Gespräch mit Anneke Kim Sarnau und Lina Beckmann

Müssen sich für ihren ersten gemeinsamen Fall zusammenraufen; Kommissarinnen Melly Böwe (Lina Beckmann) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau).
Müssen sich für ihren ersten gemeinsamen Fall zusammenraufen: Kommissarinnen Melly Böwe und Katrin König. | Bild: NDR / Christine Schröder

"Die Stimmung im Kommissariat ist professionell, aber nicht herzlich" – Anneke Kim Sarnau und Lina Beckmann im Interview

Melly Böwe ist neu in Rostock. Auch Sie als Darstellerin kommen neu in ein eingespieltes Ensemble, Frau Beckmann. Gab es da Überschneidungspunkte?

Lina Beckmann: Wenn ich mich selbst dabei beobachtet habe, wie ich versuche, in dieser Truppe anzukommen, wie man sich aneinander gewöhnt und langsam kennenlernt, konnte ich schon auch manches für die Rolle benutzen. Aber meine Schauspielkolleg*innen sind alle ganz bezaubernd. Am meisten Zeit habe ich ja mit Anneke, und ich finde es fast schon bewundernswert, wie offen sie mich empfängt, wie sie sich auf Szenen mit mir freut. Wir haben uns privat viel schneller gefunden, als die beiden Figuren im Polizeiruf sich finden, und uns zusammen schöne Sachen für die Szenen ausgedacht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Anneke Kim Sarnau: Es fühlte sich von Anfang an wirklich gut an, und wir haben uns als Ensemble gleich wahnsinnig aneinander gefreut. Schon bei den ersten Vorbesprechungen und dem Reden über die Drehbücher hat man gemerkt, dass Lina einen tollen Blick auf die Dinge hat und eine neue Sicht reinbringt und dass das total passt. Das ist ein tolles Arbeiten miteinander.

Melly Böwe wird nicht gerade der rote Teppich ausgerollt. Wie ist das für die Figur, da zu stehen und zu merken: Es hat keiner auf mich gewartet?

LB: Auf der einen Seite ist das natürlich verletzend und irritierend für sie. Andererseits hat sie auch ein bisschen damit gerechnet, weil sie ja weiß, wessen Platz sie einnimmt, und ahnt, dass vielleicht auch intern jemand anders auf den Posten gehofft hat. Und natürlich auch, weil sie die Halbschwester von Bukow ist, der für Katrin König viel mehr war als nur ein Kollege. Melly hat sich eine gute Rüstung angezogen, um in diese Situation reinzugehen, und versucht, die ersten Reaktionen an sich abperlen zu lassen. Das hat sie sich jedenfalls vorgenommen. Stellenweise macht ihr das aber schon mehr aus, als sie es sich vorgestellt hat. Die Stimmung im Kommissariat ist professionell, aber nicht herzlich.

Bukows Abschied liegt jetzt schon ein bisschen zurück. Die Profilerin wirkt sehr konzentriert, aber auch ungewohnt spröde und distanziert. Wie geht es ihr?

AKS: Immer noch nicht gut. Sie ist noch ein bisschen gelähmt, aber inzwischen immerhin auf dem Weg dahin, ihre Mitte wiederzufinden. Sie wird immer mehr zur Einzelgängerin, und irgendwie fehlt ihr der Sinn im Leben. Das, wonach sich jede*r sehnt – Liebe und Geborgenheit – hatte sie gefunden, sie hatte es einmal zugelassen, und dann ist das alles auf eine so blöde und auch frustrierend tragische Weise gekippt. Eigentlich hat Sascha sich aus dem Staub gemacht, und jetzt kommt da auch noch diese Halbschwester, die sie durch ihre Anwesenheit permanent daran erinnert, dass es da mal diesen Bukow gab.

Ist sie angestrengt von der Neuen?

AKS: Ich glaube, die Situation überfordert sie einfach hauptsächlich. Wie die ist und wie die auftritt, das ist ihr zu viel. Dieses Freundliche, Präsente, Großzügige passt nicht zu ihr, damit kann sie nicht umgehen. Melly Böwe ist ihr zu distanzlos. Am Anfang ist es sicherlich so, dass sie lieber allein arbeiten würde, aber letzten Endes freut sie sich doch auch irgendwie. Sie merkt immer mehr, dass der Blick von Melly noch mal eine neue Ebene aufmacht und dass das eigentlich sehr hilfreich ist. Für Katrin König ist es auch spannend zu sehen, wie Melly mit diesem Job umgeht und an Fälle herangeht. Das findet sie gut, kann es sich – und ihr – aber noch nicht eingestehen.

Das neue Rostocker Polizeiruf-Kommissarinnen-Team; Melly Böwe (Lina Beckmann) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau).
Das neue Rostocker Polizeiruf-Kommissarinnen-Team: Melly Böwe und Katrin König. | Bild: NDR / Christine Schröder

Melly Böwe erweist sich auf ihre nette Art als sehr hartnäckig und offensiv. Wie nimmt sie das abweisende Verhalten der Kollegin wahr?

LB: Melly hat eine gute Menschenkenntnis und sieht genau, wen sie da vor sich hat. Sie sieht keine Zicke in ihr, sondern erkennt, dass Katrin König eine tolle Frau ist, die aber verletzt ist und darum eine Schutzmauer um sich baut. Natürlich nimmt Melly auch wahr, wie unterschiedlich sie jeweils ticken. Die beiden sind sich erst mal sehr fremd und privat voneinander irritiert, aber in der Arbeit merken sie, wie gut sie eigentlich zusammen sind. Melly lässt sich nicht verschrecken oder ausschließen, sie beharrt auf ihrer Position und versucht, sich nicht irritieren zu lassen, und das, finde ich, ist eine Stärke.

