Charly Hüber über seinen Abschied vom "Polizeiruf"

Überwältigt: Sascha Bukow (Charly Hübner)
Überwältigt: Sascha Bukow  | Bild: NDR / Christine Schroeder

Nach dem Tod seines Vaters und durch die Beziehung mit Katrin König scheint Alexander „Sascha“ Bukow der Sprung aus dem schwierigem Rostocker Milieu, dem er entstammt, endgültig gelungen zu sein. Er will nun alles richtig machen, und Katrin König legt ihm ihr Herz zu Füßen – alles könnte so schön werden. Aber es soll nicht sein. Die Vergangenheit lässt sich nicht abstreifen wie ein altes Hemd; sie kehrt in Gestalt seines alten Widersachers Subocek mit atemberaubend zerstörerischer Kraft in sein Leben zurück. Kommissar Bukow leistet Gegenwehr und offenbart uns zum Abschied seine dunkelsten Seiten.

Der 24. ist der letzte Fall für Sascha Bukow. Wie wollten Sie die Figur verabschieden?

Es gab natürlich verschiedene Möglichkeiten. Wenn man sich wirklich mal mit der Figur befassen will und nicht nur mit der Liebesgeschichte, die am Schluss so eine Dynamik bekommen hat, war sein Lebensweg schon immer dieses Changieren und Verschwinden, wenn’s konkret wird. So wie er als junger Mann aus Rostock von der kriminellen Szene in die Polizeiszene geriet, so ist er jetzt wieder an dem Punkt, weiterzugehen, wo auch immer das dann ist. Das ist sein Wesen. Die Variante, die wir dann letztlich gewählt haben, ist schon drastisch. Aber dass hier nach Jahren der Widerpart noch mal auftaucht, ist natürlich eine coole Idee. Das ist poppig, aber cool.

Zu Beginn überreicht Bukow die Hinterlassenschaften des Vaters demonstrativ in einer Tüte an Katrin König. Auch sonst vermittelte Bukow zuletzt den Eindruck, auf der guten Seite angekommen sein. In diese Situation grätscht nun sein ärgster Widersacher mit brutaler Wucht.

Ja, das kommt von außen auf ihn zu und überrascht ihn total. Bukow versucht gerade, alles richtig zu machen. Darum hat er auch einen Blumenstrauß für Katrin König dabei, als Subocek zu ihm in den Wagen steigt. Er will das neue Leben wirklich packen, obwohl er eigentlich überhaupt kein Händchen dafür hat, was man daran sieht, dass es Plastikblumen sind und keine echten. Dass dieser alte Mafia-Boss, den er für stillgelegt hielt, plötzlich wieder auftaucht und alles in Gefahr bringt, kommt ihm gar nicht zupass. Er hat geglaubt, er wohnt auf einer sicheren Scholle und hat jetzt auch so ein bürgerliches Netz mit Frau König, und auf einmal bricht das, was sein Leben ist, zusammen wie eine Matrix.

Unter dem Druck dieser Gefahr rutscht Bukow schnell in alte Muster; er agiert wie ein Krimineller. Könnte man die Wiederbegegnung mit Subocek als eine Art Stresstest sehen, den Bukow nicht besteht?

Sein Instinkt gibt ihm diese Reaktion vor. Jeder hat ja in seinem Leben Tools vermittelt bekommen, wie man Probleme löst. Bei Bukow ist es das, was immer so charmant mit seiner starken Intuition umschrieben wurde. Er weiß immer sehr früh, wo was faul ist. Und in dem Fall weist ihm sein Instinkt den effektivsten Weg, so viele Probleme wie möglich auf einen Schlag zu klären. Das kennt er aus der Kinderstube, deshalb fällt es ihm nicht schwer, umzuschalten. Er reagiert wie ein Fisch, den man zurück ins Wasser schmeißt. Er weiß: Ich muss das Problem ganz auf meine Weise lösen, dann kann ich da weitermachen, wo ich war, bevor der in meinen Pick-up gestiegen ist.

