Tobias Ineichen, Regisseur im Interview
Im neuen SRF-Tatort „Blinder Fleck“ werden Verbrechen via Drohne begangen. Das Ermittlerteam tappt lange Zeit im Dunkeln. Ist das der perfekte Stoff für einen Krimi?
Natürlich ist es für einen Krimi überaus spannend, neue Entwicklungen in der Drohnentechnologie zu thematisieren. Technologien, die sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können – zum Nutzen oder zum Schaden von Menschen. Bei „Blinder Fleck“ geht es auch um lange zurückliegende Kriegsverbrechen und um Fragen von Vergangenheitsbewältigung – in Kombination mit potenziell gefährlichen Drohnen inmitten einer neutralen Schweiz, ist das eine durchaus brisante Mischung für einen Tatort.
In der Geschichte vermischen sich Liebe und Vergeltung. Opfer werden zu Tätern und Opfer vergeben – antiker Tragödienstoff. Worauf kam es Ihnen bei der Regiearbeit bei diesem Tatort an?
„Blinder Fleck“ wird multiperspektivisch erzählt, das heißt sowohl aus der Perspektive der ermittelnden Kommissarinnen wie zu großen Teilen aus der Perspektive von Betroffenen und/oder möglichen Täter:innen selbst. Ich möchte beim Publikum stellenweise den Eindruck erwecken, es hätte einen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei – was sich jedoch bald als trügerisch erweist. Denn in „Blinder Fleck“ spielen alle potenziell Verdächtigen auch unter sich stets ein doppeltes Spiel, niemand zeigt dem anderen sein wahres Gesicht. Alle haben etwas zu verbergen, (fast) alle täuschen und werden getäuscht – so auch das Publikum. Diese „Doppelgesichtigkeiten“ der Protagonisten im Kontext einer komplexen Thematik sorgfältig herauszuarbeiten und gleichzeitig einen stringenten, atmosphärisch dichten Suspense-Krimi zu erzählen, war mir sehr wichtig.
Kinder am Film-Set: Was macht die Arbeit mit Jungdarsteller:innen wie Maura Landert in einem Krimi besonders?
Maura Landert hat neben ihrem großen schauspielerischen Talent ein sehr ausdruckstarkes Gesicht und unglaublich intensive Augen. Da sie in ihrer Rolle als traumatisiertes Opfer lange Zeit kein Wort spricht, ist ihr subtiles, nonverbales Spiel umso wichtiger für die Handlung. Dank sorgfältigem Casting, detaillierten Vorgesprächen mit Laura, ihren Eltern und der Produktion, der Anwesenheit von speziell geschulten Kinder-Coaches, kindgerechten Proben vor dem Dreh und schließlich auf wenige Stunden begrenzten Drehzeiten, verlief die Arbeit mit Maura absolut problemlos und hat ihr große Freude gemacht. Während eines Drehs arbeite ich mit Jungdarsteller:innen stets auf Augenhöhe, das heißt, ich nehme sie als Schauspieler:innen genauso ernst wie die erwachsenen Profis, ich vertraue ihnen zu hundert Prozent. Ich bin überzeugt, diese Ernsthaftigkeit im Teamwork mit Kinder- und Jungdarstellerin:en fördert deren Spielfreude enorm, und das Vertrauen in ihre schauspielerischen Fähigkeiten motiviert sie erst recht, einen ganz persönlichen Zugang zu ihrer Rolle zu finden.
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