Der Besuch bei der Mutter des Opfers wird zu einer ersten Belastungsprobe. Die Ermittlerinnen reagieren hier sehr unterschiedlich, die eine sachlich, die andere mitfühlend. Wie erlebt Melly Böwe diese Szene?

LB: Melly hat sich in der ganzen Brutalität ihres Berufs die Fähigkeit zur Empathie bewahrt. Sie weiß natürlich sehr genau, was in dieser Mutter vorgeht, aber sie ist nicht Opfer ihrer Empathie, verliert sich nicht in diesem Gefühl. Sie kennt solche Situationen und ist darin ausgebildet, mit den Reaktionen der Angehörigen umzugehen. Ich finde es selbst immer spannend, wie Leute damit umgehen, dass sie jeden Tag so schlimme Sachen sehen. Das hat mich an dem Format und dieser Aufgabe unglaublich gereizt, und ich hab’ mir für die Figur überlegt, dass sie das bis jetzt immer ganz gut verpacken kann. Sie hat einen guten Schutz um ihre Seele und ihr Herz, weil sie sich in dem Punkt gesund hält.

Der Fall kreist um einen trans Mann, der sich aus Angst, geoutet zu werden, vor der Polizei versteckt. Wie gefiel Ihnen die Herangehensweise an das Thema?

AKS: Das Thema wird häufig sehr klischeemäßig behandelt. Wenn die Polizei im Fernsehen auf queere oder trans Figuren trifft, sind sie meistens in einem speziellen Milieu angesiedelt. Das Besondere hier ist, dass das Thema mal auf einer Alltagsebene behandelt wird und man sieht, welchen Problemen eine trans Person in ihrem echten Leben ausgesetzt ist. Die Tragik, dass solche Menschen sich immer noch schwer outen können, wird in diesem Krimi mal auf eine andere Art erzählt. Das finde ich toll.

LB: Der Film führt vor Augen, was für ein unglaublich komplexer Vorgang das sein kann, nicht nur für die Person selbst, sondern für eine ganze Familie. Und wie schwer es Menschen in so einem System von Familie oder überhaupt von der Gesellschaft gemacht werden kann, zu ihrer Identität zu stehen. Unser Film macht das nachvollziehbar, und das fand ich irre spannend, gerade auch, weil man hier sieht, dass es nicht nur um das Outen geht, sondern um so vieles mehr. Auch um die Frage, wie komme ich als trans Mann an und wie geht das mit Liebesbeziehungen, wie zeigt man sich Menschen, die man toll findet?

Nathalie Gerber hat vor ihrem Tod einen Rostocker Club besucht, in dem auch Katrin König später einen Abend verbringt. Was zieht sie dorthin? Ist sie privat dort oder beruflich?

AKS: Katrin König würde behaupten, sie geht da rein beruflich hin, um Recherche zu betreiben. Aber ich glaube, jeder Außenstehende merkt, dass sie sich als Frau spüren will, dass sie gucken will, wie wirke ich auf Männer, und was machen die Männer mit mir? Sie will das testen. Was löst es in mir aus, mich zu zeigen? Kann ich das noch? Will ich das noch? Tut es mir gut oder eher doch nicht? Und sie ist offenbar noch nicht soweit.

Das Rostocker Kommissariat ist um Umbruch. Zwei Frauen stehen jetzt zwei Männern gegenüber. Was macht das mit dem Team?

AKS: Das macht schon eine Menge. Eine bestimmte Art von Machotum wird dadurch sichtbarer, jeder blöde Spruch und jedes klischeehafte Machodenken fällt Thiesler und Pöschel automatisch auf die Füße. Aber abgesehen davon muss auch die Profilerin jetzt wieder neu suchen, wo sie steht, was ihre Rolle in diesem Team ist, das sich neu aufstellt. Ich glaube, sie hat für sich den Wunsch, dass sie weiter das bleibt, was sie ist, auch in diesem Team, aber es wird sich zeigen, ob das geht.

LB: Pöschel und Thiesler müssen sich total umgewöhnen. Bukow war ja ein Macho, ein Macker, und diese Energie ist einfach weg. Da ist jetzt eine völlig andere Energie, und das löst Irritationen aus. Wie schwierig so eine Umstellung ist, kenne ich auch vom Theater, wenn eine Rolle umbesetzt wird. Wenn plötzlich jemand anders eine Rolle übernimmt, ist das so anders, dass man oft lange braucht, um das zu akzeptieren und auch die Schönheit dessen zu sehen, was jetzt neu hinzukommt. Ich kriege ja mit, dass viele Zuschauer den Bukow unglaublich vermissen. Und so ist das auch im Kommissariat. Die Figur, die jetzt kommt, hat es schwer, diesen Platz einzunehmen, diese Lücke zu füllen mit etwas, das ganz anders ist. Das klappt nur, wenn alle anderen auch bereit sind, das anzunehmen. Und so richtig bereit sind sie in diesem Revier eben noch nicht.

Melly Böwe (Lina Beckmann) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) suchen unter den Chören Rostocks nach dem Täter.
Melly Böwe und Katrin König suchen unter den Chören Rostocks nach dem Täter. | Bild: NDR / Christine Schröder
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