Auch Katrin König wartet mit einer Überraschung auf. Während Bukow mit der Vergangenheit ringt, schiebt sie all ihre Zweifel beiseite und verblüfft ihn mit einem Antrag. Plötzlich entsteht ein Moment des Innehaltens. Wie erlebt Bukow das?

Er ist da ja schon auf falschen Pfaden unterwegs, er hat das Problem mit Subocek noch nicht gelöst und weiß, die Katastrophe steht direkt vor der Tür. Beim Drehen haben wir überlegt, wie wir dem nahekommen, und ich fand, wir müssten eigentlich Western spielen. Für mich war das wie in einem Western, wenn die, die eigentlich in der gleichen Gang sind, auf einmal merken, irgendwas stimmt hier nicht, und sich als Gegner gegenüberstehen. Wir haben das improvisiert und sind umeinander rumgegangen. Und dann passierte dieser Kniefall. Ich finde ja den Kniefall beim Heiratsantrag toll, das ist als Geste so krass. Als Katrin König dann weg ist und man ihn noch kurz mit sich allein dort stehen sieht, zeigt sich auf seinem Gesicht einen kurzen Moment lang die ganze Ausweglosigkeit seines Lebens. Dieses Gesicht, das ich da sehe, dieser Mann, der Tränen in den Augen hat und gleichzeitig getrieben ist, das ist für mich die Innenseite von Bukow. Sonst kriegt er das immer gut verhüllt mit seiner MackerNummer und seinem Boxergang. Aber in diesem Moment sehen wir in seine Seele, die ihr Leben zwischen den Stühlen lebt. Ich empfinde das Ende dieser Szene als ein großes Geschenk an die Figur. Im Leben hat man solche Momente nur sehr selten, auch bei den engsten Freunden. Wir sind ja immer mit unseren Masken unterwegs.

Bukow versucht das Subocek-Problem im Alleingang aus der Welt zu schaffen und insbesondere Katrin König vor ihm zu schützen. Was ist letztlich sein bestimmendes Motiv?

Erst mal kämpft er um sein nacktes Überleben, um wehrfähig zu bleiben, um alle direkt oder in der zweiten Ebene Betroffenen zu schonen. Er wirft sich sozusagen vor die Truppe. Denn Subocek ist ja nur noch auf Rache aus. Dem geht es gar nicht wirklich darum, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen. Dann würde er anders agieren. Das kapiert Bukow schon in der Pick-Up-Szene, und er versucht, den Kollateralschaden, den das nach sich ziehen kann, so gering wie möglich zu halten. Titos ganze Family, Frau König, das Revier, sie alle sollen so wenig wie möglich abkriegen. Das kann er gut, das ist sein Wesen, er fühlt sich nur selber so schlecht dabei. Deswegen geht ihm dieser Heiratsantrag so nah. Eigentlich war er gerade dabei, all das, was das Gestern war, endgültig zu den Akten zu legen. Und jetzt wird das alles wieder hervorgezerrt. Es ist, als ob es nicht sein darf, als ob es sein Schicksal ist, dass er niemals der weiße Engel werden darf. Also versucht er, wenigstens die anderen mit seinen Fähigkeiten zu schützen.

Am Anfang des Films fragt er sich kurz, was aus ihm geworden wäre, wenn Röder nicht gewesen wäre. Wie verändert sich das im Laufe des Films?

Es gibt da diesen Moment der Selbstverachtung. Nach außen ist das ja ein Generalversagen. Das sehen wir in der Szene am Feuer, in dem er zusammen mit den Beweisen auch das Foto verbrennen will, das ihn mit seinem Vater zeigt. Er weiß, er ist gefangen in dieser Struktur, und will das Bild wegwerfen, tut es dann aber doch nicht. Das Feuer ist praktisch das Höllenfeuer, und es ist klar, dass es aufs Ende zugeht.

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