn’s schlecht läuft, kann sich die Beziehung zur Familie sehr verschlechtern, oder sie bricht ganz ab" – Gespräch mit Jonathan Perleth als Daniel A.
Sie spielen Daniel A. Wie kam es zu Ihrem Engagement und was hat Sie an der Rolle angesprochen?
Als ich die erste Mail von der Casterin Mai Seck bekam, war ich noch in Bern an der Schauspielschule. Ich hatte gerade erst ein halbes Jahr Testosteron genommen, sah also noch relativ weiblich aus. Aber auf den ganzen Casting-Portalen, auf denen man mich eventuell hätte finden können, hatte ich meinen Namen schon zu Jonathan geändert. Darum war mir gleich relativ klar, dass eine trans Person gesucht wird. So viele trans Personen hat man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ja noch nicht gesehen, und ich hatte, ehrlich gesagt, Sorge, dass das ganze Thema ein bisschen oberflächlich bleibt und es um eine Figur geht, die hauptsächlich aus Stereotypen besteht. Entsprechend habe ich mich sehr gefreut, als ich schließlich mit der Einladung zum Casting auch das Buch bekam und sah, dass Daniel A. eine gut geschriebene, vielschichtige Figur mit eigenen Antrieben war, eine Rolle, die ich mir richtig erarbeiten musste.
Daniel gerät durch seine Verwicklung in den Fall Nathalie Gerber in ein Dilemma. Einerseits möchte er zur Aufklärung beitragen, andererseits hat er Angst, als trans Mann geoutet zu werden, wofür er sich noch nicht bereit fühlt. War das ein Aspekt der Figur, den Sie ohne Weiteres nachvollziehen konnten?
Ich finde die Angst der Figur total nachvollziehbar. Es kommt tatsächlich auch heute noch vor, dass Kinder von ihren Eltern rausgeschmissen werden, weil sie queer sind. Es tut sich zwar viel in unserer Gesellschaft, aber trotzdem gibt es das alles noch. Und es geht dabei ja auch nicht nur um das Worst-Case-Szenario, dass man am Ende alleine auf der Straße steht, sondern da hängt emotional noch mehr dran. Denn wenn’s schlecht läuft, kann sich die Beziehung zur Familie sehr verschlechtern, oder sie bricht ganz ab. Das erzählt der Film alles mit, und mir erschien diese Geschichte sehr plausibel.
Finden Sie es wichtig, dass eine trans Figur von einer darstellenden Person gespielt wird, die selbst trans ist?
Das ist ein schwieriges Thema. Vor allem ist wichtig, dass Geschichten mit trans Figuren überhaupt erzählt werden. Und wenn man keine entsprechende schauspielende Person für die Rolle findet, muss man gucken, wie man das löst. Grundsätzlich finde ich aber schon, dass man versuchen sollte, trans Figuren von trans Personen spielen zu lassen. Aber nicht, weil ich finde, dass wir trans Personen so eigen und so anders wären, dass sich niemand in uns einfühlen kann. Dieser Gedanke widerstrebt mir. Vielmehr geht es darum, dass gerade an ganz verschiedenen Ecken und Enden deutlich wird, dass es mehr Repräsentation braucht. Und bei trans Personen stellt sich diese Frage der Repräsentation noch mal anders, als wenn es zum Beispiel um sexuelle Orientierung geht. Denn es gibt bestimmte transfeindliche Haltungen, wo gesagt wird: "Ach, das ist doch nur ein Mann in Frauenkleidern." Oder: "Das ist doch nur eine Frau, die nicht Frau sein will und deswegen so tut, als wäre sie ein Mann." Und wenn man einen trans Mann im Film mit einer Frau besetzt oder eine trans Frau mit einem Mann, dann spielt man genau diesem transfeindlichen Diskurs in die Hände. Denn dann sieht man letzten Endes doch tatsächlich einen Mann in Frauenkleidern oder eine Schauspielerin, die versucht, ein Mann zu sein. Das hat Jen Richards einmal so treffend in einer Doku beschrieben. Deshalb ist die Frage, wer wen darstellen kann oder sollte, wenn es um trans Personen geht, noch mal eine ganz andere. Weil es hier eben auch um eine körperliche Repräsentation geht.
Die äußere Verwandlung von Daniel zu Daniela und umgekehrt findet in diesem Film immer in Daniels Bus statt. In einer Szene sieht man Sie kurz nackt. War das eine Herausforderung für Sie?
Diese Szene haben wir relativ spät gedreht, und Dustin war so sehr darauf bedacht, dass für mich alles in Ordnung ist, dass ich dann, was das Nacktsein angeht, gar kein Problem hatte. Das war eigentlich easy. Komischerweise war es für mich schwieriger, in Damenunterwäsche dazustehen, das war schlimmer, weil es so weiblich konnotiert ist. Viel schwieriger als die Szene, in der man meine Brüste sieht, fand ich die Szene, in der ich mir, innerlich total aufgewühlt, das Make-up aus dem Gesicht wische. Vor der Szene hätte ich richtig Bammel gehabt, wenn ich vorher gewusst hätte, wie ich das dann am Ende spiele. Aber auch das hat Dustin toll geregelt. Er hat gesagt, wir drehen das nur einmal, also wusste ich, dass ich alles geben musste. Diesen Take hätte ich so auch nicht dreimal machen wollen. Das war sehr emotional; es lag eine große Wut darin.
Sie stammen aus Rostock. Wie war es für Sie, in Ihrer Heimatstadt zu drehen?
Dass ich in einem Rostocker „Polizeiruf 110“ mitspielen konnte, war natürlich eine sehr besondere Sache für mich. Das war total schön. Ich gucke eigentlich sehr wenig Fernsehen, aber den Rostocker „Polizeiruf“ schaue ich mir tatsächlich immer noch mit meinen Eltern an, wenn ich nach Hause komme, weil ich den so toll finde. Und diese Rolle war als Einstieg für mich superschön, das hat mir viel bedeutet.
Wie haben Sie Ihre Zusammenarbeit mit Dustin Loose empfunden?
Ich hab’ mich in der Arbeit mit Dustin gleich sehr aufgehoben gefühlt und fand es toll, dass er sich schon beim Casting viel Zeit genommen hatte, denn dadurch kannte man sich beim Dreh schon ein bisschen. Und er hat sichergestellt, dass ich bei Kostüm und Maske mitreden konnte. Ich hatte das Gefühl, dass ich viele Freiheiten hatte. Er hat mir sehr vertraut und ich ihm auch.
Sie haben es eingangs erwähnt: Bei den Dreharbeiten standen Sie persönlich noch am Anfang Ihrer Transition. Wenn Sie sich den Film heute anschauen, ist das wie ein Blick in Ihre Vergangenheit?
Ja, total! Ich hab’ den fertigen Film ungefähr ein Jahr nach den Dreharbeiten zum ersten Mal gesehen, und es ist schon krass, mich noch mal so zu sehen. Auf diese Weise merkt man viel mehr, wie viel sich in der Zwischenzeit verändert hat. Aber ich finde es auch schön, dass das so festgehalten ist. Das ist schon besonders.
Kommentare