Interview mit Autor und Regisseur Tom Bohn
Ein Konzertveranstalter ist zum Hassobjekt eines Rechtsextremisten geworden, der seine Gewaltbereitschaft auf ihn fokussiert, das ist der Ausgangspunkt vom "Tatort – Hetzjagd". Worum ging es Ihnen dabei in erster Linie? Eher um eine paradigmatische Konstellation als um die konkrete Ideologie oder persönliche Motivation des Ludger Rehns?
Die verschiedenen politischen Ideologien, die in diesem Tatort aufgezeigt werden, dienen mir vor allem als Mittel um die zunehmende Entfremdung und Spaltung innerhalb unserer Gesellschaft darzustellen. Gerade wieder sehen wir diese deutlich in der Corona-Krise. Menschen, die sich um die Richtigkeit von politischen- oder gesellschaftlichen Meinungen unversöhnlich streiten, gefährden letztendlich die demokratische Debatten-Kultur. Das Resultat kann eine Flucht Einzelner in immer radikalere Ecken sein, aus denen man sie nur schwer wieder herausbekommt. Ein Resultat dieser Flucht kann Gewalt werden.
Im Zentrum des Tatorts steht die Begegnung der beiden jungen Frauen Hedwig und Maria, die normalerweise vermutlich noch nicht mal miteinander reden würden. Das ist ein spannendes Aufeinandertreffen, steckt auch ein utopisches Moment darin?
Ich glaube nicht, dass ein Aufeinanderzugehen, auch wenn es aus extrem unterschiedlichen Punkten kommt, utopisch sein muss. Ich glaube an die Kraft des Persönlichen und auch an die Einsicht. Verstehe ich, dass mein Gegenüber ein Mensch ist wie ich es bin, ist es zu der Einsicht nicht weit, dass auch er ein Recht darauf hat, zu einer persönlichen Lebens- und Politikeinstellung zu kommen. Auch wenn diese sich gravierend von meiner unterscheidet. Diese Einsicht kann Brücken bauen und helfen, hinter eine Wand zu schauen. Auch dann, wenn diese aufgrund starker Enttäuschungen und durch Frust aufgebaut wurde.
Die Polizei kann erst eingreifen, wenn etwas passiert ist, mit dieser Bürde muss Lena Odenthal sich hier auseinandersetzen. Und sie muss erleben, dass eine Streifenpolizistin ohne wirklichen Grund von Rehns erschossen wird, der sich dann auch noch rausreden will. Ist Lena diesmal ohnmächtiger als in anderen Fällen?
Lena verhindert zum Schluss eine Katastrophe. Das kann sie nur deswegen, weil sie im Lauf des Falls gelernt hat, wie Menschen ticken können, die den Halt verloren haben. Ich finde, dass sich Lena in diesem Fall braovurös schlägt.
Die Dreharbeiten mussten im März 2020 unterbrochen werden, erst im Hochsommer konnte es weitergehen. Jenseits der Anpassung an die Corona-Vorsichtsmaßnahmen – haben Sie nach der unfreiwilligen Pause anders auf die Geschichte geblickt? Hat sich der Film verändert oder lediglich die Bedingungen, unter denen gedreht wurde?
Wir waren alle so in dieser außergewöhnlichen Geschichte drinnen, dass wir eigentlich keinerlei Anschlussschwierigkeiten hatten. Bis auf die Bäume, die waren plötzlich alle grün, was unsere Kamerafrau vor ziemlich große Herausforderungen stellte.
Der Ermordete veranstaltete Rock gegen Rechts-Konzerte, Sie haben einen Musiker mit Clueso besetzt. Wieso fiel die Wahl auf ihn und wie war das Arbeiten mit ihm?
Clueso macht emotionale Musik mit sehr bewussten Texten. Ich fand ihn schon immer bemerkenswert. Deswegen habe ich mich sehr über den Vorschlag vom SWR gefreut, ihn doch einmal als Special Guest anzufragen. Der Dreh mit Clueso war klasse. Er war sehr gut vorbereitet, völlig unkompliziert und sehr kollegial. Wie man es halt von Profis kennt. Was nicht nur mir auffiel war seine Natürlichkeit. Da war ein Mensch mit uns am Set, der sich selbst wiedergab. Das hat Clueso wirklich sehr beeindruckend geschafft.
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