Interview mit Eoin Moore
Er führte Regie im "Polizeiruf 110: Wendemanöver"
Dieser "Polizeiruf" ist außergewöhnlich. Sie erzählen in einer Doppelfolge eine Geschichte über drei Generationen hinweg.
Es ist eine panoramahafte Geschichte über das Erben historischer Schuld. Die Söhne erben von ihren Vätern die Last der Vergangenheit. In dem einen Fall ist es die Tragödie eines Mannes, der in seinem verzweifelten Versuch auszubrechen, einen schicksalhaften Fehler begeht. In dem anderen Fall ist es die klassische Konstellation: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Trotz seiner Bemühungen um ein eigenes sauberes Leben spürt er, dass die gleichen Gene in ihm stecken. Erst die Enkelin ist wirklich frei zu entscheiden: Werde ich zur Mittäterin und Mitwisserin oder starte ich neu?
Wo stehen wir heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung. Gibt der Film darauf Antworten?
An einem Jahrestag lässt man gern die historischen Ereignisse Revue passieren und stellt fest, wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich war 20, als die Mauer fiel, und gerade in Berlin angekommen. In unserem Film blicken wir über einen besonderen Fall von Wirtschaftskriminalität auf die Wendejahre zurück. In den gängigen Fällen hat der Westen den Osten über den Tisch gezogen. Doch hier machen West und Ost bei Transferrubelgeschäften gemeinsame Sache. Gauner beider Seiten tun sich zusammen, um nach der Wende in einer kurzen, beinahe rechtsfreien Zeit abzuräumen. Im Zentrum steht aber der Mord an einer Person, die davon Wind bekam. Es ist tragisch, dass erst durch dieses Verbrechen der alte Transferrubelbetrug auffliegt.
Wie lief die Zusammenarbeit mit zwei Redaktionen?
Das Projekt war ein Marathonlauf mit Zwischensprints: Wir haben ja bis in die dritte Drehwoche hinein am Buch gearbeitet und Szenen geschrieben. Die Redaktionen haben in dieser Zeit so intensiv mit uns zusammengearbeitet, wie ich es vorher noch nicht erlebt habe.
Ist die Dramaturgie bei einer Doppelfolge eine besondere Herausforderung?
Ja, wir haben einige wichtige dramaturgische Ankerpunkte gesetzt. In der Mitte des ersten Teils kommen die zwei Kommissariate zusammen. Es gibt einen Cliffhanger am Ende und einen weiteren Schlüsselmoment in der Mitte des zweiten Teils. Und das ist nur das grobe Gerüst. In unserem Arbeitszimmer hingen zunächst zwei Whiteboards, wir mussten zwei nachbestellen, um alle Erzählstränge und Verflechtungen aufmalen zu können. Die Whiteboards füllten einen ganzen Raum aus. Ich habe die Tafeln fotografiert, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Was ich da aufgezeichnet habe, sieht aus wie ein wildes wissenschaftliches Experiment.
Die Ermittlerteams aus Rostock und Magdeburg sind sehr unterschiedlich. Wie brachten Sie die Paare auf eine Linie?
Die Rostocker kenne ich natürlich sehr gut. Wir sind ein eingeschworenes Team. Für die Magdeburger war die Zusammenarbeit die größere Herausforderung, weil sie in ihrem "Polizeiruf" ein anderes Erzähltempo gewöhnt sind. Drexler und Brasch sind etwas nachdenklicher unterwegs. Drexler ist ein stiller, schweigsamer Ermittler, und auch der Gefühlsmensch Brasch quasselt nicht viel und gibt ungern Informationstexte von sich. In "Wendemanöver" war allerdings ein relativ hohes Tempo vonnöten, um diese komplexe Geschichte unterzubringen. Der Film ist insofern ein großes Experiment gewesen, weil es sich um zwei verschiedene Erzählstile und zwei Figurenarten handelt. Ich musste aufpassen, dass es nicht ein Abwasch wird und dass jede Figur mit ihren Besonderheiten zu ihrem Recht kommt. In den Drehbuchbesprechungen hieß es schon einmal: So reden die Magdeburger nicht.
Hat jedes Team darauf gepocht: 50 Prozent der Sendezeit steht uns zu?
Von den Schauspielern wurde dieser Wunsch nicht geäußert. Sie sind in diesem Zusammenhang völlig uneitel. Bei der Drehbuchentwicklung haben die beiden Redaktionen schon für ihre eigene Ecke gekämpft und gesagt: Wir wollen auch nicht nur im Büro hocken, oder: Der Humor darf nicht allein auf der Rostocker Seite bleiben. Ich habe beim Drehen nicht auf die Stoppuhr geschaut oder die Seiten im Drehbuch gezählt. Aber ich habe natürlich – mehr nach Gefühl – auf die Dramaturgie geachtet, das heißt: Wir waren jetzt acht Minuten in Rostock, wir müssen so langsam in die Magdeburger Spur wechseln, bevor die Zeit zu weit voranschreitet.
Wie hat sich das Rostocker Duo seit seinen Anfängen verändert?
Im Grunde gar nicht. König ist nach wie vor sehr geheimnisvoll. Man kann an ihrer Figur viele neue Seiten ausprobieren. Sie ist immer für eine Überraschung gut. Mal wirkt sie unheimlich brav, unser Nerd-König, mal tritt sie soldatenhaft auf. Dann brechen plötzlich die Emotionen aus ihr heraus. Und bei Bukow geht es immer nur darum: Wie tief kann ich ihn in die Scheiße reinreiten? Anders als König hat Bukow Geheimnisse vor dem Gesetz, aber nicht vor der Geschichte und den Zuschauern.
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